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Aktuelle Entwicklungen rund um den Mietpreisindex; 10 Fragen an Alfred Nemetschke

Heute im Office Talk – einer der führenden Immobilienrechtsexperten - Alfred Nemetschke, Partner bei “Nemetschke Huber Kolloseus Rechtsanwälte GmbH“. Spezialisiert auf Immobilienrecht, Bauvertrags- und Baurecht, vertreten er und seine Kanzlei seit vielen Jahren große Institutionen und decken das gesamte Spektrum „Immobilienwirtschaftsrecht“ ab. Auch prominente Mieter, die, pandemiegeschuldet, Probleme mit Mietzinszahlungen hatten, zählen auf ihre Kompetenz.

Ist COVID noch ein Thema?

Auch wenn ein Großteil der Streitigkeiten außergerichtlich oder in Mediationsverfahren zu einem guten Abschluss gebracht werden konnte, sind die Nachwehen der Pandemie noch zu spüren. Laut Alfred Nemetschke hat die Judikatur des OGH bis dato „bedauerlicherweise teilweise mehr Fragen aufgeworfen als gelöst.“ Begibt man sich derzeit in manchen Fällen vor Gericht, so ist man „danach – frei nach Wilhelm Busch – so gescheit, als wie zuvor“ und es gilt, den OGH abermals zu fragen, damit sich eine einheitliche Judikaturlinie herauskristallisieren kann oder aber ein verstärkter Senat Klarheit schafft.

Warum schaffen es Mieter- und Vermietervertretungen nicht Ihre Forderungen gemeinsam an die Politik zu stellen?

Aus Sicht von Alfred Nemetschke passiert das durchaus, scheitere aber an einer „völligen Blockade“ seitens der Politik. Erklärend fügt er hinzu, dass Ähnliches bereits in Pandemiezeiten zu betrachten war, als klar wurde, dass einschlägige Bestimmungen im ABGB, da nicht mehr zeitgemäß, für Verwirrung sorgten. Damalige Bemühungen des Nationalrates, für Klarstellung zu sorgen, wurden seitens des Justizministeriums nicht aufgenommen, was letztendlich Schwierigkeiten nach sich zog, die „jetzt zu bewundern sind“. Nimmt die Politik diese Themen nicht in Angriff, ist eine „volkswirtschaftliche Interventionsspirale“ vorprogrammiert.

Welche Chancen hat die aktuelle Sammelklage gegen die Indexanpassung?

Hier lohnt es sich, „genau hinzuschauen, worum es überhaupt geht“, meint Alfred Nemetschke. Auslöser – die 12. Klauselentscheidung des OGH vom 21.03.2023, die eine, in vielen Vertragsmustern, gängige Wertsicherungsklausel aufhebt. Wesentlich für diese Entscheidung waren die Nichterfüllung der Erfordernisse des §6 Abs1 Z5 KSchG und der Verstoß gegen §6 Abs2 Z4 KSchG. Relevant ist diese Entscheidung für Wertsicherungsklauseln in sämtlichen Verbrauchergeschäften. Legt man die innerösterreichische Judikatur neben eine Entscheidung des EuGH, mit dem Verweis auf den „seltsamen" Fall Gupfinger C-625/21), erkennt man, „Mieter muss ein Konsument sein“, d. h. es geht um Mietverträge zwischen einem Unternehmer und einem Konsumenten. Für die Zukunft bedeutet das, „die Bezirksgerichte werden viel zu tun haben, denn, laut EuGH-Judikatur, muss von Amtswegen geprüft werden, ob im Falle einer Mietzinsklage, der Mietzins rechtskonform zustande gekommen und die Wertsicherungsklausel wirksam ist“.

Wer wäre der optimale Vermittler zwischen Mieter- und Vermietervertretungen?

Alle Leute dazu zu bewegen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, erachtet Alfred Nemetschke oftmals als eine Notwendigkeit. Wie diese Aufgabe zu schaffen ist, könne er als Anwalt aber nicht beantworten. „Das ist eine Frage für erfahrene Mediatoren und Mediatorinnen“, lächelt er.

