Immer mehr Paare bevorzugen ein getrenntes Zusammenleben mit jeweils eigenständig, autonom geführten Haushalten. Vor allem beruflich ambitionierte Frauen schätzen ein „living apart together“, denn Belastungen im Privatbereich, insbesondere die Auseinandersetzung um die Aufteilung der Haushaltsarbeiten, entfallen. Idealisieren führt zu nichts, die Menschen suchen sich den Weg, der passt. Immer weniger Paare glauben an die Zukunft der Ehe. Formale und rechtliche Bestimmungen verlieren an Bedeutung beziehungsweise sind nicht an die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre angepasst. „Schönreden hilft nichts. Wenn der Gesetzgeber auf soziologische Entwicklungen nicht eingeht, suchen sich die Menschen einfach einen anderen Weg. Sie lassen sich nicht mehr zwingen“, so Baidinger. Für junge Menschen dehnt sich die Jugendphase zeitlich nach oben aus und führt zu instabileren Lebensformen. Das finanzielle Fundament für langfristige Planung fehlt. Baidinger: „Früher hatten junge Leute am Land die Möglichkeit, günstig Grund zu erwerben und ein Haus zu bauen. Heute gibt es nur mehr wenig Infrastruktur und damit ist auch das Leben am Land teurer geworden. In den Städten ist leistbarer Wohnraum ohnehin ein sehr knappes Gut.“
44% bereuen gemeinsamen Eigentumserwerb
Für 63% der Paare war der Erwerb ihrer Immobilie nur mit einem Kredit möglich, aber immerhin ein Drittel schaffte die Finanzierung ohne Kreditaufnahme. 56% der Paare teilen sich die Immobilie im Grundbuch zu 50%. Im Falle einer Trennung wird bei etwa einem Viertel das Haus oder die Wohnung zum unerfreulichen Streitfall. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auf die Frage „Würden Sie nochmals mit Ihrem/einem Partner eine Eigentumsimmobilie erwerben?“ 44% mit „Nein“ geantwortet haben. 2001 waren es lediglich 29%. „Diese hohe Zahl von Befragten, die einen gemeinsamen Erwerb von Wohneigentum bereuen, zeigt, dass in unserem System Handlungsbedarf besteht“, sagt Baidinger. „Wir sehen im langjährigen Zyklus die Veränderungen. Der Rückgang beim Wunsch nach einem Einfamilienhaus, der Trend zu Mietwohnungen– das alles sind seit Langem Anzeichen dafür, dass Paare sich immer mehr davor scheuen, sich in eine unflexible und finanziell unüberschaubare Lage zu bringen. Unsere Gesetzgebung basiert gerade bei Scheidungen noch immer auf der Hausfrauen-Ehe.“
Immer weniger Paare leben gemeinsam
Teilten bei der Befragung 2001 noch 74% der ÖsterreicherInnen ihre Wohnung gemeinsam mit ihrem Partner, so gaben bei der zuletzt durchgeführten Erhebung nur mehr 57% der Befragten an, gemeinsam mit dem Partner in einem Haushalt zu leben. 30% dieser Paare bewohnen eine Eigentumsimmobilie, die zu 61% gemeinsam erworben wurde. 2001 wohnten hingegen noch 49% in einer Eigentumsimmobilie. 67% der befragten Paare waren laut aktueller Umfrage verheiratet, als eine gemeinsame Immobilie erworben wurde, 2001 waren es noch 79%. „Die immer kürzer dauernden Lebensgemeinschaften machen Angst vor dem Erwerb einer Eigentumsimmobilie“, so die Immobilienexpertin Baidinger: „Verständlich, denn in etwa einem Viertel der Trennungen wird das erworbene Wohnobjekt zum Streitfall.“ Seit 2001 werden von Baidinger in regelmäßigen Abständen Untersuchungen durchgeführt, die nun eine verlässliche Gegenüberstellung der Daten ermöglichen und die gesellschaftliche Entwicklung zum Thema Wohnen in Österreich darstellen.
Entscheidung für Wohneigentum fällt später
Ein eklatanter Rückgang beim Erwerb einer Eigentumsimmobilie ist bei den bis zu 25-Jährigen zu verzeichnen. Haben sich vor 10 Jahren noch etwa 43% in dieser Altersgruppe Eigentum geleistet, so sind es aktuell nur mehr 29%. Längere Schul- und Ausbildungszeiten, die Zunahme von Zweit- und Drittausbildungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse sowie längere Jobsuche führen zu geringem Einkommen in der Gruppe der Anfang 20er. Laut Statistik Austria verdienten im Jahr 2009 die 21- bis 23-Jährigen jährlich rund 5.000 Euro netto. Der Rückgang von 14% Wohneigentum bei jungen Paaren verschiebt sich zum Teil in die Gruppe der 26- bis 39-Jährigen, bei denen das Einkommen bei rund 20.000 Euro netto pro Jahr liegt. „Auch die Familiengründung passiert Mitte 30. Wohnungen, die dafür projektiert werden, kosten in durchschnittlichen Lagen um die 2.500 bis 3.000 Euro“, sagt Baidinger. Auffallend der Trend bei Paaren über 40. Nur 2% wohnten 2001 in einer Eigentumsimmobilie, für die Immobilienbranche somit noch völlig unbedeutend. Aktuell nimmt diese Gruppe mit nunmehr 10% bereits eine bedeutendere Position ein. „40+ Paare treffen ihre Entscheidung natürlich anders als Junge. Sie sind gebildet, haben bereits Erfahrungen mit der Wohnungssuche sowie dem Übersiedeln und damit ganz konkrete Vorstellungen.“