Sie sind Vorstand und Bereichsleiter Bewertung bei der ÖRAG, die ja auch ein Maklerteam hat. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Ich weiß, dass jene Bewerter*innen, die selbst keine Inhouse-Makler haben, das als Beweis für Unabhängigkeit herausstreichen. Aber dann fehlt auch der direkte Zugang zu Vergleichswerten aus erster Hand, der Rechercheaufwand ist viel höher. Eine Bewerter*in, die an einen Makler gekoppelt ist, ist viel näher am Markt. Ich selbst habe ja beides erlebt, früher für die Metzer Realitäten Gruppe, jetzt bei der ÖRAG – kein Vergleich. Natürlich muss man darauf achten, dass der Informationskanal eine Einbahnstraße ist, also dass man Information von den Maklern bekommt, aber nicht umgekehrt. So machen wir es und ich gehe davon aus, dass das auch die anderen Top-Bewerter*innen in Österreich so halten.
Sprechen wir über den Markt. Wie beobachten Sie derzeit das Marktgeschehen?
Die Immobilienwelt hat sich völlig gedreht, es ist ein extrem schwieriges Marktumfeld. Niemand hat mit einer Zinsänderungen in diesem Ausmaß und vor allem in dieser Geschwindigkeit gerechnet. Dass die Zinsen steigen werden, war allen klar, aber man hat mit einem moderaten Anstieg über mehrere Jahre gerechnet. Von Minus / Null auf 3 Prozent in weniger als 12 Monaten – das hat sicher viele auf dem falschen Fuß erwischt. Das drückt nun jetzt auf die Preise. Die Frage ist jetzt, wie lange, das anhalten wird und wie lange es die Marktteilnehmer*innen durchhalten.
Wie geht es Ihrer Einschätzung nach weiter? Wie sehen die Renditen in drei Jahren aus?
Das ist schwer zu sagen. In der Vergangenheit konnte man eigentlich immer von einer Steigerung ausgehen. Jetzt bewegen wir uns tendenziell in einem fallenden Markt, das macht Voraussagen schwierig. Wir bemühen uns, die Zinserwartungen hinein zu interpolieren, jetzt steigen sie, in den nächsten Jahren erwarten wir, dass sie wieder fallen. Man sieht ja auch, dass die Zinssteigerung die Inflation überhaupt nicht gebremst hat: wir hatten im Jänner eine Inflation von elf Prozent bei einem dreiprozentigen Zinsniveau, die Maßnahme verpufft offensichtlich. Wenn nun tatsächlich die Rezession kommt, die im Raum steht, stellt sich die Frage: was macht die Notenbank? Sie kann eigentlich nur die Zinsen senken, um die Wirtschaft wieder zu beflügeln.
Bisher war die Pipeline der Entwickler*innen gut gefüllt, es gab zahlreiche Fertigstellungen. Nun ist die Rede von Baustopps. Wird einfach nicht mehr gebaut werden?
Das wird sich nicht ausgehen. Es gibt zwei Millionen Menschen in Wien, die müssen alle wohnen und das wird im Bestand alleine nicht möglich sein. Ja es werden Baustopps ausgerufen – berühmtestes Beispiel ist die Vonovia in Deutschland, die meinte, sie werde nichts Neues mehr bauen. Das liegt natürlich an den Zinsen, aber auch an den hohen Grundstückspreisen und den schlechten Absatzmärkten. Allerdings beginnen die Baukosten bereits wieder zu sinken, denn fallende Neubauentwicklung drückt aus Sicht der Baufirmen auf den Preis. Es herrscht die Meinung am Markt, dass sich die Baupreise im zweiten Halbjahr 23 wieder normalisieren werden. Dass sie wieder so niedrig werden, wie sie einmal waren, das glaube ich nicht, aber der enorme Hype ist vorbei.
Derzeit ist ESG und EU-Taxonomie in aller Munde – wie stellen Sie sich als Bewerter darauf ein?
Im Moment wird die Frage diskutiert, ob man ESG in die Bewertung eines Objektes einbeziehen sollte – ich glaube mittlerweile wir müssen es berücksichtigen. ESG-konforme Gebäude werden am Markt knappes Gut sein und es wird Investoren geben, die ausschließlich solche Objekte kaufen werden. Es wird spannend sein zu beobachten, ob es dadurch zu einem Compression Yield kommt, weil solche Gebäude dann zu absurden Beträgen gehandelt werden, abgekoppelt von jedem Zinssatz, welchen auch immer wir dann haben werden.