Auch ich war begeistert, weil ich so wie viele andere angesichts des raschen Wachsens der Union der Idee anhing, dass es sich bei diesem Zusammenschluss vor allem um ein Friedensprojekt handelte. Und dass die richtigen Lehren und Schlüsse aus den zwei schrecklichen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts gezogen worden waren.
Ebenfalls erinnere ich mich an die Rede Wladimir Putins – in fließendem Deutsch gehalten – im September 2001 im Berliner Reichstag. Er sagte damals unter anderem, „das Herz Russlands sei für eine vollwertige Zusammenarbeit und Partnerschaft geöffnet“, „der Geist der Demokratie und der Freiheit habe die überwiegende Mehrheit der russischen Bürger ergriffen“, „wir unterstützen die europäische Integration und sehen sie mit Hoffnung, wir tun das als ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und aus der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat“.
Schnitt. Frühjahr 2022.
Es herrscht Krieg in Europa, nur ca. 500 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt. Alles ist plötzlich anders. Wir sind zurück im Kalten (heißen?) Krieg.
Es ist schwer, das menschliche Leid, das mit dieser Erschütterung einhergeht, auszublenden, und es gäbe noch viele andere Aspekte, die diskussionswürdig wären. Ich werde aber versuchen, mich hier auf die Auswirkungen des Krieges auf die Immobilienwirtschaft zu fokussieren.
Vor ziemlich genau zwei Jahren mussten wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie sich die Coronapandemie auf die Immobilienbranche auswirken wird. Kaum überwunden bzw. noch mittendrin steckend, sind wir schon gezwungen, uns mit der nächsten systemrelevanten Krise zu beschäftigen.
Realistisch gesehen ist eine Vorhersage, wie es mit der Wirtschaft im Allgemeinen und der Immobilienbranche im Speziellen weitergehen wird, nicht pauschal zu treffen. Alles hängt davon ab, wie lange dieser Konflikt dauert und welche Eskalationsstufe möglicherweise noch gezündet werden wird.
Dazu kommt, dass wir uns generell in einer Zeit vielfältiger, parallel auftretender Herausforderungen und Bedrohungen befinden. Pandemie, Krieg, Inflation, Zinswende, Kosten für den Klimawandel, da sind ziemlich viele Bälle in der Luft, und es fällt schwer, alle noch gleichzeitig im Auge zu behalten.
Wie sich zum Beispiel die Zinsen weiterentwickeln werden, wage ich nicht vorauszusehen, da gibt es berufenere Köpfe (und insbesondere den Kopf von Frau Lagarde). Aber es ist schon interessant, welche sich widersprechenden Kräfte da gerade auf die Zinskurve einwirken, einerseits die davongaloppierende Inflation, andererseits die Staatsverschuldungen, die durch niedrige Zinsen finanzierbar bleiben sollen und die durch Krieg und Klimawandel, Coronakosten etc. in der nächsten Zeit noch einmal anzuwachsen drohen. Viele Lehren der Volkswirtschaft werden gerade von der Realität neu geschrieben.
Relativ sicher ist, dass der Krieg gegen die Ukraine als Beschleuniger für den Klimaschutz wirken wird, auch wenn das Thema momentan etwas in dem Hintergrund gerückt ist. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bzw. die Flucht aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen wird die Energiewende beschleunigen. Jedenfalls mittelfristig, vorerst müssen wir noch als Bittsteller zu arabischen Despoten pilgern.
Ebenso ist davon auszugehen, dass die Baupreise weiter steil steigen werden. Energie- und Transportkosten, Materialknappheit, Fachkräftemangel, Unterbrechung der Lieferketten, nicht zuletzt durch die Lockdowns in China infolge Corona – das alles sind massive Preistreiber. Das bedeutet weiter, auch der Immobilienbestand kann nicht wesentlich billiger werden. Selbst wenn die Yield-Compression infolge steigender Zinsen nachlassen sollte und die Renditen wieder sanft steigen würden: je teurer der Neubau, desto teuer auch der Altbau. Eine ähnliche Entwicklung sieht man interessanterweise derzeit auch bei den Autopreisen, Gebrauchtwagen werden aufgrund der Knappheit immer teurer.
