Der Wärmeverbrauch in Wohngebäuden ist für rund die Hälfte des Energieverbrauchs in Österreich verantwortlich und wird zu etwa zwei Dritteln aus fossilen Energien gedeckt. Beim Stromverbrauch liegt der Anteil fossiler Energiequellen bei gut drei Vierteln. Angesichts Green Deal, SDGs und ESG sowie der wirtschaftlichen Stabilität von Wohnungsportfolios führt an energetischen oder technischen Sanierungsmaßnahmen kein Weg vorbei. „Ebenso muss es gelingen, dass Nutzer*innen und Eigentümer*innen aus eigenem Antrieb heraus Teil des Wandels werden. Hier geht es einerseits um ihre Zustimmung zu Sanierungsmaßnahmen und den damit verbundenen Investitionen, aber auch um Verhaltensänderungen in ihrem Alltag“, attestiert Egon Gröller, Verantwortlicher für die Branche Wohnen bei Drees & Sommer Österreich.
Technische Lösungen sind vorhanden
Auch wenn es kein allgemein gültiges Patentrezept für Sanierungen gibt, sondern vielmehr jedes Bestandsgebäude, sein Umfeld und seine Nutzer*innen individuell betrachtet werden müssen: An technischen Lösungen mangelt es nicht. Dr. Peter Holzer, geschäftsführender Gesellschafter des Ingenieurbüros P. Jung, verweist diesbezüglich auf eine Machbarkeitsstudie an acht Wohngebäuden in Wien. Darin wurden sechs unterschiedliche technische Lösungen für den Ausstieg aus der bestehenden Gasheizung untersucht: der Einsatz eines Gaskessels zentral oder dezentral mit Grünem Gas, die Umstellung auf Fernwärme, auf zentrale Biomasse, auf eine zentrale oder dezentrale Luftwärmepumpe sowie auf eine zentrale bzw. dezentrale Erdwärmepumpe ebenso wie der Einsatz von Elektro-Direkt- oder Infrarotheizungen. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass in jedem der untersuchten mehrgeschoßigen Bestandsgebäude unterschiedliche technische Lösungen zur Heizungsumstellung sinnvoll waren. Die Grobkosten der Umstellungskosten lagen bei ca. 200 bis 600 EUR/m²WNF netto, bei gleichzeitiger Umstellung aller Wohnungen eines Hauses. „Wohnrechtliche Fragestellungen der Heizungsumstellung erweisen sich als schwierig und sind noch ungenügend geregelt. Über das Gebäude hinaus entstehen zudem Fragestellungen von Zumutbarkeit, etwa betreffend die Schallemissionen von Wärmepumpen oder die thermische Nutzung von öffentlichem Gut, z.B. durch Erdsonden im Öffentlichen Raum“, so Holzer. Die mit dem Umstieg auf neue Anlagen verbundenen Investitionen würden sich spätestens mittelfristig amortisieren. Ihre größtmögliche Wirkung entfalten diese Systeme, wenn zusätzlich auch Fenster und Wände der Bestandsgebäude saniert werden.
Auch die Digitalisierung hilft, Energieverbrauch und CO2-Ausstoß zu mindern. So können in Smart Buildings Abläufe und Teilsysteme innerhalb eines Gebäudes aufeinander abgestimmt und reguliert werden, um das Kühlen ebenso wie das Heizen zu optimieren. Zudem lässt sich die Energieeffizienz steigern, indem Smart Buildings untereinander via Smart Grids verbunden werden und Energie nach Bedarf unter den Gebäuden und der umliegenden städtischen Infrastruktur ausgetauscht werden kann.
Mehr alternative Energie und weniger Gesamtenergieverbrauch
Um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu vollziehen, braucht es einen Ausbau erneuerbarer Energiequellen, so Holzer: „Bei Windenergie ist eine Steigerung im Vergleich zu heute um den Faktor drei möglich, bei Photovoltaik sogar um den Faktor elf. Bei Wasserkraft wären zusätzliche 10 Prozent, bei der Biomasse 20 Prozent erreichbar“. Georg Stadlhofer, Geschäftsführer Drees & Sommer Österreich, ergänzt: „Trotz dieser Ressourcen könnte damit aber nur rund die Hälfte des jährlichen Energiebedarfs in Wohnbestandsgebäuden gedeckt werden. Auch angesichts der möglichen technischen, energetischen und baulichen Sanierungsmaßnahmen sowie der Effizienzsteigerungspotenziale, welche die Digitalisierung ermöglicht, bleibt hier eine Lücke bestehen. Um diese zu schließen, braucht es neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Steigerung des Wirkungsgrades der eingesetzten Systeme auch eine Reduktion des Endverbrauchs.“
Gemeinsamer Wille essentiell
Im Alltag gehe es hierbei um einfache Dinge: Lichtquellen, die nicht gebraucht werden, auszuschalten, Warmwasser nicht laufen zu lassen, im Winter moderat zu heizen. Energieeffizienz bedeutet für Paul Lensing von der Generali Real Estate zudem auch, individuelle Ansprüche zu überdenken: So helfen kleinere Wohnungen, die für mehrere Personen und damit mehr Personen pro Quadratmeter gestaltet sind, den Energieverbrauch ebenso wie die laufenden Betriebskosten zu senken. „Klimaschutz geht uns alle an, Sanierungen von Wohnbestand spielen dabei eine wichtige Rolle. Investitionen in energieeffiziente Gebäude sichern deren Zukunftsfähigkeit und rechnen sich allemal. Die Vorteile, die sich durch ein Upgrade von Wohnungen ergeben, können Nutzer*innen und Eigentümer*innen in ihrem Lebensalltag unmittelbar nutzen“, so Stadlhofer. Zu den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen meint Lensing: „Der politische Wille zum klimafreundlichen Sanieren des Wohnungsbestands ist klar erkennbar. Die Vielzahl der nebeneinander bestehenden Reglementierungen und Förderungen macht die konkrete Umsetzung hingegen zuweilen herausfordernd. Die Harmonisierung der jeweiligen Rechtssätze auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene birgt weiteres Potenzial, um die gesetzten Klimaziele bis 2050 bzw. in Österreich bis 2040 zu erreichen“.