Was sind die wichtigsten Trends im Immobilienjahr 2020? Judith Kössner, Head of Immobilien bei willhaben, zeigt relevante Entwicklungen auf.
Der Aufstieg der Millennials
Ring frei für die Jahrtausender. Die Generation Y steht mittlerweile fest in der Arbeitswelt und spielt auch für den Immobilienmarkt eine wesentliche Rolle. Ihr Verhalten unterscheidet sich teilweise jedoch stark von ihren Vorgängern. Millennials nehmen die verschiedenen Schritte im Such- und Kaufprozess oftmals auch selbst in die Hand. Durch adaptierte Dienstleistungen und neue Marktteilnehmer (Stichwort Proptech) entstehen auch neue Möglichkeiten, einzelne Prozessschritte nahezu selbstständig abzuwickeln. Hier gilt es für Marktexperte sich noch klarer zu positionieren und mit erweitertem bzw. individuellem Service zu punkten.
Leistbarer Wohnraum ist gefragt
Die europäischen Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren konstant gestiegen. Egal ob Kaufpreise oder Mietkosten – vor allem in den Städten klagt die Bevölkerung über die steigende finanzielle Belastung. Durch den erheblichen urbanen Zuzug entsteht ein massives Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage von Wohnraum. Das wiederum treibt die Preise in die Höhe. Laut der Datenbasis von IMMOunited kostete die durchschnittliche 60-85 m² Wohnung in Wien beispielsweise bereits rund 278.000 €. Experten zufolge wird der Nachfrageüberschuss in der Bundeshauptstadt auch im Jahr 2020 nur schwer abgebaut werden können. Ein solches Ungleichgewicht kann gesellschaftliche, aber auch ökologische und ökonomische Probleme mit sich bringen. Hier sind Branchenvertreter gefordert, gemeinsam mit Politik und Forschung Lösungen zu entwickeln, um das bestmögliche Städtewachstum sicher zu stellen.
Der „second-tier“ Markt gewinnen an Bedeutung
Aufgrund steigender Preise in erstklassigen Lagen fokussieren sich Suchende, darunter Käufer und Investoren, vermehrt auf Immobilien aus der zweiten Reihe. Ein Beispiel dafür ist das Burgenland, bzw. die Region rund um die Hauptstadt Eisenstadt. Immer mehr Menschen aus dem Ballungszentrum Wien schlagen mittlerweile in vergleichsweise günstigen Gegenden außerhalb des klassischen Speckgürtels ihre Zelte auf. Das zeigt sich unter anderem an der kräftigen Immobilienpreissteigerung von Grundstücken und Häusern in der Landeshauptstadt. Wird ein Siedlungsgebiet für immer mehr Personen interessant, wächst auch die regionale Infrastruktur. Unternehmen siedeln sich an, Organisationen entstehen und Transportmöglichkeiten werden angeboten. Das kann vielerorts Lage aufwerten und das Wirtschaftswachstum fördern.
Home Staging als immer wichtiger werdendes Vermarktungswerkzeug
Das Auge kauft mit. Vielerorts werden Immobilien bereits speziell für die Vermarktung inszeniert und aufbereitet. Das wird auch in Zukunft ein wesentlicher Faktor sein. Durch ansprechende Einrichtungsgegenstände erhalten Interessenten ein konkretes Bild der Räumlichkeiten. Suchende können sich bereits im Vorhinein vorstellen, ob der Esstisch in der zukünftigen Küche Platz hat und wie groß das TV-Regal maximal sein darf. So kann die Miet- bzw. Kaufwahrscheinlichkeit in vielen Fällen deutlich erhöht werden. Mittlerweile ist es zudem möglich, die Immobile virtuell und somit zeit- sowie kosteneffizient einzurichten. Mithilfe von Softwareanbietern lassen sich Räumlichkeiten individuell gestalten. Das ist vor allem auch für Anbieter von noch nicht fertiggestellten Objekten relevant. Anstelle von einfachen Grundrissen treten realitätsnahe Bilder, anhand derer die zukünftige Wohnung ausgiebig besichtigt werden kann. Ein kompletter Stilwechsel der Einrichtung ist zudem ebenfalls in kurzer Zeit möglich.
Visuelle und virtuelle Inhalte im Fokus
Neben diversen technischen Veränderungen gibt es auch einen bemerkbaren Wandel bei der Immobiliensuche. Vor allem visuelle Inhalte spielen eine immer größere Rolle, denn Interessenten erwarten sich vorab immer mehr Anschauungsmaterial von einer Immobilie. Sie wollen möglichst schnell einen umfassenden Eindruck des Objekts erhalten – vielfach schon direkt von zu Hause aus. Neben professioneller Fotografie werden auch virtuelle Rundgänge immer wichtiger. Das hat auch Vorteile für die Abgeber einer Immobilie. Besichtigungen vor Ort werden nur noch mit Personen durchgeführt, die tatsächlich reges Interesse am Objekt haben. Das hilft mit, Zeitinvestments und Aufwand zu optimieren.
Künstliche Intelligenz und Machine Learning
Die Digitalisierung hat nicht nur Auswirkungen auf die Vermarktung einer Immobilie. Auch in anderen Bereichen der Branche halten neue Technologien Einzug. Machine Learning und künstliche Intelligenz sind zwei oft genannte Begriffe in diesem Zusammenhang. Die Anwendungsbereiche sind vielseitig. Neben der vernetzten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden (Stichwort BIM), werden auch die Stadtplanung, das Gebäudedesign und die -verwaltung sowie die Wartung von Immobilien zunehmend digitalisiert und automatisiert. Die intelligenten Systeme werden in Zukunft dazu beitragen, viele Prozesse deutlich effizienter zu gestalten. So lassen sich beispielsweise mithilfe datenbasierter Predictive Analytics valide Voraussagen treffen, welche Mängel in naher Zukunft an einem Gebäude entstehen könnten. Dies ermöglicht zeitgerecht entsprechende Vorkehrungen.