Neue Initiative warnt: Dramatischer Einbruch bei der Errichtung leistbarer Wohnungen wird Wohnkosten explodieren lassen

Zahlreiche Bauträger rufen die Initiative „Mehr leistbaren Wohnraum schaffen“ ins Leben und präsentieren fünf Lösungsvorschläge. Die Lage am heimischen Wohnungsmarkt lässt die Alarmglocken schrillen.

Gründung der neuen Initiative: "Mehr leistbaren Wohnraum schaffen"

© Unique Public Relations GmbH/APA-Fotoservice/Reither

Gab es im Jahr 2021 noch 77.100 bewilligte Wohnungen in Österreich, ging diese binnen eines Jahres um fast 20 Prozent auf 62.600 zurück. Das ist der geringste Wert seit 10 Jahren. Für die kommenden Jahre sehen Experten einen noch weiteren Rückgang. Die Gründe dafür sind insbesondere die hohen Baukosten, teure Grundstückspreise und vor allem auch zunehmend komplizierte und langwierige Bauverfahren. Die Branche sieht nun dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik.

Mehr Bedarf, weniger Wohnungsangebot

„Unsere Studien haben ergeben, dass sich der Trend der stark abnehmenden Baubewilligungen 2023 fortsetzen wird. Aktuell gehen wir von 51.400 bewilligten Wohnungen aus und somit einem Rückgang von 33,3 Prozent gegenüber 2021. Dem nicht genug, gehen wir für die kommenden Jahre ebenfalls von einer sehr schwachen Baukonjunktur aus. Demgegenüber steht ein deutlich höherer Bedarf, insbesondere in Ballungszentren wie etwa in Wien, als prognostiziert war. Einer der Gründe dafür ist die zunehmende Migration, allen voran durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Wenn wir dann noch mitdenken, dass der Markt – und hier allen voran der freifinanzierte Sektor – de facto die falschen Wohnungen produziert, nämlich zu kleine und zu teure Wohnungen, dann folgt daraus: Es braucht dringend mehr geförderten Wohnbau in Österreich“, warnt Wohnbauexperte Wolfgang Amann.

Initiative „Mehr leistbaren Wohnraum schaffen“ präsentiert Lösungsvorschläge 

„Wir haben uns diese Aufgabe nicht leicht gemacht. In den vergangenen Monaten wurden Rechtsexpert:innen, Projektentwickler:innen, Architekt:innen, Wohnbauexpert:innen und Ziviltechniker:innen konsultiert. Aus diesen Gesprächen und Analysen sind, die hier heute präsentierten fünf Vorschläge entstanden, die nicht alle Probleme lösen, aber wir sind davon überzeugt, dass es allgemein eine Aufwertung bei der Schaffung von leistbarem Wohnraum benötigt. Dazu gehören auch und insbesondere beschleunigte Verfahren, nicht nur der Bauverfahren, sondern auch der vorgelagerten Prozesse“, so der Sprecher der Initiative und Obmann der Wien-Süd, Andreas Weikhart.

„Naturschutz und Umweltverträglichkeit sind ein integraler Bestandteil jeder Entwicklungstätigkeit, nur ist derzeit eine Entwicklung weg vom – von zumindest für uns als Produzenten von sozialem, leistbaren Wohnraum - wichtigen Fokus auf die Verwirklichung von solchem Wohnraum für die Breite der Bevölkerung hin zu einer Verzögerung durch segregierte Individualinteressen zu beobachten. Als Bauträger, die sich für die Schaffung von leistbarem Wohnraum verantwortlich fühlen, wollen und können wir hier nicht weiter tatenlos zusehen, wie wir sehenden Auges in eine weitere Verschärfung des Wohnungsmarkts kommen. Deshalb haben wir uns zusammengetan, um hier eine wichtige Debatte konkret mit Lösungsvorschlägen anzustoßen“, so Weikhart.

Leistbarer Wohnraum als öffentliches Interesse klassifizieren & „Normen-Dschungel“ abbauen

„Als ARWAG haben wir diese Initiative mitgegründet, weil wir von der Bundesregierung mehr Priorität für leistbaren Wohnraum fordern. Konkret soll leistbarer Wohnraum als öffentliches Interesse klassifiziert werden. Genauso wie große Infrastruktur- oder Energieprojekte muss auch der leistbare Wohnraum Vorrang bekommen. Hier müssen die Verfahren zur Schaffung von leistbarem Wohnraum aus unserer Sicht beschleunigt und der Normen-Dschungel deutlich abgebaut werden", kritisiert Thomas Drozda, Vorstandsdirektor der ARWAG.

