Dass es derzeit in der Bauwirtschaft eigentlich keine festen Preise gibt, darüber waren sich Branchenexpert:innen kürzlich beim Real Estate Impuls von Drees & Sommer in Wien einig. Baustoffe wie Stahl, Dämmstoffe, Holz, Zement oder auch elektronische Bauteile sind meist nur mit entsprechend verlängerten oder unklaren Lieferzeiten zu bekommen. Zudem herrscht ein akuter Mangel an Fachkräften sowie an Planer:innen und Ausführenden. Die Folge: Fertigstellungstermine können oft nicht mehr gehalten werden und nicht selten kommt es zu Kostenüberschreitungen. Das Claim-Management rückt dabei in den Vordergrund, nimmt immer mehr Zeit ein und endet da und dort in langwierigen Streitigkeiten.
Kein Wunder also, dass konventionelle Abwicklungsmodelle derzeit immer öfter hinterfragt werden und alternative Varianten in den Fokus rücken. Bisher ist es gängige Praxis, dass ein Bauherr zu Projektbeginn Planungs- und Projektmanagementleistungen an externe Unternehmen vergibt. In einer späteren Projektphase, meist nach der Genehmigungsphase, werden die Bauleistungen ausgeschrieben und vergeben. Dabei kommen entweder Einzelbeauftragungen oder etwa die Beauftragung eines Generalunternehmers infrage. Eine dritte Variante sieht die Beauftragung eines Totalunternehmens vor, das neben den Bauleistungen auch die Leistungen der Ausführungsplanung übernimmt. Finanzierung und Betrieb des Projektes bleiben dabei aber immer beim Bauherrn.
Partneringmodell für mehr Planungssicherheit
Um die die frühzeitige Kosten- und Terminsicherheit gegenüber konventionellen Abwicklungsmodellen zu erhöhen, bietet sich das so genannte „Partneringmodell“ an, bei dem ein Bauherr die Bereiche Planen und Bauen schon in der sogenannten „Preconstruction“-Phase an einen Partner vergibt. Schnittstellen werden damit reduziert, der Bauherr und der beauftragte Totalunternehmer arbeiten gemeinsam mit dem Planer an einer detaillierten Bauplanung. „Der Bauherr hat damit schon vor dem Baubeginn eine größtmögliche Kosten- und Terminsicherheit. Zudem werden auch die Baukapazitäten und -materialien frühzeitig gesichert“, erklärt Gerald Herndlhofer, Geschäftsführer von Drees & Sommer.
Grundvoraussetzung für dieses Modell ist eine grundlegende Klarheit beim Bauherrn über Projektziele und -parameter. Denn im Zuge dieses Abwicklungsmodells hat der Bauherr nur wenige Möglichkeiten nach der Vergabe die Beschaffung zu beeinflussen. Herndlhofer empfiehlt die Einbindung externer Juristen, um im Totalunternehmervertrag die Prozesse zu Kosten, Termine und Qualitäten entsprechend im Vorfeld zu regeln. Da das Vergabeverfahren aufwendig ist und einige Monate dauert, stattet man den Projektpartner schon frühzeitig mit einem Vorvertrag aus, über den dieser seine Leistungen in der Partneringphase vergütet bekommt.
„Bei solchen Verfahren reduziert sich auf Grund der hohen Anforderungen der Bieterkreis, aber wir bekommen dafür eine große Resonanz aus dem Markt, insbesondere bei größeren und komplexeren Projekten“, so Herndlhofer. „Und genau dafür würden wir dieses Vergabemodell empfehlen.“
Schon ab Tag 1 an Bord
Noch partnerschaftlicher wird es beim integrierten Projektabwicklungsmodell (IPA), bei dem schon zu Projektbeginn die Partner an Bord geholt werden. Hierbei werden anhand einer Zielvorgabe des Bauherrn lediglich die Spielregeln für die Projektabwicklung hinsichtlich Budget, Qualitäten und Termine geregelt.
„Voraussetzung für dieses Modell ist, dass das Projekt in den Mittelpunkt gestellt wird und das Know-how der Partnerunternehmen schon frühzeitig zusammengespannt werden soll“, erklärt Gerald Herndlhofer. Das erfordert eine hohe Management- und Entscheidungskompetenz auf Seiten des Bauherrn und Verständnis für den Lean-Gedanken, bei dem es darum geht, laufend zu optimieren und Verschwendung zu vermeiden. „Sie haben also zu Beginn nicht das Projekt, sondern ein Lastenheft, in dem Regeln, Prozesse und Vergütung für die Partnerunternehmen sowie das Konfliktmanagement definiert sind.“
Dafür bedarf es einer praxisnahen juristischen Unterstützung, da alle Regeln für die Zusammenarbeit und das Risk-Sharing in einem Mehrparteienvertrag geregelt werden müssen. Grundidee des IPA-Modells ist eine größtmögliche Kosten- und Terminsicherheit, Teamarbeit sowie das Sicherstellen einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten: mit fairen Vertragsbedingungen für alle. Zudem ist die Einbindung von Megatrends wie Lean, BIM, und Kreislaufwirtschaft unabdingbar. „Ich bin überzeugt, dass das die Zukunft ist“, untermauert Gerald Herndlhofer. „Wir haben eine gute Marktresonanz, weil die Wirtschaft es satt hat, über Mehrkosten zu streiten.“
„Tolle Ergebnisse“
Dominik Erne von Bondi Consult hat bei der Realisierung des Innovation Hub und des Central Hub im Quartier „Twenty One“ in Wien bereits auf partnerschaftliche Vergabemodelle zurückgegriffen und beste Erfahrungen gemacht. „Wir haben ohne Warteschleifen mit unseren Partnern ein gemeinsames Projekt eingereicht und in der Zeit bis zur Baugenehmigung einen Vertrag aufgesetzt und verhandelt“, erklärt Erne. „Am Ende haben wir uns gegenüber konventionellen Methoden viel Zeit erspart und ein tolles Ergebnis erzielt, in dem wir den Zeit- und Kostenplan mit den definierten Qualitäten einhalten konnten. Ich würde es eigentlich nicht mehr anders machen wollen.“
Aber auch Erne untermauert: „Grundvoraussetzung ist, dass man als Bauherr klare Vorstellungen über die Projektziele hat und nach dem Entwurf weiß, was man am Ende bekommen möchte.“ Besonders hebt Erne den Teamgedanken hervor: „Es ist wichtig, auf den Projektpartner und dessen Problemstellungen einzugehen und zu versuchen, im Team gemeinsam Probleme zu lösen.“
Frühzeitiger Know-how Transfer
Auch bei der Realisierung des Medical Center Süd (MCS) im 23. Wiener Gemeindebezirk wurde eine kooperative Projektabwicklung gewählt, berichtet Jakob Wiltschke von Drees & Sommer. Er ist mit der externen Projektsteuerung beim MCS betraut und sieht vor allem in der Lösung spezieller technischer Herausforderungen große Vorteile.
„Es gab schon in der Entwurfsplanung wichtige Fragen zu klären, für die das Know-how spezialisierter Firmen unabdingbar war. Wir haben die Unternehmen über einen Kooperationsvertrag schon frühzeitig ins Projekt geholt und konnten so rasch innovative Lösungen entwickeln, zudem aber auch schon frühzeitig Kostenschätzungen und Realisierungszeiträume abgeben.“