Wir wissen noch nicht, wie viele Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen werden und ob sie schließlich auch in Westeuropa sesshaft werden, wenn der Krieg eines Tages beendet ist. Jedenfalls kommt es zur größten Wanderungsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das generiert auch zusätzliche Wohnungsnachfrage. Das Forschungsinstitut Empirica berechnet, dass im Maximalfall etwa 1,3 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland kommen würden, die 500.000 zusätzliche Wohnungen in der Bundesrepublik nachfragen könnten.
Was wir (erwartungsgemäß) natürlich auch sehen, ist, dass Ziegelgold ebenso wie echtes Gold als Krisenwährung gilt. Dazu kommt noch die hohe Inflation, die Bargeldvermögen vernichtet. Der Druck auf die Immobilienmärkte ist daher mitunter atemberaubend, ganze Teilmärkte werden „leergekauft“, und das nicht nur in Mitteleuropa, sondern vor allem auch im südlichen „Sunshine Belt“.
Auch wir in der MAGAN Gruppe spüren diesen zusätzlichen Boom und Druck bei unseren Transaktionen in den neuen deutschen Bundesländern. Renditen sind oft sekundär, es geht in erster Linie um die Asset-Protection.
Das heißt übersetzt, mittelfristig ist aus meiner Sicht nicht zu erwarten, dass der Nachfragedruck bei Immobilien nachlässt, folglich können die Preise auch nicht fallen, eher im Gegenteil. Selbst moderate Zinsanhebungen würden diesen Hype noch nicht brechen.
Das könnte schnell zu dem Schluss führen, dass es kein Wölkchen am Immobilienhimmel gibt, das die sonnigen Aussichten zu trüben vermag.
Aber es sind schwierige Zeiten für Wahrsager. Wer hätte vor drei Jahren eine Pandemie vorausgesagt oder noch vor einem halben Jahr die wiederaufflammende Gefahr eines (atomaren) Weltkriegs?
Es gibt vor allem ein Thema, bei dem ich mir in der Beurteilung wirklich schwertue und dessen Auswirkungen ich nicht ganz fassen kann.
Und das wäre ein tatsächlicher Liefer- oder Importstopp von russischem Gas samt den daraus resultierenden Folgen, von „Frieren für den Frieden“, wie es der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck unlängst sinngemäß ausdrückte, bis hin zu hoher Arbeitslosigkeit infolge eines breitflächigen Energieausfalls in der Industrie.
Wir wagen es uns kaum auszumalen, was wirklich passieren würde, wenn in Österreich, das zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig ist, die Lieferungen ausblieben.
Abgesehen einmal von der Temperaturthematik, einer direkten Auswirkung auf unsere Branche, wie ginge es mit den Mietzahlungen weiter, falls viele Bestandsobjekt quasi „unbrauchbar“ wären? Die Materie hatten wir ja schon in abgewandelter Form bei Corona und den Geschäftsraummieten – wenn es aber um Wohnraum ginge, dann wäre das ein viel größeres politisches und soziales Brennpunktthema. Siehe auch die mehrmalige Verschiebung der Inflationsanpassung bei Richtwertmieten. Übrigens wird es auch bei den nächstjährigen Betriebskostenabrechnungen, inklusive Heizkosten, unliebsame Überraschungen geben.
Die Vermieter werden es sich schon leisten können, scheint nonchalant gesagt eine allgemein gültige These zu sein.
Und wer den Energiewandel von der Wärmedämmung bis zur Umstellung auf nicht fossile Heizungssystemen bezahlen soll, das haben wir dann noch gar nicht besprochen.
Tja, schnell zeigen sich bei längerem Nachdenken dann doch einige Wölkchen am Firmament.
Es wird also weiter viel nachzudenken geben, und es bleibt (gruselig) spannend.
Time will tell.