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Eine Europameisterschaft, zwei Länder

Seit der Bekanntgabe im April 2007, wo die Fußball-EM 2012 stattfinden wird, haben sich die beiden Länder Ukraine und Polen weit auseinanderentwickelt. Nicht nur die Größe der beiden Länder ist sehr unterschiedlich, da die Ukraine fast doppelt so viel Fläche wie Polen hat, sondern auch ihre aktuelle wirtschaftliche und politische Situation. Das eine Land bietet Kontinuität, das andere das Gegenteil.

Polen gilt als das Vorzeigeland der CEE-Staaten und hat in der Vergangenheit eine steile Entwicklung genommen. „Wirtschaftlich, rechtlich und politisch“, so Christian Wagner, Geschäftsführer der Wagner Partner GmbH, „das hat es in der Ukraine in dem Ausmaß nicht gegeben und gibt es bis heute nicht.“ Außerdem hat Polen die für eine wirtschaftliche Entwicklung wichtige Infrastruktur in Ordnung gebracht und letztendlich „seine Lage in Europa hervorragend genutzt“, zeigt sich Manfred Wiltschnigg, Vorstand der IMMOFINANZ GROUP, überzeugt. Die Krise der letzten Jahre konnte dem starken Binnenmarkt mit fast 40 Millionen Einwohnern nichts anhaben. Speziell der Retailmarkt zählte im Jahr 2011 zu den stärksten in Europa. Bei den Retail-Investmentaktivitäten in der CEE-Region, wo in den ersten drei Quartalen 2011 bereits mehr als das Doppelte des Vorjahreswertes investiert wurde, waren für Investoren vor allem Polen und Tschechien besonders interessant. Es wurde auch in regionale Shopping-Center investiert, bei denen die Renditen höher sind. „Gute Wirtschaftsdaten sowie steigende Renditen führten zu einer Steigerung der Investorennachfrage in der Region Central and Eastern Europe (CEE), besonders in Polen und der Tschechischen Republik“, erklärt Andreas Ridder, Geschäftsführer CB Richard Ellis Österreich. Das Kaufkraftniveau im Land ist stark geblieben und die Binnenkonjunktur gestiegen.

Riesiger Markt mit Potenzial

Walter Hampel von der Deutschen Pfandbriefbank in München: „Polen ist ein Land mit 40 Millionen Einwohnern und einem riesigen Nachholbedarf.“ Und: Nicht nur Warschau mit 1,7 Millionen Einwohnern gilt als interessanter Standort, sondern auch zahlreiche große Zweit- und Drittstädte. „Polen hat mehr als ein Powercenter“, so Hampel, und auch IMMOFINANZ-Vorstand Wiltschnigg ist überzeugt: „Neben Warschau lassen auch die Sekundärstädte sichere Investments zu.“ Polen hat sich mittlerweile zum viertgrößten Investmentmarkt in Europa entwickelt. Enorme Summen suchen derzeit Investitionsmöglichkeiten in Immobilien und neben Deutschland, Großbritannien und Frankreich zieht es die internationalen Investoren– auch aus den USA– nach Polen. Das Land wird mittlerweile zu den starken Wirtschaftskräften in Europa gerechnet. Auch die Auswanderer kehren wieder zurück, da das „eigene Land derzeit wesentlich bessere Chancen bietet“, so Wiltschnigg. Die Bevölkerung ist „hungrig“ und hat eine positive Einstellung zur Zukunft. Während populäre Tourismusmagnete wie Prag oder Budapest immer noch unter den Auswirkungen der Finanzkrise und dem hohen Wettbewerbsdruck leiden, da zu viele Hotels errichtet wurden, hat sich in Polen der Markt von einer besseren Seite gezeigt. Sicherlich sind auch die Größe des Landes, die florierende Wirtschaft und die bevorstehende Fußballeuropameisterschaft für diese Entwicklung wichtig.

