Der demografische Wandel und die Prognosen des Pflegebedarfs führen in den kommenden Jahren zu einer dynamischen Entwicklung des Betreuten Wohnens. Laut einer RE/MAX-Studie wollen 54 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher über 50 Jahre im Alter in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben und von mobilen Pflegehilfen oder ihren Familien betreut werden. „Aber schon an zweiter Stelle bei den Wohnpräferenzen steht mit 23 Prozent das Betreute Wohnen in barrierefreien, speziell für ältere Menschen adaptierten Wohnhäusern“, erklärt Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von RE/MAX Austria. In diesen Gebäuden setzt man auf ein selbstbestimmtes und sicheres Leben in einem vitalen, sozialen Umfeld – mit Geschäften, Arztpraxen und Spaziermöglichkeiten in unmittelbarer Umgebung.
Wollen und Müssen
Mit Heimen von vor 20 bis 30 Jahren sind die heutigen Pflegeimmobilien gar nicht mehr zu vergleichen. „Das Ziel ist, den Menschen in diese Quartiere und Immobilien von Betreutem Wohnen zu bringen, weil er möchte und nicht, weil er muss“, erklärt Oliver Großmann von der deutschen AviaRent, die ihren Fokus auf Alternative Investments wie Pflegeimmobilien gelegt hat. Das ist aber in Österreich nicht so einfach, denn die Hemmschwelle in ein Seniorenheim zu gehen für Österreicherinnen und Österreicher sehr hoch ist. Manfred Wiltschnigg, Managing Partner bei GalCap Europe: „In Deutschland gehen die Menschen in diese Häuser, weil sie es wollen, in Österreich erst, wenn sie müssen.“
Der Staat soll ausbilden
Von staatlicher Seite wird es kaum möglich sein, die große Zahl an Betreuungsplätzen, die in Österreich oder Deutschland in den kommenden Jahren benötigt werden, sicherzustellen. „Ohne privates Kapital wird der Bedarf an Pflegeplätzen in Zukunft nicht annähernd gedeckt werden können“, meint Yenna Haack. Die CIO von AviaRent sieht die Aufgabe des Staates auch nicht darin, Pflegeimmobilien anzubieten, sondern er soll die Rahmenbedingungen dafür herstellen. Unter anderem sollten die Verhältnisse am Arbeitsmarkt für die Pflegekräfte verbessert und generell die Grundlagen für die Schaffung neuer Pflegeplätze weiterentwickelt werden.
Idealer Standort ist die Steiermark
Uneinheitliche Verordnungen auf Länderebene und striktere Vorgaben erschweren nämlich derzeit die Projektentwicklung. „Der Bedarf an Betreutem Wohnen ist österreichweit gegeben, die Fördersituation – und somit die Leistbarkeit für den Endnutzer – ist von Bundesland zu Bundesland verschieden“, so Silver-Living-Geschäftsführer Walter Eichinger. Die besten Förderbedingungen und auch geeignete Liegenschaften bietet zurzeit die Steiermark. „Das Betreute Wohnmodell ist in der Steiermark aufgrund der gedeckelten Mieten – mit Mieten ab 390,- Euro – auch für Menschen mit Mindestpensionen eine gute Alternative“, erklärt Karl Trummer, Geschäftsführer der Silver Living Bau- und Projektbetreuung. Auch für die deutsche AviaRent ist das Bundesland die Nummer eins bei Investments. Bereits sieben Seniorenresidenzen wurden gekauft. „Prinzipiell schauen wir uns bei allen Investments die jeweilige Gesetzgebung im Bundesland und die Makroökonomie bei den Projekten an, um herauszufinden, ob diese auch funktionieren können“, so Oliver Großmann.
Projekt und Umfeld
„Die Häuser und die angebotenen Serviceleistungen werden noch stärker an die wachsenden Bedürfnisse der nächsten Generation unserer Kunden anzupassen sein“, blickt Walter Eichinger in die Zukunft des Betreuten Wohnens. Großes Potenzial sieht Eichinger, der seit 2006 in diesem Segment aktiv ist, in Hybridangeboten von Serviceimmobilien, in denen zum Beispiel Betreutes Wohnen mit Tagespflege kombiniert wird oder Kinderbetreuungseinrichtungen vorgesehen sind und somit generationenübergreifendes Wohnen umgesetzt werden kann. Yenna Haack: „Betreutes Wohnen wird innerhalb eines Quartiers als gesamtheitliches Konzept verstanden, in dem noch mehr drinnen sein soll als betreutes Wohnen im üblichen Sinn.“ Da wäre zum Beispiel ein mehrgeschoßiger Hauptteil mit ambulantem Pflegedienst, einer Tagespflege und Wohnungen für Einzelpersonen. Der Gedanke dahinter ist, nicht nur die Menschen im Quartier zu versorgen, sondern durch das Quartier auch einen Mehrwert für die Umgebung zu schaffen. Das Thema Impact-Investing wird immer wichtiger. Haack: „Welche positiven Auswirkungen hat es, wenn wir ein Quartier entwickeln? Wir schaffen neue Pflegeplätze, aber auch Arbeitsplätze – damit verändern wir auch das Steueraufkommen in Gemeinden.“
Aber nicht nur für die Gemeinden werden Projekte interessant, sondern auch für die Investoren. „Vor 15 Jahren war Betreutes Wohnen für Investoren noch eine Black Box“, so Walter Eichinger: „Heute wird Betreutes Wohnen immer mehr als eine eigene, attraktive Assetklasse wahrgenommen.“ Manfred Wiltschnigg bestätigt: „Es gibt viele Investoren, die eine Chain von sieben bis acht Häusern in dieser Assetklasse kaufen wollen.“ Der Nachteil: „Es mangelt allerdings an Entwicklern und absolut mangelt es an Betreibern.“ Die Voraussetzungen um ein Haus entsprechend zu führen sind komplex. Es gäbe zwar laut Wiltschnigg einzelne Betreiber, Objekte und Eigentümer, aber das sind zumeist kleinere Objekte und entsprechen nur bedingt den Vorstellungen der Investoren.