Ein großes Thema ist in Deutschland der Gebäudetyp E. Wäre das auch für Österreich interessant?
Gerald Herndlhofer: Die Idee hinter dem Gebäudetyp E ist sehr gut. (Anm. d. Red.: Gebäudetyp E siehe unten) Ich hoffe, dass er auch bei uns ein Thema wird. Wir kennen alle die Marktumstände. Die Projektentwickler und Bauträger haben nach wie vor ein schwieriges Umfeld, und die Rahmenbedingungen sind nicht so, dass ein Projekt ein Selbstläufer ist.
Wir müssen daher Lösungen finden, damit wir Projekte realisieren können. Das obliegt auch uns Planern. Drees & Sommer ist insofern Vorreiter, als wir bei unserer neuen Unternehmenszentrale „The New 22“ in Stuttgart eng mit dem Land Baden-Württemberg zusammenarbeiten. Aktuell sind wir in der Vorentwurfsplanung, und ich glaube, das wird eine sehr positive Zusammenarbeit. Wir suchen gemeinsam mit den Behörden nach Möglichkeiten, über gesetzliche Vorgaben und Normen bei der Gebäudeausstattung bzw. bei den Gebäudestandards zu diskutieren, um Kosten sinnvoll einzusparen, aber zugleich Behaglichkeit und Komfort auf einem guten Level zu halten. Mit den Erkenntnissen, die wir aus diesem Projekt und der Zusammenarbeit mit einer Kommune gewinnen, können wir auch Inputs für Österreich liefern. Wir gehen mit diesem „Eigenprojekt“ ins Risiko, da wir neue Wege beschreiten. Eines möchte ich aber zum Gebäudetyp E vorausschicken: Manche Dinge sind sakrosankt, wie Barrierefreiheit, Sicherheit, Brandschutz und Ähnliches, aber bei Komfort und Behaglichkeit sind durchaus auch Einsparungen möglich.
„The New 22“ ist ein Bürohaus, aber der Gebäudetyp E betrifft alle Immobilien.
GH: Natürlich, aber bei Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen ist dieses Konzept nicht so leicht umzusetzen wie bei Büro- und Wohnbauten. Grundsätzlich glaube ich aber nicht, dass man sagen kann: „one size fits all“, also dass es eine Lösung für alle Immobilien gibt. Man muss sich die Themenkomplexe pro Assetklasse ansehen, vielleicht sogar pro Projekt. Und wenn es nur ein Baustein ist, der verbessert wird, wäre das schon ein Erfolg. Radikal in kürzester Zeit einzusparen, kann nicht funktionieren, so realistisch bin ich schon. Wesentlich ist, mit den Behörden und den Gesetzesvertretern sinnvolle Lösungen zu finden. Wir werden das Thema auf jeden Fall auch in Österreich forcieren.
Gibt es neue Pläne von Drees & Sommer?
GH: Wir fokussieren uns gezielt auf technische und soziale Infrastrukturprojekte, wie etwa Gesundheitsbauten oder Bildungseinrichtungen, die wir gemeinsam mit der öffentlichen Hand umsetzen wollen. Öffentliche Bauherren haben den größten Hebel, um Veränderung anzustoßen. Wir sehen in diesem Bereich großes Potenzial, um zum Beispiel auch mit dem Gebäudetyp E Lösungen zu finden, die diese Gebäude tatsächlich besser machen. Allerdings gehen die Infrastrukturprojekte weit über Immobilien hinaus.
Inwiefern?
GH: Wir bieten seit letztem Jahr technische Infrastruktur auch für andere Sparten an. BIM und digitale Prozesse spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle, weshalb wir unser Know-how von Real Estate einbringen können. Zum Beispiel haben wir derzeit mehrere Aufträge von der ASFINAG – wenn wir hier sinnvolle Lösungen erarbeiten, dann hilft das dem Staat und dem Steuerzahler.
Was sind aktuell die großen Themen der Unternehmen bzw. der Kundeninnen und Kunden?
GH: Viele unserer Kundinnen und Kunden interessieren sich für Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung, Betriebsoptimierung und künstliche Intelligenz. Wir beraten sie, wie sie Prozesse im Planen, Errichten und Betreiben von Immobilien optimieren können und wo es Potenziale gibt. Im Real-Estate-Bereich sind wir Vorreiter und antizipieren viele Trends.
Ebenfalls eine große Thematik sind verschiedene Abwicklungsmodelle. Es geht darum, wie man frühzeitig Kosten- und Terminsicherheit fixieren kann. In der aktuellen Situation müssen Unternehmen jeden Euro mehrmals umdrehen, und Verzögerungen kosten Zeit – Terminsicherheit ist daher noch wichtiger, als sie es schon vorher war.
Wie schätzen Sie die kommende Zeit ein? Wann wird es wieder aufwärts gehen?
GH: Ich glaube, ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, Win-win-Situationen zu kreieren. Das wird die Branche wieder in eine Hochphase bringen. Partnerschaftliche Projektabwicklungen, wie zum Beispiel PPP-Projekte, zählen für mich dazu, aber man muss diese Partnership auch leben. Ich bin ein Verfechter davon, dass man klare Spielregeln vereinbart, in denen festgehalten wird, wie der Gewinn verteilt wird und auch, wer welche Risiken trägt. Am wichtigsten ist aber, dass alles auf Augenhöhe geschieht.
Der Gebäudetyp E:
Regeln, Normen und Gesetze sollen für Sicherheit sorgen, sie machen das Bauen aber auch sehr teuer. In Deutschland wird seit einiger Zeit über den »Gebäudetyp E« diskutiert, ein neuer Vertragstypus, der zwischen fachkundigen Partnern ein Abweichen von der Norm erlaubt.
Gebäudetyp E steht für „einfaches Bauen“ und bezeichnet einen Planungsansatz, der darauf abzielt, den Bau durch den Verzicht auf nicht sicherheitsrelevante Komfortstandards schneller und kostengünstiger zu gestalten.