Die Beletage (französisch: bel étage, das „schöne Geschoß“) war das bevorzugte Geschoß eines adeligen oder großbürgerlichen Wohnhauses. Das erste Obergeschoß hatte die höchsten Räume und war in der Regel am besten ausgestattet. Da es noch keinen Aufzug gab, boten die „schönen Geschoße“ noch einen riesigen Vorteil: Sie waren leicht zu Fuß erreichbar und doch nicht ebenerdig.
Die am wenigsten gefragten Räume waren zur Gründerzeit die unter dem Dach. Dort war es auch nicht wirklich angenehm zu wohnen: eng, stickig, wenig Licht, im Winter kalt, im Sommer heiß. Daher waren die Dachgeschoße – wenn sie sich überhaupt zum Wohnen eigneten und nicht nur zum Wäscheaufhängen – eher dem Dienstpersonal vorbehalten.
Der Aufzug bringt die Wünsche nach oben
Als dann die Aufzüge in die alten Häuser Einzug hielten, wanderten auch die Wohnwünsche immer weiter nach oben. Immer weiter, bis sie schließlich in den letzten Jahrzehnten im Dach ankamen. Die ersten findigen Pioniere erkannten das Potenzial, das die Dachböden boten. Sie machten sich daran, die neu entdeckten Flächen – faktisch wie weiße Flecken auf der Landkarte – für sich zu ergründen und zu gestalten. Nach und nach entstanden im ersten Bezirk immer mehr Dachgeschoßwohnungen und wandelten sich zur neuen Beletage – im wahrsten Sinne des Wortes.
Komplexe Aufgabe Dachausbau
„Der Dachausbau von Gründerzeithäusern ist heute eine komplexe Aufgabe“, erklärt Andreas Kropf, geschäftsführender Gesellschafter von „OBENAUF“. Sein Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Wohnungen auf den Dächern ehrwürdiger alter Häuser zu bauen. Er streut den Baumeistern der damaligen Zeit und den alten Häusern Rosen: „Man muss den Hut ziehen. Das sind Häuser, die schon über 100 Jahre stehen, und es ist trotzdem möglich, mit einem überschaubaren Aufwand noch zwei Geschoße auf das Haus aufzusetzen. Das ringt uns eine Wertschätzung für diesen Haustyp ab. Damals wurde schon sehr überlegt und qualitätsvoll gebaut.“
Dachwohnungen sind Unikate
Heute gilt dasselbe für die Ausbauten, die mittlerweile immer öfter die Dächer nicht nur im ersten Bezirk der Bundeshauptstadt zieren. Diese Wohnungen können sich wahrlich sehen lassen: hohe Räume, viel Licht, hochwertige Ausstattung. Aufgrund der Hausstruktur und der Konstruktion ist jede Dachwohnung ein Unikat. Und daher am Markt weiterhin sehr gefragt. „Das Besondere am Dachgeschoß ist, ,obenauf‘ zu sein“, erklärt Kropf. Daher haben Dachwohnungen der Beletage zwei Besonderheiten voraus, die für die Bewohner ganz wesentlich sind: den Ausblick und die Freiflächen. Balkone und Terrassen sind ein Muss, denn wenn man schon ganz oben wohnt, will man auch dem freien Himmel nahe sein.
Das spezielle Goodie
Wenn man nicht im Dachgeschoß wohnt, kann man es zumindest zeitweilig nutzen. Zahlreiche Rooftop-Bars haben sich in den vergangenen Jahren auf Wiener Hotels etabliert und schmücken die Wiener Dachlandschaft im ersten Bezirk. Sie locken ihre Besucher mit einem fantastischen Ausblick und laden zum Relaxen ein. Wo kann man besser chillen als nah am Himmelszelt? Egal ob die Atmosphere Rooftop Bar im Ritz-Carlton, die Café Bar Bloom im Hotel Lamée, das Ristorante Settimo Cielo im Hotel Royal oder die Sky Bar im Kaufhaus Steffl – sie alle bieten das, was ein Dachgeschoß so einzigartig macht. Auch den einen oder anderen heimischen Promi kann man hier antreffen. Diese verkehren gerne an solchen extravaganten Plätzen über der Stadt – wiewohl doch auch viele von ihnen selbst in einer der zahlreichen Dachwohnungen leben, die die Innenstadt zu bieten hat. Und bei einigen dieser architektonischen Kostbarkeiten gibt es neben dem Blick über Wien noch einen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang als „Goodie“ dazu.
Artikel aus dem OTTO Wohnungsatlas Herbst 2018