„Wenn es um Smart Cities geht, dann ist Europa das Vorbild, von dem der Rest der Welt lernen sollte“, erklärt der US-Klimastratege Boyd Cohen anlässlich der Präsentation seines jährlichen „Smart Cities-Index“. Dieser wurde für Städte anhand verschiedener Indikatoren für Innovation und Nachhaltigkeit erstellt. Das von Cohen erarbeitete und vom Online-Magazin „Co.Exist“ publizierte Ranking legt anerkannte Kriterien zugrunde, wertet sämtliche bestehenden Untersuchungen aus und wurde im Jahr 2011 zum ersten Mal publiziert. Wien lag 2013 auf dem vierten Platz und rückt jetzt wieder in die europäischen Top-3-Städte auf – unmittelbar hinter Kopenhagen und Amsterdam. Es folgen Barcelona, Paris, Stockholm, London, Hamburg, Berlin und Helsinki.
Wien erobert Spitzenplatz
„Dass Wien zum wiederholten Mal einen Spitzenplatz eroberte,?ist keine Überraschung. Wie schon in den vorangegangenen Rankings hat?Wien mit seinem ganzheitlichen Smart-City-Ansatz gepunktet“, erklärt Dominic Weiss, Geschäftsführer der Smart City Wien Agentur, angesiedelt bei tinavienna. Tinavienna– ein Unternehmen der Wien Holding– liefert nicht nur Know-how und unterstützt die Stadt Wien, sondern gibt das gesammelte Wissen und die Produkte der Wiener Urban Technologies Strategies an nationale und internationale Gebietskörperschaften weiter. Für die Auftraggeber werden erarbeitete Lösungen analysiert, außerdem erhalten sie Informationen über die neuesten Trends.
Know-how vernetzen
In Bezug auf Wien hebt der Klimaexperte Cohen besonders hervor, dass sich die Stadt nicht auf dem guten Ruf vergangener Jahre ausgeruht habe. Vielmehr wurde mit tinavienna eine neue Institution forciert, welche die Entwicklung von Smart-City-Strategien und innovativen Lösungen unterstützt. Die Stadt Wien legte dem Klimastrategen mehr als 100 Smart-City-Projekte vor, darunter die „BürgerInnen-Solarkraftwerke“, die Ausweitung von E-Mobility-Standorten und die Entwicklung eines „Innovationsbezirks“ für Medien, Wissenschaft und Technologie im Stadtteil Neu Marx. Weiters war auch das ambitionierte Ziel der Stadt, bis 2030 rund 50% der Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, ein wesentliches Kriterium. „Die Herausforderungen für Städte des 21. Jahrhunderts liegen vor allem in einer zielgerichteten Stärkung der Ökonomie als Basis für soziale Gerechtigkeit und in einem schonenden Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen“, meint Wiens Bürgermeister Michael Häupl: „Dafür gilt es, das vorhandene Know-how in den unterschiedlichen städtischen Bereichen miteinander zu vernetzen und intelligente Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.“
Mensch und Nachhaltigkeit
Interessant ist, dass es international eine immer stärkere Abkehr vom rein technischen Ansatz einer Smart City gibt und stattdessen der Mensch und die soziale Nachhaltigkeit wieder vermehrt in den Vordergrund gestellt werden. Dazu zählt auch– und vor allem– der Wohnbau. „Ich glaube, dass wir weltweit eine sehr anerkannte Rolle als Vorreiter im geförderten Wohnbau haben, und das ist uns auch bewusst“, erklärt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Jede Woche kommen Einzelpersonen oder Delegationen aus aller Welt, um sich von den Gedanken und Ideen in der Donaumetropole inspirieren zu lassen. Vor allem der geförderte Wohnbau weckt großes Interesse. „Wir wollen international zeigen, dass wir in der Lage sind, die Entwicklungen der Zukunft sinnvoll zu bewältigen, und das wollen wir auch in den Stadterweiterungsgebieten beweisen“, meint Ludwig. Dazu zählt vor allem die seestadt aspern, in der neue Konzepte und Ideen einer zukünftigen Stadt getestet und umgesetzt werden sollen. aspern Die Seestadt Wiens ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Das Planungsgebiet umfasst 240 Hektar–so viel wie die gemeinsame Fläche des 7. und 8. Wiener Gemeindebezirks. Der Stadtteil soll in mehreren Bauphasen und über die Dauer von mindestens zwei Jahrzehnten errichtet werden. Im Dezember letzten Jahres haben Vertreter von Mitgliedsstädten des größten europäischen Städtenetzwerks EUROCITIES, in dem die Stadt Wien seit Jahren aktiv mitwirkt und gewähltes Mitglied im Steuerungsgremium ist, die Seestadt besucht.
Europas smarte Städte
Alle Städte in Boyd Cohens „Smart Cities-Index“ sind zwar „smart“, aber jede hat dann doch ihre Besonderheit: So gilt Kopenhagen als die führende „Grüne Stadt“ und hat zudem einen der geringsten CO?-Fußabdrücke weltweit; die Stadtverantwortlichen sind weiterhin äußerst ambitioniert, was eine weitere Reduktion betrifft, und man möchte bis 2025 klimaneutral sein.
Von Amsterdam sagt man, dass die Stadt mehr „Probleme“ mit Fußgängern und dem Radfahrverkehr hat als mit dem Autoverkehr– 67% aller Wege in der holländische Hauptstadt werden zu Fuß oder mit dem Rad erledigt. Die Stadt hatte schon Anfang der 90er-Jahre ein „Fahrrad-Sharing“-Projekt initiiert. Aber Amsterdam ist mehr als eine Radfahrstadt, vielmehr wird sie als Stadtlabor für zukünftige Stadtentwicklungen genutzt. Mehr als 40 Smart-City-Projekte sind in Amsterdam gelistet– wobei man dazusagen muss, dass es in Wien mehr als 100 gibt. Barcelona hat ebenfalls zahlreiche Initiativen zu bieten und ist auch Veranstalter des „Smart Cities Expo World Congress“. „Bei all den Innovationen und der hohen Lebensqualität ist es gar nicht verwunderlich, dass die Lebenserwartung in Barcelona mit 83 Jahren die höchste aller Städte ist“, erklärt Cohen.
Fahrrad-Sharing und Ökoparks
Autos und Räder werden in Paris miteinander geteilt wie in keiner anderen Stadt, und in Stockholm bestehen rund 40% der Flächen aus Grünflächen. Zudem besitzt die schwedische Hauptstadt ein unglaubliches Naturreservoir: Der Ökopark Stockholm hat die gigantische Fläche von 27 Quadratkilometern und ist der erste Nationalstadtpark der Welt. In ihm finden sich allerdings nicht nur Bäume und Grünflächen, sondern auch Wohnsiedlungen, Industriebetriebe, Bürokomplexe, eine Stadtautobahn und die Stockholmer Universität. Diese ungewöhnliche Mischung aus Kultur und Natur zieht jährlich rund 15 Millionen Menschen in die Anlage.
Europa geht mit seinen Smart Cities weltweit voran, und sie sind auch bereit, ihr Wissen an andere weiterzugeben. Denn nur „smarte Städte“ werden im internationalen Wettbewerb bestehen und für ihre Bürger die Lebensqualität von morgen sichern können.
Europas Smartest Cities
- Kopenhagen
- Amsterdam
- Wien
- Barcelona
- Paris
- Stockholm
- London
- Hamburg
- Berlin
- Helsinki