Ein Thema, das uns derzeit sehr beschäftigt, ist der Umbau der Stadt zur Klimaneutralität.
Michaela Mischek-Lainer: Der Umbau der Stadt zur Klimaneutralität ist meines Erachtens die größte Bauaufgabe für Wien, seit die Stadtmauern geschleift wurden. Es betrifft faktische alle Bereiche der Stadt in unterschiedlichem Ausmaß. Das ist tatsächlich eine große Herausforderung für die Immobilien- und Bauwirtschaft. Es ist eine Operation am offenen Herzen, an bestehenden bewohnten Gebäuden und funktionierenden Grätzeln, und wenn wir das nicht schaffen, zahlen wir als Gesellschaft den Preis und die Wirtschaft ebenso. Jeder wird in seinem Geschäftsbereich beeinflusst werden und die Welt unserer Kinder sowieso.
Bis wann muss der Umbau erfolgt sein?
Michaela Mischek-Lainer: Wien hat sich innerhalb der EU verpflichtet, als Stadt bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen. Wir müssten als Gesellschaft Milliarden an Strafen zahlen, wenn wir das nicht schaffen. Unabhängig von der Strafe kommen unendliche Kosten auf uns als Gesellschaft zu, wenn der Change nicht gelingt. Da sollte ein reiches Land das Geld doch lieber dafür verwenden, sich entsprechend auf die Zukunft vorzubereiten und die Ziele von 2040 zu erreichen. Das belebt die Wirtschaft, schafft neue Arbeitsplätze und neue Geschäftsfelder.
Glauben Sie, dass das auch umgesetzt werden kann?
Michaela Mischek-Lainer: Wir stehen zwar in den kommenden Jahrzehnten vor einer großen Aufgabe, aber ich wünsche mir, dass wir das in gemeinsamer Arbeit lösen, nämlich mit Architekten, Planern, Ausführenden, der gewerblichen und der gemeinnützigen Immobilienwirtschaft, Projektentwicklern, Haus- und Objekteigentümern, dem Magistrat der Stadt Wien und der Gesetzgebung und der Beamtenschaft auf Landes- und Bundesebene. Es wäre schön, wenn wir wirklich endlich alle an einem Strang ziehen oder zumindest unseren Austausch intensivieren würden.
Es gibt in der Stadt mehrere Bereiche, die sich mit dem Klimaschutz befassen – von der Stadtbaudirektion über die Magistratsabteilungen 20, 25, 23, 18 usw., und da gibt es viele (junge) engagierte Beamte mit tollen Visionen. Gepaart mit einer zielgerichteten Innovationskraft unserer Branche wird es zu schaffen sein!
Da müsste es aber von der Stadt Wien auch ein Entgegenkommen bei den Gesetzen geben.
Michaela Mischek-Lainer: Ja, da gibt es zum Glück schon unterschiedliche Ansätze, und wir hoffen auf einen radikalen Wandel und Unterstützungsmaßnahmen in der Klimaschutznovelle zur Bauordnung 2023 und im Stadtentwicklungsplan 2035, der 2024 beschlossen werden soll.
Aber es gibt auch einen ganz anderen wesentlichen Punkt, der dringend geändert gehört, und das ist das Normenwesen. Unser Normenwesen ist in vielen Bereichen auf dem Stand der Technik von vor 20 Jahren und nicht auf dem Niveau, das wir erreichen sollen und können.
Über die notwendigen Adaptierungen der Bundesgesetze schweige ich mich der Länge wegen hier aus …
Die Bauordnungsnovelle 2023, die sogenannte Klimaschutznovelle, wird ein ganz wichtiger Ansatz sein.
Michaela Mischek-Lainer: Die Bauwirtschaft produziert 40 Prozent des CO2. Das heißt, wir müssen die Energiewende mit einem Thema kombinieren, das noch viel zu wenig durchgedrungen ist: mit der Kreislaufwirtschaft. Diese wird hoffentlich in der Bauordnungsnovelle sehr stark verankert werden. Die Kreislaufwirtschaft und die Energiewende sollten darin verknüpft und vernetzt mit der Energieraumplanung gedacht werden.
Das bedeutet, es sollte bei allen zukünftigen Konzepten nicht ein einzelner Aspekt betrachtet werden, sondern das gesamte involvierte Gebiet. Das betrifft nicht nur die Gebäude, die Energieeffizienz und die Energieversorgung, sondern auch Änderungen im öffentlichen Raum, an der Infrastruktur und bei Straßen. Die ersten Pilotprojekte sind am Start, jetzt gilt es, in die Skalierung zu gehen!
Wo wird das umgesetzt?
Michaela Mischek-Lainer: Toll finde ich zum Beispiel das Stadterneuerungsprogramm WieNeu+ mit seinem Startprojekt im 10. Bezirk, wo rund um den Erlachplatz Wiens erstes Supergrätzel im Laufen ist. Es geht nicht um Blocksanierung, sondern um Konzentration auf den ganzen Stadtteil. Vom Prinzip her wird hier das Richtige gemacht.
Auch wir bei allora wollen hier unseren Beitrag leisten und haben mit dem Zukunftsanker ein rund 140.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche umfassendes gemischtes Projektgebiet im Sinne der Klimaneutralität in Bearbeitung.
Das Spannende wird sein, den Bodenverbrauch zu reduzieren und damit die Stadtverdichtung zu forcieren. Da kommen neue Bauaufgaben auf uns zu. Stadterweiterung im großen Stil wird es wahrscheinlich nur mehr an konzentrierten Standorten sein, an denen es schon die gesamte Infrastruktur gibt. Die Immobilienwirtschaft wird sich auf die Stadtverdichtung konzentrieren müssen.
Welche Auswirkungen wird die angestrebte Klimaneutralität auf das Bauen in der Stadt noch haben?
Michaela Mischek-Lainer: Es bedeutet, dass das beste Bauen in Zukunft „nicht bauen“ ist. Das heißt, es geht verstärkt in die Konvertierung, in den Umbau, in den qualifizierten Rückbau. Die vorhandenen Gebäude sollten in erster Linie restrukturiert werden, und letztendlich sollten wir im Neubau wirklich nur noch nutzungsneutrale Gebäude errichten.
Daher wünsche ich mir für die Bauordnungsnovelle wieder mehr Möglichkeiten in Bau- und Raumordnung, die uns das zukunftsfitte, nutzungsneutrale Errichten bzw. Umnutzen von Gebäuden erleichtern! Wir alle im Immobilienwesen werden uns mit den Assets, die auf einer Liegenschaft schon vorhanden sind – von Gebäuden bis zu Anschlüssen, von Grünraum bis zu Anbindungen – verstärkt auseinandersetzen und erst dann auf Basis dieser Grundlage unsere Entwicklungsentscheidungen treffen.