Die derzeitige Marktsituation im Immobilien- und Investmentbereich sorgt für große Unruhe. Die Kombination aus steigenden Zinsen, hohen Baupreisen, fehlenden Baumaterialien, gekürzten Förderungen und noch immer hohen Kaufpreisen verunsichert alle Marktteilnehmer. Hinzu kommen steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten, die sich deutlich im Geldbeutel bemerkbar machen und Kaufentscheidungen hinauszögern.
Eine aktuelle Marktstudie von ImmoScout24 belegt, dass derzeit 36 Prozent weniger Kaufinteressenten im Portal nachfragen und die Anzahl der Immobilienangebote um 46 Prozent gestiegen ist. Das bedeutet, eine Vielzahl von Kaufinteressenten – insbesondere junge Familien mit Durchschnittsgehalt oder darunter – sehen aufgrund der vorgenannten Faktoren von einem Kauf ab, weil es finanziell für sie nicht mehr tragbar ist.
Kapitalanleger müssen demnach mit noch spitzerer Feder rechnen. Die gestiegenen Zinsen wirken sich unmittelbar auf die Rendite aus. Um rentabel investieren zu können, muss der Preis sinken, da der Hebel der Mieterhöhung reguliert und zudem ein sehr langsames Instrument der Gewinnsteigerung ist. Die Pläne der Bundesregierung, die Mieterhöhungsmöglichkeiten durch geringere Sanierungskostenumlage, Kürzung von KfW- Mitteln und weitere Mietendeckel zu drosseln, bremsen die Kauflust zusätzlich.
Im Umkehrschluss merken auch Verkäufer, dass die Nachfrage zurückgeht. Dies kann bei überteuerten Immobilien oder schlechten Lagen dafür sorgen, dass es Preisanpassungen nach unten geben muss oder sogar gar kein Käufer gefunden wird. Da der Immobilienmarkt im Allgemeinen langsamer reagiert als der Finanzmarkt, machen sich diese Auswirkungen bisher erst leicht bemerkbar.
Für Immobilienmakler ist es jetzt wichtig, die Verkäufer über die aktuelle Marktsituation aufzuklären und eine klare Bedarfsanalyse zu erstellen. In ihr sollten dessen Wünsche, Ziele und Bedürfnisse klar erfasst sein. Mit diesem Wissen können Immobilienprofis den Verkäufer hinsichtlich der Zielvorstellungen für die Immobilie beraten und darüber hinaus Wege aufzeigen, wie der Preis durch eine optimale Präsentation, Verkaufsvorbereitung oder auch effiziente Objektoptimierungen erhöht werden kann. Maklerunternehmen, die dem Eigentümer in diesem Zusammenhang umfangreiche individuelle Dienstleistung bieten und klare Einkaufsprozesse haben, werden weiterhin von vollen Auftragsbüchern profitieren.
Auch international ist der Markt in Bewegung. Laut eines Reports von MSCI über die Größe der Immobilienmärkte ist der US-Markt 2021 um 12,9 Prozent auf 4,6 Billionen US-Dollar gewachsen. In der EMEA-Region, also Europa, dem Mittleren Osten und Afrika hingegen nur um 5,5 Prozent auf 3,8 Billionen US-Dollar. Dies ist in erster Linie auf die Aufwertung des
US-Dollars gegenüber den jeweiligen Landeswährungen zurückzuführen. Da der US-Dollar gegenüber dem Euro aktuell weiter Boden gut macht, dürfte sich dieser Effekt im Laufe des
Jahres 2022 weiter verstärken. Dennoch sind auch an den internationalen Immobilienmärkten die Auswirkungen des Weltgeschehens im ersten Halbjahr 2022 spürbar.
Aktuell können wir einen Trend dahingehend erkennen, dass Kaufinteressenten vermehrt Anlagemöglichkeiten in den USA nachfragen. Als Gründe sind hier der eben genannte stärker werdende Dollar und die entspanntere Situation im Energiebereich in den USA zu nennen. Auch Immobilien in den beliebtesten Urlaubsländern der Deutschen, Italien und Spanien, sind bei den Käufern momentan hoch im Kurs. Ferienimmobilien als rentables Investment und der Verzicht auf Urlaub durch die Pandemie könnten hier die Gründe sein.
Auf lange Sicht denke ich, dass die Preise insbesondere in urbanen Gegenden eher stabil auf dem aktuell hohen Niveau bleiben, da noch immer eine starke Kaufnachfrage am Markt besteht. Laut dem MSCI-Report lag Deutschland hinsichtlich der Marktgröße 2021 auf einem starken fünften Platz weltweit und in Europa auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien und bleibt damit für Immobilienkäufer interessant. Darüber hinaus werden Neubauten aufgrund hoher Baukosten, steigender Bauzinsen und wachsendem Arbeitskräftemangel stagnieren.
Kaufinteressenten, die sich einen Neubau nicht mehr leisten, jedoch nicht warten können, werden auf Bestandsimmobilien wechseln.