Im Interview
Michael PiseckyMichael Pisecky ist Geschäftsführer der sREAL Immobilienvermittlung GmbH und Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKO in Wien.
„Wien braucht im Wohnbau – neben vielen anderen Maßnahmen – dringend eine Änderung bei der Flächenwidmung. Wir hoffen, dass dabei endlich etwas weiter geht, hier gab es die vergangenen 10 Jahre nur Stillstand! Da braucht es – durchaus auch mit neuen Verantwortlichen – endlich eine Aktualisierung auf die gegenwärtige Situation und in weiterer Folge eine ständige Weiterentwicklung, statt des momentanen Verharrens in der Vergangenheit. Die Flächenwidmung ist im vergangenen Jahrhundert stecken geblieben.“ Mit diesen Worten kommentierte heute der Obmann der Fachgruppe der Immobilientreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer, KommRat Michael Pisecky, die nun beginnenden Gespräche der Parteien nach der Wiener Gemeinderatswahl.
Pisecky begründet das mit der historischen Entwicklung der Bundeshauptstadt: „Die Intention der bestehenden Flächenwidmung stammt aus den 1980er Jahren, als Wien eine sinkende Einwohnerzahl hatte. Da Wien derzeit und in Zukunft aber wächst, muss die Flächenwidmung in ihrer Gesamtheit überarbeitet werden. Gegen die öffentliche verkündete Stadtentwicklungspolitik und gegen alle Beschlüsse von Gemeinderat und Stadtsenat geht die Wiener Flächenwidmung immer noch von der längst überholten Prognose einer schrumpfenden Stadt aus.“
Die überholte Wiener Flächenwidmung stammt aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
Mitte der 1980er Jahre ging man bis 2030 noch von einem massiven Bevölkerungsrückgang auf 1,3 Mio. aus. Die gründerzeitlichen Gebiete wurden daher in Zeiten der Stadtflucht „abgezont“. Das bedeutete, dass die Möglichkeit zur Verdichtung und zum Bauen in die Höhe (auf bestehende Häuser) massiv reduziert worden ist. Daher sind jetzt viele bestehende Häuser schon zu hoch und bieten kaum Möglichkeiten zu einem Ausbau. Ein eingeschossiger Dachausbau ist oft nicht rentabel und stellt im Vergleich zu einem 2- oder 3-geschossigen Ausbau eine Flächenverschwendung dar.
Pisecky: „ Eine Erkenntnis, die sich in den vergangenen Jahren immer mehr durchgesetzt hat, ist, dass Nachverdichtung gut und sinnvoll ist. Das wird auch seit 40 Jahren gelehrt und die Beamten der Stadt Wien haben das mittlerweile auch erkannt – aber zur Umsetzung fehlen die geeigneten Instrumente und die klaren politischen Vorgaben. Abweichungen vom formal gültigen, inhaltlich aber überholten Flächenwidmungsplan sind nur sehr eingeschränkt über den § 69 der Bauordnung möglich. Die zuständigen Beamten sind, wie wir wissen, angehalten, diese Abweichungen sehr restriktiv zu handhaben.“
Politische Vorgaben für Nachverdichtung und Sanierung beschlossen – aber rechtliche Rahmenbedingungen fehlen
Die Folge: Seit Jahren liegt der Fokus der Wohnbautätigkeit bei Neubauten auf der grünen Wiese oder auf ehemaligen Industrie- und Bahn-Arealen. Auf die Bebauungsmöglichkeiten im Bestand bzw. im Altbau wurden schlicht ignoriert. Auf eine Überarbeitung der Flächenwidmungspläne wurde vergessen.
Die Stadt Wien hat zwar auf politischer Ebene eine Reihe von dynamischen Entwicklungszielen und Leitlinien beschlossen: Sparsamer Umgang mit Grund und Boden; Nachverdichtung; CO2-Reduktion durch Sanierung; Vermeidung von Hitzeinseln; Begrünungen. Diese hehren Ideen werden aber nirgendwo umgesetzt, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen – Flächenwidmung und Bauordnung – immer noch auf das alte, überholte Ziel einer Ausdünnung und Reduktion der Stadt abstellen. Inzwischen wurden zwar Masterplan Gründerzeit und das Konzept Smart City wurden sogar im Gemeinderat beschlossen, haben aber bislang nicht die geringste Relevanz für die Praxis.
Noch wird in Wien beim Wohnbau mit der Annahme einer schrumpfenden Bevölkerungszahl gearbeitet
Pisecky nennt ein Maßnahmenpaket zu den notwendigen Änderungen der Flächenwidmung in Wien:
- Umfassende Überarbeitung der Flächenwidmung für eine Stadt mit 2 Millionen Einwohner. Neubau und Nachverdichtung in einer wachsenden Stadt müssen leichter möglich werden, um den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden.
- Die Flächenwidmung soll zeitgemäße städtebauliche Konzepte ermöglichen, zum Beispiel die „produzierende Stadt“, oder „Mischnutzung“.
- Der bereits im Gemeinderat beschlossene „Masterplan Gründerzeit“ soll in die Praxis umgesetzt werden. Derzeit ist er leider irrelevant, weil für seine Umsetzung, gemäß den Zielen der Stadt, Abweichungen vom Flächenwidmungsplan vom Magistrat genehmigt werden müssten.
- Aufhebung der derzeitigen Beschränkung der Firsthöhe.Derzeit ist die Firsthöhe in den meisten Plandokumenten auf 4,5 m beschränkt, was den Dachgeschoßausbau erschwert und oft unwirtschaftlich macht. Die Bauordnung geht grundsätzlich von bis zu 7,5 m Firsthöhe aus. Schon eine Erhöhung auf 5,5 m würde im Dachgeschoß eine 2. Ebene ermöglichen und hätte auf das Stadtbild sowie die Belichtung der Anrainer keine Auswirkungen.
- Höher widmen (Bauklasse IV)In vielen Straßen wäre die Bebauung nach Bauklasse IV (21 m) statt Bauklasse III (16 m) möglich, ohne die Belichtung für Anrainer zu verschlechtern. Diese Umwidmung würde eine Verdopplung der bestehenden Fläche ermöglichen.
„Jetzt am Beginn einer neuen Legislaturperiode des Wiener Gemeinderates und einer neuen Amtsperiode der Landesregierung wäre es ein richtiger Schritt, die Wiener Flächenwidmung dem Heute anzupassen. Derzeit arbeiten wir mit einer Flächenwidmung aus den 1980er Jahren, als man von einer schrumpfenden Bevölkerungszahl ausgegangen ist. Diesem Irrweg muss nun rasches begegnet und der Flächenwidmung auf den Stand der Gegengenwart – auf den einer wachsenden Stadt – gebracht werden“, verlang Pisecky, um mehr Wohnraum für die Wienerinnen und Wiener schaffen zu können.