Für die Analyse hat das MGI die Weltwirtschaft mit Hilfe von Bilanzierungsmethoden, wie sie aus der Unternehmenswelt bekannt sind, analysiert, anstatt wie üblich anhand des BIP.
Vier Szenarien möglich - nur eines positiv
"Die Botschaft aus unserer Analyse ist klar", sagt Eckart Windhagen, Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. "Es gilt, das Produktivitätswachstum zu beschleunigen. Dieses positive Szenario ähnelt in gewisser Weise der Zeit des sehr schnellen Produktivitätswachstums in den USA in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren. Die Bilanz wächst, aber weniger schnell als das BIP, und ist daher gesünder und nachhaltiger." Dafür müsste das vorhandene Kapital viel stärker in Bereiche investiert werden, die die Wirtschaft produktiver machen. Windhagen: "Dazu gehören nicht nur die Digitalisierung und die Automatisierung, beispielsweise mit Hilfe von künstlicher Intelligenz - sondern auch Investitionen in die grüne Transformation unserer Infrastruktur und Energiesysteme."
In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind Nettovermögen, Vermögenswerte und Schulden deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung. Damit stehen die beiden vergangenen Jahrezehnte in deutlichem Kontrast zum historischen Verlauf des globalen Reichtums- und Schulden-Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor der Jahrtausendwende folgte das Wachstum des weltweiten Nettovermögens weitgehend dem BIP-Wachstum. Doch ab ca. dem Jahr 2000 entwickelten sie sich auseinander. In Deutschland, zum Beispiel, stieg das Nettovermögen von 2000 bis 2021 vom 4,6-fachen auf das 6,2-fache des BIP. Im Gegensatz dazu verlief das Produktivitätswachstum nur schleppend und fiel in den G-7-Ländern von 1,8 Prozent pro Jahr zwischen 1980 und 2000 auf 0,8 Prozent von 2000 bis 2018. Grund für diese Entwicklungen waren eine Flut von Geld - Ersparnisse und Neuverschuldung - bei gleichzeitig massivem Rückgang der Neuinvestitionen.
"Das rein bewertungsgetriebene Wachstum der Vermögenswerte ist ebenso wenig nachhaltig wie der fortwährende Anstieg der Verschuldung", erläutert Jan Mischke, MGI-Partner in Zürich und Co-Autor der Studie. "Wir steuern auf eine Ära zu, die grundsätzlich anders aussieht als das, was wir aus den vergangenen 20 Jahren gewohnt sind." Die MGI-Studie analyisert vier mögliche Szenarien für Inflation, Zinssätze und Wachstum bis 2030 und deren Auswirkungen auf Immobilien, Aktien und Schulden.
Im Szenario "Return to past era" könnte sich die Volatilität als vorübergehend erweisen und die Ausweitung des Balance Sheets danach wieder aufgenommen werden. Ersparnisse und billige Kredite würden erneut die Preise bestehender Vermögenswerte in die Höhe treiben, statt in produktive Investitionen zu fließen.
Im Szenario "Higher for longer" würden Haushalte weniger sparen und Investitionen z.B. zur Bekämpfung der Klimaerwärmung deutlich zunehmen. Das würde Inflationsdruck und Zinsniveau nachhaltig erhöhen. Es gäbe Parallelen zur Zeit der hohen Inflation in den 1970er Jahren.
Im schlimmsten Fall - einem "Balance sheet reset"-Szenario würden als Reaktion auf steigende Zinsen der Wert von Aktien und Immobilien drastisch zurückgehen. US-Aktien und -Immobilien könnten beispielsweise bis 2030 inflationsbereinigt um mehr als 30 Prozent fallen. Ähnlich wie in Japan nach dem Platzen der Immobilien- und Aktienblase in den 1990er Jahren käme es zu einem langwierigen und nicht immer erfolgreichen Abbau der Verschuldung und sehr niedrigem Wachstum.
Das bei weitem wünschenswerteste Szenario ist das der "Produktivitätsbeschleunigung", bei dem die Wirtschaftsleistung das rasante Wachstum der Vermögensbilanz aufholt. Nur dieses Szenario kombiniert ein starkes Einkommens- und Vermögenswachstum mit einer gesunden Bilanz.