Corona-Pandemie verlagert Wohnvorlieben: Minimalismus gegen Weitflächigkeit
Jedes Jahr suchen Studierende von August bis September nach kleinen Wohnungen im urbanen Raum. Dass die Nachfrage in diesem Zeitraum um rund 25 Prozent steigt, ist man am Immobilienmarkt gewohnt. Seit der Covid-19-Pandemie ist allerdings auch das Interesse an kleinen Einheiten im Luxussegment stark gestiegen, weiß Bernd Gabel-Hlawa, Gründer und Geschäftsführer bei FindMyHome.at: „Wohnungen unter 50 m2 sind in allen Preisklassen stark im Trend. Im Bereich Premium Living verzeichnen wir seit 2020 ein Nachfrageplus von 34 Prozent. Im mittleren Preissegment gab es einen ähnlichen Wert von 37 Prozent.“ Im Gegensatz dazu, wünschen sich viele ÖsterreicherInnen große Wohnobjekte im Grünen mit mehr Freifläche. Das Interesse an Eigentumswohnungen in der Größenordnung von 100 bis 250 m2 stieg im Jahr 2020 um 22 Prozent, bei Häusern zum Eigentum sogar um ganze 86 Prozent. So entstanden im Jahr 2021 scheinbar zwei gegensätzliche Trends.
Verschiedene Zielgruppen, verschiedene Ansprüche
Für ihre Trendanalyse hat sich das Immobilienportal auch mit soziokulturellen Faktoren beschäftigt. Laut der Experten sind die Gründe für die unterschiedlichen Tendenzen wie folgt: Seit der Etablierung des Homeoffice, haben sich einige Familien mit Wohnsitz am Land für eine zweite Immobilie in der Stadt entschieden. Damit können sie zum einen das Bedürfnis nach Freiraum, Natur und Qualitytime mit der Familie stillen und zum anderen den Bedingungen des veränderten Arbeitsalltags nachkommen. Am Luxusimmobilienmarkt sind besonders kleine Wohnungen in Top Lagen mit großzügigen Freiflächen als Drittwohnsitz für kurze Stadtaufenthalte beliebt. Das verstärkte Wachstum im mittleren Preissegment herrscht vor allem entlang der U-Bahn und ist einerseits der Leistbarkeit und andererseits dem Trend des Autoverzichts zuzuschreiben. Vor allem aber verzichten die Generation 50plus und junge Menschen zunehmend auf große Immobilien und entscheiden sich bewusst für sogenanntes „Minimal Living“.
Von Minimal zu Smart Living
Die Immobilienbranche reduziert den Trend Minimal Living oftmals auf Angebote mit Wohnflächen unter 50 m2. Im eigentlichen Sinn meint man aber reduzierte Lebensräume mit minimalistischem Lebensstil, die neue Anforderungen und Wohnansprüche mit sich bringen. Vor allem junge ÖsterreicherInnen verbinden damit weniger Ballast, mehr Freiheit, Nachhaltigkeit und Glück. In den letzten Jahrzehnten war es üblich, jedem Raum eine bestimmte Funktion, wie Essen oder Schlafen, zuzuordnen. Heute ordnet man einem Raum stattdessen mehrere Anwendungen zu. „Die Kunst dabei ist, den zur Verfügung stehenden Platz optimal einzusetzen: Ein Bett, das hochgeklappt werden kann, wird zur Beamerleinwand oder ein Schreibtisch mit wenigen Handgriffen zur Küchenplatte“, erklärt Bernd Gabel-Hlawa und schließt: „Auch, wenn sich viele bewusst für kleine Wohnobjekte entscheiden, gibt es genug Suchende, die sich ein größeres Zuhause wünschen, aber sich dieses aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise nicht leisten können. Um hier entgegenzuwirken und gleichzeitig dem Trend Minimal Living nachzukommen, muss intensiv bei Neubauten an Lösungen für flexiblerer Grundrisse und multifunktionaler Möblierung gearbeitet werden.“