Neugestaltung der Einspruchsrechte für Wohnraum im öffentlichen Interesse 

„Aktuell gibt es drei Instanzen bei Bewilligungsverfahren im Bauverfahren. Die Initiative regt an, die 1. Instanz – diejenige, die den Baubescheid ausstellt – generell stärker an das vereinfachte Verfahren nach der Wiener Bauordnung als Role Model anzulehnen – nämlich, dass der Bauwerber entsprechende Bestätigungen von befugten Sachverständigen beilegt, die dann von der Behörde nicht mehr vertieft zu prüfen sind. Anrainer haben nicht per se Parteistellung, sondern erst, wenn sie – nach Verständigung – konkrete substantiierte Einwände vorlegen. Der Vorteil: Erheben Nachbarn fristgerecht Einwendungen, werden diese von der Baubehörde wie gewohnt behandelt. Gibt es keine (oder nur einfach zu prüfende) Einwendungen von Nachbarn, könnte damit eine deutliche Beschleunigung in der 1. Instanz erreicht werden“, so Wolfgang Wahlmüller, stv. Generaldirektor der ÖSW.

„Zudem kann es aktuell in 2. und 3. Instanz noch immer zu einem Baustopp kommen, der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Es folgt dann eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht bzw. den VfGH/VwGH, die unter Einbeziehung von Sachverständigen den Fall prüfen. Unser Vorschlag sieht vor, dass Nachbarn zwar auch in 2. und 3. Instanz Beschwerden erheben können sollen, diese sind dann jedoch auf Schadenersatzansprüche beschränkt – natürlich: wenn das gebaute Projekt wesentlich vom Eingereichten abweicht, dann soll das mögliche Abbruchrisiko beim Bauwerber liegen. Somit ist sichergestellt, dass der Bau mit einer erstinstanzlichen Bewilligung gestartet wird. Gleichzeitig ist das Rechtsschutzinteresse des Nachbarn nicht ausgehebelt, sondern – bei nicht wesentlichen Einwänden - auf monetäre Schadenersatzansprüche beschränkt. Dies wäre eine erhebliche Erleichterung für uns Bauträger“, so Wahlmüller.

Beschleunigte Bauverfahren für leistbaren Wohnraum 

„Die Anforderungen an die Verwaltungen sind in den letzten Jahren aufgrund der Vielfalt und Komplexität massiv gestiegen. Eine Verfahrenszeitverkürzung wäre jedoch in höchstem Maße im öffentlichen Interesse. Wir schlagen daher vor, dass eine Bewilligung schon vor der Erfüllung von 100 % der Anforderungen erfolgen kann. Auch eine Aufstockung des Personals würde zur Beschleunigung von Bauverfahren beitragen. Weiters könnten Kapazitäts-Engpässe bei Behörden durch Ziviltechniker-Gutachten entschärft werden, weil die Bauträger ohnehin in fast allen Fachplanungsbereichen Ziviltechniker:innen beauftragen”, stellt der Obmann der Altmannsdorf-Hetzendorf, Heribert Thurner, fest.

Neugestaltung der Flächenwidmung zur Vereinbarkeit von Naturschutz und Wohnbau

„Im Zuge eines Widmungsprozesses muss parallel ausreichend Platz und Berücksichtigung für die Themen Umweltschutz und Artenschutz gefunden werden, um Rechtssicherheit zu erlangen. Egoismen („not in my backyard“) einzelner Personen in Verbindung mit „Placebo-Naturschutz“ schaden nicht nur dem Naturschutz, sondern stärken den sozialen Unmut der Wohnungsuchenden. Ersatz- und Ausgleichsflächen garantieren die Entwicklung samt Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Artenvielfalt in unserer Natur. Leistbares Wohnen in einer „gesunden“ Natur schützt uns alle vor sozialen Brennpunkten. Wer baut, hat Verantwortung“, so Siegfried Igler, Obmann „Neues Leben“.

„Als Bauträger sind wir mit Auflagen konfrontiert, die es uns schwer machen, unserem Ziel, leistbaren Wohnraum zu schaffen, entsprechen zu können. Wir glauben, dass wir uns diese Ineffizienz schlichtweg nicht mehr leisten können. Naturschutz und leistbarer Wohnraum sind miteinander vereinbar. Der Gesetzgeber ist hier gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen und die Verfahrensdauer wieder zu beschleunigen, damit auch die Zahl der Baubewilligungen für leistbaren Wohnraum wieder steigen“, so die Mitglieder der Initiative unisono.

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  • Erschienen am:
    23.07.2023
  • um:
    15:00
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