Wie stellt sich die Situation am österreichischen Logistikmarkt dar?
Wundrak: Österreich ist an und für sich ein interessanter Markt, da das Land sehr zentral gelegen ist. Jedoch bauen die österreichischen Unternehmen die Projekte meist nur für sich selbst, und daher kommen die Investoren nicht zum Zug. Außerdem ist im Logistiksegment die Konkurrenz von Anbietern aus den Nachbarländern sehr groß ist, die teilweise Projekte kostengünstiger anbieten können. Es gibt drei zentrale Standorte, die prinzipiell interessant sind, nämlich Wien, Linz und Graz.
Welcher Logistikimmobilienmarkt ist für Sie in Europa der interessanteste?
Wundrak: Derzeit auf jeden Fall Deutschland. Das ist strukturell bedingt: Deutschland hat viel Industrie, eine große Bevölkerung, es liegt mitten in Europa, und es fließen sehr viele Warenströme durch das Land. Das sind alles gute Voraussetzungen für einen großen und aktiven Markt. Dennoch ist der Markt für Investitionen im Logistiksegment noch nicht so entwickelt, weil er in Deutschland, ähnlich wie in Österreich, einen hohen Eigennutzeranteil aufweist. Der am weitesten entwickelte Logistikmarkt in Europa ist Großbritannien. Das ist in gewisser Weise ein Paradoxon, weil es sich um eine Insel handelt, wenig produziert wird und die Warenströme nur ins Land hineinfließen.
Wieso hat dann Großbritannien so eine Sonderstellung?
Wundrak: Das hat historische Gründe. Die Unternehmen in Großbritannien, die Logistikflächen brauchen, haben Lager- bzw. Logistikimmobilien nie als ihr Kerngeschäft angesehen. Für sie war es nie ein Thema, solche Immobilien selbst zu entwickeln– daher sind diese immer von Fremdfirmen errichtet worden. Logistikobjekte haben in Großbritannien sehr lange Mietlaufzeiten und sind mit diesen stabilen Renditen ein entsprechend interessanter Investitionsmarkt– auch wenn der Flächenbestand weitaus kleiner ist als in Deutschland oder in Frankreich.
Wie verändert sich der Markt durch den Onlinehandel?
Wundrak: Es ist in allen Ländern ein Zuwachs im Logistiksegment zu verzeichnen, da der Onlinehandel eine immer größere Rolle spielt. Wichtig in diesem Segment ist nicht nur die Lieferung an sich, sondern auch die Abwicklung der Retouren, die sich beim Bekleidungshandel zum Beispiel auf 50 bis 60 % des Handelsvolumens belaufen. Der Warenstrom geht in beide Richtungen, und dafür eignen sich bestimmte Standorte, die sehr zentral gelegen sind.
Am Anfang haben die Onlinehändler große Lager im Zentrum eines Landes gesucht, wo sich auch die Verkehrswege gekreuzt haben. Ein typisches Beispiel für Deutschland wäre Bad Hersfeld. Jetzt wollen die Händler aber schneller liefern und gleichzeitig auch die Retouren einplanen. Der Trend geht dahin, dass es ein Lager in zentraler Lage gibt und weitere kleinere Lager in den Ballungsräumen.
Wie leicht ist es, große Flächen zu finden?
Wundrak: Logistikflächen sind bei lokalen Genehmigungsbehörden nicht sonderlich beliebt. Sie brauchen viel Fläche, es gibt viel Verkehr, und man muss die verkehrstechnische Infrastruktur schaffen. Viele Kommunen schrecken davor zurück. Aus diesem Grund tun sich die großen Logistiker schwer, entsprechende Standorte zu finden, denn der Standort sollte weitestgehend flach sein, und es sollte keine Ortsdurchfahrten geben.
Wie viel Fläche ist für ein Logistikobjekt notwendig?
Wundrak: Die Mindestfläche für ein modernes Logistiklager sind 10.000 Quadratmeter Gebäudefläche– da kommen aber dann noch die Verkehrswege und Parkplätze dazu. Durchschnittlich haben moderne Lager zwischen 30.000 und 50.000 Quadratmeter Fläche, einige große Onlinehändler haben sogar 100.000 Quadratmeter. Bei großen Flächen von Versandhändlern kommt noch hinzu, dass dort viele Angestellte arbeiten, weil im Versand sehr viel per Hand verpackt wird. Noch dazu wird oftmals rund um die Uhr gearbeitet; sie brauchen also noch einen entsprechenden Parkplatz für die Mitarbeiter und eine Kantine. Das hat dann schon andere Dimensionen und kann zu Problemen mit den Anrainern führen.
Das sind aber die zentralen Verteiler, es müssen ja noch, wie Sie gesagt haben, die einzelnen Gebiete versorgt werden.
Wundrak: Richtig. Was durch den Onlinehandel jetzt noch dazukommt, ist eine Vielzahl kleinerer Logistikobjekte, die von den zentralen Lagern beliefert werden und von kleinen Paketzustellern genutzt werden. Solche kleineren Zentren sind in der Nähe von Ballungsräumen notwendig, um diese beliefern zu können. Für eine Stadt wie Wien werden rund 20 bis 30 Objekte dieser Art benötigt.
Sie haben bei der GREET Vienna auch an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, die sich mit den Trends der nächsten Monate und Jahre befasst hat. Was war der Tenor?
Wundrak: Die Themen drehten sich sehr um die Entwicklungen in Zentral- und Osteuropa. Investitionen in Russland sind derzeit kein Thema. Die meisten Investoren halten sich zurück und sehen sich eher in den etablierten CEE-Ländern wie Polen oder Tschechien um. Das sind auch– wenn man das so sagen kann– die Stars in der Region.
Die niedrigen Zinsen sind auch weiterhin ein Thema?
Wundrak: Ja. Solange die Zinsen so niedrig sind, und das ist in den kommenden Monaten auf jeden Fall zu erwarten, bleibt das Interesse an Immobilien weiterhin hoch. Die großen Anleger haben teilweise gar keine andere Möglichkeit, als in Immobilien zu investieren. Es wird immer schwieriger, die notwendige Mindestrendite zu erzielen. Es gäbe natürlich die Alternative, in Objekte zu gehen, die mehr Risiko bergen, aber die Bereitschaft dazu ist nicht groß. Vielen Investoren steckt noch der Crash der letzten Krise in den Knochen.
Zudem haben wir in Europa momentan keine große Wachstumsphase, es gibt wenig Neubauten, und es wird eher modernisiert und erweitert. Neue Investitionsobjekte entstehen kaum.
Wie wird die Branche damit umgehen?
Wundrak: Ich denke, das Investitionsuniversum wird sich auf andere Immobiliensegmente ausweiten. Wer vorher zum Beispiel nur Büroobjekte hatte, der wird etwa auf Logistik- oder Infrastrukturprojekte ausweichen– oder er sucht sich neue Länderschwerpunkte für seine Investments. Daher rückt auch das Thema Zentraleuropa wieder stärker in den Fokus.
Einige Investoren werden zudem bereit sein, mehr Risiko einzugehen und Objekte zu kaufen, die vor ein oder zwei Jahren nicht gefragt waren. Auf jeden Fall werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass die Rentierlichkeit niedriger wird und auch niedriger bleiben wird, als es bisher der Fall war.