Infrastruktur als treibender Faktor

Einer der Gründe für den polnischen Höhenflug ist die hervorragend ausgebaute Infrastruktur. Etwas, das in der Ukraine im Argen liegt. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum das flächenmäßig zweitgrößte Staatsgebiet in Europa im Gegensatz zu Polen den wirtschaftlichen Anschluss verpasst hat. „Die Vorzüge Polens gegenüber der Ukraine können schnell erklärt werden: stabilere politische Situation, Gesetzgebung und Kapitalbeschaffung nach dem Beitritt zur EU und geringere Spekulation am Immobilienmarkt“, meint der Rechtsanwalt Timur Bondaryev, Partner bei der Anwaltskanzlei Arzinger in Kiew. Der Beitritt Polens zur EU hatte eine positive Auswirkung auf den Immobilienmarkt– unter anderem wurde es leichter, ausländisches Kapital zu beschaffen und Investoren ins Land zu holen. Zudem hat die Wirtschaftskrise von 2008 geringe Auswirkungen auf den Immobilienmarkt gehabt. Die Preise sanken zwar, „aber bei weitem nicht so drastisch wie in der Ukraine“, so Bondaryev. Dennoch gibt es Bewegung bei Polens Nachbarn. „Man muss unterscheiden“, meint Wagner, Geschäftsführer der Wagner Partner GmbH: „Aus westlicher Sicht ist wenig los, weil die Ukraine aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht im Fokus ist. Aber es gibt die lokalen ukrainischen und die russischen Developer.“ Teilweise werden die in der Krise stillgelegten Projekte weitergeführt, teilweise werden neue begonnen. Die attraktivsten Städte für den Immobilienkauf sind „unter anderem Kiew, Dnjepropetrowsk, Lviv und Odessa als die populärsten und sich am schnellsten entwickelnden wie auch meistbesuchten Städte“, so Bondaryev.

Österreicher in der Ukraine

Nicht alle Developer und Investoren haben sich in sichere Gefilde zurückgezogen und so sind Österreicher weiterhin auf dem Markt vertreten. Die Uniqa Real Estate hat nicht nur in Kiew ein Bürohaus, sondern auch in Odessa ein Büro und Geschäftsgebäude, das City Center in Nikolaev und das Büro- und Einkaufscenter „AVE Plaza“ in Bestlage im Zentrum Kharkows wurden vor kurzem eröffnet. Auch die CA Immo AG prüft in Kiew Investitionsprojekte in allen relevanten Nutzungssegmenten. Wagner ist verantwortlich für die Projektleitung der Kiew Airport City, die in mehrheitlichem Besitz einer österreichischen Investorengruppe ist. Derzeit wird die erste Stufe– ein kleineres Bürogebäude– für das Großprojekt entwickelt, im Masterplan sind außerdem zwei Hotels, Bürogebäude und lokale Infrastruktur vorgesehen.

Finanzierungen nicht zu bekommen

Finanzierungen für Projekte zu bekommen ist in der Ukraine schwierig bis unmöglich. Alfons Metzger, Metzger Realitäten Gruppe: „Das Vertrauen der Banken und der Investoren ist in der Ukraine nämlich nicht gegeben.“ Auch auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen vertraut man wenig oder wie Metzger es ausdrückt: „Es gilt das Recht des Stärkeren und die politische Bühne kommt im Westen gar nicht gut an.“ Ein prinzipielles Problem, mit dem das Land kämpft, das „zwischen dem westlichen und dem russischen Einfluss zerrissen ist“, so Wagner: „Polen hingegen hat eine eindeutige Richtung gehabt.“

Herausforderung für Fußballfans

Für die Fußballfans hält die Ukraine auf jeden Fall einige Herausforderungen bereit. Während in Polen Infrastruktur, Stadien und Nächtigungsmöglichkeiten vorhanden sind, gibt es in der Ukraine nur die Stadien und die Flughäfen. Die sind zwar auch nur „zum Teil fertig, aber die Ukrainer sind Weltmeister im Improvisieren und werden es auch bis zur Europameisterschaft schaffen“, ist Wagner überzeugt und führt ein Beispiel an: „In Kiew ist ein neuer großer Terminal in Bau. Ich nehme an, sie werden ihn vor der EM eröffnen, alles abwickeln und dann wieder zusperren und fertig bauen.“ Womit es aber ein größeres Problem geben dürfte, sind die Unterkünfte und die internen innerstädtischen Verkehrsverbindungen, da die Infrastruktur sehr schlecht ist. Wagner: „Die Fans werden viel aushalten müssen.“

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  • Erschienen am:
    12.03.2012
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