Müsste man das MRG neu schreiben?

Angesprochen auf das MRG, fällt sofort der Vorschlag „in die Tonne treten und neu schreiben“. Alfred Nemetschke beruft sich auf das AGBG, in welchem die Pflichten des Vermieters und Mieters geregelt sind. „Man müsste sich hinsetzen und das Zivilgesetzbuch novellieren und ins 21. Jahrhundert überführen“, erklärt der erfahrene Jurist. Den österreichischen Umgang damit, bezeichnet er als „kasuistisch“. „Das kleinteilige Herumfuhrwerken an kurzfristig auftauchenden Problemen, hat dazu geführt, dass das MRG (auch für Juristen teilweise) nicht mehr zu lesen oder zu verstehen ist“.

Sollte der Schutz der Gründerzeithäuser in Wien aufgeweicht werden?

Was die Vermietung von Zinshäusern und Gründerzeithäusern anbelangt, ist Wien ein Sonderfall. Eine Aufweichung des Schutzes des Gründerzeithäuser würde ermöglichen, stärker nachzuverdichten und mehr Wohnraum zu schaffen. Auch hier wäre ein „MRG schlank und neu“ hilfreich. Den Mut, dieses Thema in Angriff zu nehmen, vermisst Alfred Nemetschke bei allen Politikern. „Das Thema ist schlichtweg unpopulär“. Die Komplexität der Thematik erschwert auch Diskussionen, die auf sachlichen Ebenen geführt werden müssten.

Reicht die Indexanpassung aus, um Klimaziele zu erreichen?

Eine starke Wirtschaft und Industrie, bilden für Alfred Nemetschke die Grundlage für das Gelingen „jeder Art von Transformation in diesem Umfang“. Notwendige Investitionen können nur getätigt werden, wenn sie im Vorfeld erwirtschaftet wurden. Seiner Befürchtung nach, ist man in Europa bzw. Österreich eher dabei, diese Grundlagen zu zerstören oder zumindest zu beeinträchtigen. Ein gutes Beispiel dafür – die Gruppe der Vermieter, die um die Wertsicherungsanpassung „umfällt“, denn das Geld, das für mögliche, bevorstehende Investitionen an den Objekten benötigt wird, ist dadurch nicht vorhanden.

Wird die Rechtsunsicherheit die aktuelle Marktlage noch weiter verschärfen?

Kommt zu Inflation und Zinserhöhung noch Rechtsunsicherheit dazu, so ist das in den Augen von Alfred Nemetschke „absolutes Gift“. Das Resümee aus den Jahren seiner bisherigen Anwaltskarriere, „nach jeder Krise geht es weiter, zwar manchmal ein wenig anders als vorher und selten besser, aber – zumindest weiter“. Die kurzfristigen Aussichten beschreibt er als pessimistisch. Mittel- und langfristig wird der Zwang der Umstände dazu führen, dass wieder nachgedacht und überlegt wird,  Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine positive Entwicklung von Marktkräften zulassen.

Wie wirken sich aktuelle internationale Märkte auf die Situation aus?  

Der amerikanische Retailmarkt ist am Einbrechen, New York steuert auf die größte Leerstandsquote seit den 40er- Jahren hin, in Deutschland gehen große Immobilien Developer in Insolvenz und ein Blick nach China lässt auch keine Hoffnungen aufkeimen. Einen bevorstehenden „Domino Day“ möchte Alfred Nemetschke nicht ausschließen. Die aktuelle Lage scheint möglicherweise dorthin zu führen.

chatGPT: Worauf sollten Mieter- und Vermieter in diese Zeiten achten?

„Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um sich anwaltlich ordentlich beraten zu lassen“, empfiehlt der Immobilienrechtsexperte. Auch Mietvertragsformulare, die im Umlauf sind, sollten überprüft und einer Evaluierung unterzogen werden, um eventuell noch „still und leise sanieren zu können, bevor der Blitz einschlägt“ und weitere Bestimmungen schlagend werden.

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Geschrieben von:

User Centric Webdevelopment bei

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  • Erschienen am:
    10.09.2023
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