Auf dem großstädtischen Wohnungsmarkt in Österreich, also der Bundeshauptstadt Wien und einigen Landeshauptstädten wie Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck, zeichnen sich für 2022 einige neue Trends ab. Insbesondere ist die Tendenz zu Kleinstwohnungen und Mikroapartments gebrochen, da im Mietbereich wieder deutlich mehr Drei- oder Vierzimmerwohnungen gesucht werden als in den Vorjahren. Allerdings wird gerade in diesem Segment weiterhin größter Wert auf effiziente Grundrisse gelegt, um die gewünschte Zimmerzahl auf möglichst kleiner Fläche zu erreichen.
„Der Trend zu mehr Zimmern schlägt sich daher nur abgeschwächt in steigender Wohnungsgröße nieder“, erklärt Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen GmbH. „Gesucht und gebraucht werden mehr Zimmer mit möglichst wenig Zusatzfläche, um die eigenen Wohnbedürfnisse noch optimaler zu erfüllen und zugleich die Höhe der monatlichen Mietkosten gering zu halten.“ In der Regel seien im Neubau Dreizimmerwohnungen heute zwischen 65 und 75 m2, Vierzimmerwohnungen zwischen 80 und 90 m2 groß.
Für diese Entwicklung sind mehrere Gründe verantwortlich: Zum einen hat die Coronakrise mit Homeoffice und Homeschooling den Bedarf nach zumindest einem zusätzlichen Zimmer verstärkt, um eine räumliche Trennung zwischen den Haushaltsmitgliedern zu ermöglichen. Des Weiteren eröffnet das stark gestiegene Angebot an Mietwohnungen den Wohnungssuchenden erfreulicherweise ein größeres und vielfältiges Angebot. Vor allem in Stadtteilen mit starker Neubautätigkeit und großvolumigem Wohnbauprojekten wird daher die Vermarktungsdauer tendenziell länger.
Die guten Möglichkeiten für Wohnungssuchende im Mietbereich schlagen sich auch in durchschnittlich länger werdenden Laufzeiten bei befristeten Mieten nieder. „Hier gibt es ein gemeinsames Interesse von Vermietern und Mietern“, so Schunker. „Vermieter senden so das Signal, dass sie an möglichst langfristigen Vermietungen interessiert sind, und Mieter nehmen die perspektivische Sicherheit einer langen Vertragslaufzeit gerne an, um auch gegebenenfalls in die individuelle Gestaltung ihrer Wohnung zu investieren.“
Keine Trendwende ist bei Eigentumswohnungen zu erkennen. Hier werden die Preise nach einem Zuwachs um durchschnittlich 6,5 Prozent im Jahr 2021 voraussichtlich um weitere 5,5 bis 7,0 Prozent steigen, da sich das Angebot bei zugleich steigenden Bau- und Grundstückskosten weiter verknappen wird. Die Quadratmeterpreise für Wohnungen im Erstbezug beginnen mittlerweile bei rund 5.000 Euro, die stärkste Nachfrage liegt bei einem Gesamtkaufpreis von rund 300.000 Euro. „Dreizimmerwohnungen mit den heute praktisch unverzichtbaren Freiflächen sind um diesen Preis nur sehr selten zu bekommen, daher liegt der Schwerpunkt des Markts weiterhin bei Zweizimmerwohnungen“, erklärt Schunker.
Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung
Die Verbesserung der Nachhaltigkeit wird 2022 ein zentrales Thema für die Wohnungswirtschaft sein. Dabei rückt nach der bereits recht eindrucksvollen Senkung des Energiebedarfs jetzt verstärkt die Bodenversiegelung ins Blickfeld, „Die aktuellen Konflikte rund um die Stadterweiterung in der Donaustadt zeigen, wie brisant die Diskussion mittlerweile bereits ist“, so Schunker. „Hier sind neue Ansätze dringend erforderlich. Eine Beschleunigung der Widmungs- und Bauverfahren für die zahlreichen kleineren Projekte im bereits verbauten Gebiet könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten, da für diese weder zusätzliche Verkehrswege noch sonstige urbane Infrastruktur geschaffen werden müssen.“
Die stark gestiegenen Energiepreise werden zudem eine Motivation darstellen, nachhaltige Energiequellen wie Photovoltaik, Solarthermie und Erdwärme noch stärker zu forcieren. Im Bereich des Wohnungsbestands werde das neue Wohnungseigentumsgesetz, das einfachere Beschlussfassungen der Wohnungseigentümer zum Thema Nachhaltigkeit bringen wird, eine neue Dynamik entfalten. Schunker: „Für die Eigentümer wirtschaftlich sinnvolle und gleichzeitig gesellschaftlich und ökologisch wünschenswerte Maßnahmen können so leichter umgesetzt werden. Eine weitere bedeutende Veränderung würde eine Ausweitung dieser Vereinfachung auch auf Maßnahmen zur Steigerung der Wohn- und Lebensqualität wie beispielsweise der Schaffung von Freiflächen bringen.“