Positiv ist, dass die diversen Lockdowns keine großen operativen Probleme mehr aufwerfen, wie das noch im Frühjahr und Herbst 2020 der Fall war. Dank Masken und der Möglichkeit, sich jederzeit testen zu lassen, können Besichtigungen weitgehend problemlos stattfinden, das gleiche gilt für Wohnungsübergaben und -rücknahmen. Die mittlerweile gut etablierten Möglichkeiten, Wohnungen vorab online zu besichtigen, führen sogar dazu, dass jetzt noch effizienter gearbeitet werden kann als noch vor der Pandemie.
Die Länge des Lockdowns und die sich abzeichnenden Veränderungen der Arbeitsorganisation mit einem deutlich höheren Anteil von Homeoffice machen sich auch zunehmend in den Kriterien, die Wohnungssu- chende bei ihrer Kauf- oder Mietentscheidung beachten, bemerkbar. Ein einigermaßen gut abgrenzbarer Arbeitsplatz in der Wohnung wird mittlerweile fast schon standardmäßig nachgefragt, auch die Bedeutung von Freiflächen wird kontinuierlich wichtiger.
Angebotsentwicklung
Gegenüber dem 2020 erreichten Allzeithoch von 19.000 neuerrichteten Wohnungen wird 2021 zwar einen Rückgang bringen, dieser fällt aber nicht so stark aus wie noch bis in den Herbst 2020 erwartet. Mit der Fertigstellung von rund 17.000 Wohnungen wird auch dieses Jahr deutlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen und die chronische Unterversorgung des Marktes wird damit weiter abgeschwächt.
Im Winterquartal gibt es zwar traditionell keine nennenswerten Fertigstellungszahlen zu vermelden, dochfür das Frühjahr zeichnet sich eine ähnlich hohe Wohnungsproduktion ab wie im Vergleichszeitraum des Vorjahrs, in dem sich der Abschluss einiger Bauprojekte wegen des ersten Lockdowns etwas verzögert hatte.
Weiterhin dominieren Großprojekte den Neubaumarkt und diese entstehen wiederum zum überwiegenden Teil in den großen Stadtentwicklungsgebieten im Norden und Süden der Stadt. Lückenverbauungen in den zentrumsnäheren Bezirken haben quantitativ eher eine untergeordnete Bedeutung.
Auffällig ist, dass auch weiterhin überdurchschnittlich viele Mietwohnungen auf den Markt kommen. Der Grund dafür ist, dass zahlreiche Projekte von Entwicklern gesamthaft an institutionelle Investoren verkauft werden. Diese halten die Objekte langfristig im eigenen Bestand und vermieten die Wohnungen.
Nachfrageentwicklung
Die Nachfrage nach Wohnungen in Wien ist unverändert gut, aber strukturell befindet sich der Markt doch in einem bemerkenswerten Wandel. Erstmals seit langem ist die Nachfrage weniger von der demographischen Entwicklung getrieben als von wirtschaftlichen Faktoren: Konjunktur, Beschäftigung, Zinsniveau und nicht zuletzt Verunsicherung über die längerfristige Geldwertstabilität.
Diese Einflussfaktoren führen dazu, dass insbesondere die Nachfrage nach Eigentumswohnungen anhaltend stark ist, Tendenz weiter steigend. Seitens privater Käufer sind eigengenutzte Wohnungen als Veranlagungs- möglichkeit ebenso gesucht wie Anlegerwohnungen. Gleichzeitig haben sich Wohnimmobilien auch zur bevorzugten Investmentklasse für institutionelle Anleger entwickelt. Die niedrigen Zinsen, die auch durch die jüngsten Entscheidungen der EZB bestätigt wurden, machen Finanzierungen sehr günstig und tragen zu soliden Anstiegen des Preisniveaus bei.
Einen gewissen Bremsfaktor stellt allerdings die recht restriktive Haltung der Banken dar. Die Bonitätsan- forderungen sind in der Krise weiter gestiegen, es dauert länger, bis Finanzierungen abgeschlossen werden können und öfter als vor Corona werden Finanzierungen auch abgelehnt.
Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist auf gutem Niveau stabil. Zuwächse werden derzeit nicht erzielt, da einerseits einkommensstärkere Schichten wie erwähnt noch stärker auf Eigentum setzen und damit nicht auf dem Mietmarkt aktiv sind, andererseits einkommensschwächere Schichten von den wirtschaftlichen Pandemiefolgen stärker betroffen sind und daher oft auch Entscheidungen über die Miete einer neuen Wohnung hinausgezögert werden.
Preisentwicklung
Da die gleichbleibend starke Nachfrage im Mietbereich auf ein gestiegenes Angebot an Mietwohnungen trifft, sind aktuell und auf absehbare Zeit Mietsteigerungen nicht zu erwarten. Derzeit müssen Vermieter von Großprojekten eventuell etwas längere Verwertungszeiten in Kauf nehmen.
Bei den Kaufpreisen gibt es hingegen nach wie vor eine Aufwärtstendenz, da neue Wohnungen sowohlfür private Käufer, die einzelne Einheiten erwerben wollen, als auch für institutionelle, die gesamteObjekte übernehmen, weiterhin begehrte Investmentziele sind. In den Stadtentwicklungsgebieten in Randlagen sind Preissteigerungen von rund 3,0 bis 3,5 Prozent zu erwarten, in zentralen Wohnlagen ist mit Zuwächsen von 3,75 bis 4,25 Prozent zu rechnen.
Ausblick
Die mittel- und langfristigen Perspektiven für den Wiener Wohnungsmarkt sind weiterhin sehr solide. Die demographische Entwicklung hat sich nach den Verwerfungen der letzten Jahre des vergangenen Jahrzehnts zwar beruhigt, das erwartete Bevölkerungswachstum von 10.000 bis 12.000 Menschen pro Jahr sowie die anhaltende Tendenz zu schrumpfenden Haushaltsgrößen sorgen aber für nachhaltigen Mehrbedarf von jährlich rund 15.000 Wohnungen. Gleichzeitig werden wegen der drastisch rückläufigen Zahl der Baubewilligungen (2020 nur mehr rund 10.000 – 11.000 nach 19.000 im Jahr 2019) ab dem kommenden Jahr auch deutlich weniger Wohnungen fertiggestellt werden. Die Verzögerungen bei Widmungs- und Bewilligungsverfahren, die in der Folge das Angebot bebaubarer Liegenschaften verknappen, werden sich hingegen erst einige Jahre später in den Zahlen niederschlagen.
Eine spannende Frage wird auch sein, in welchem Ausmaß die derzeit leerstehenden oder dem langfristigen Mietmarkt zugegangenen Kurzfrist-Wohnungen nach dem Wiederaufleben des Tourismus wieder für kurzfristige Vermietungen genutzt werden.