- Wenige große Deals in Österreich – Experten sprechen von „Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau“
- Kaufpreisentwicklung ist in fast allen Immobiliensegmenten stabil – Steigerung lediglich vereinzelt erwartet
- Konzentration auf Wien klingt ab – Graz im Aufwind
- Digitalisierung löst demografischen Wandel als einflussreichsten Megatrend ab
- Co-Working-Spaces, Serviced Apartments und Mikroapartments zunehmend beliebter
Das sind Ergebnisse des Trendbarometers Immobilien-Investmentmarkt 2019 der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Dafür wurden rund 50 Immobilieninvestoren befragt, die in den vergangenen Jahren am österreichischen Immobilienmarkt aktiv waren.
Wie bereits im Vorjahr werden das Umfeld für die Immobilienwirtschaft und die steuerlichen Rahmenbedingungen für Immobilientransaktionen im Wesentlichen auch im Jahr 2019 stabil bleiben, sind sich 92 Prozent der Studienteilnehmer einig. Aufgrund des Anlagedrucks vieler Investoren und einer stabilen Wirtschaft sehen sie Österreich weiterhin als Vermieter- und Verkäufermarkt.
„Der aktuelle Immobilienmarktzyklus ist bereits fortgeschritten und von einem Angebotsmangel geprägt. Infolgedessen sind Kapazitätsengpässe im Baugewerbe zu beobachten“, sagt Alexander Wlasto, Partner und Sector Leader Real Estate bei EY Österreich. „Für den überwiegenden Anteil der Investoren ist das jedoch kein Grund zu verzagen. Sie zeigen sich flexibel und passen ihre Strategien an das Marktumfeld an“. Das spiegelt sich auch im Investitionsverhalten wider: Investitionen in den eigenen Bestand gewinnen für 84 Prozent der Investoren an Bedeutung gegenüber Zukäufen.
Auch transaktionsseitig zeigt sich die strategische Anpassung der Investoren: Der Verkauf bzw. selektive Ankauf ist jeweils für eine deutliche Mehrheit der Befragten die bevorzugte Investmentstrategie im „Late Cycle“ (82% bzw. 91%). „Diese strategischen Präferenzen sind folgerichtig“, so Wlasto. „Für das Transaktionsvolumen 2019 erwarten 65 Prozent der Investoren eine Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau. Die horizontale Orientierung, zeigt, dass große Transaktionen fehlen.“
Preisstabilisierung in allen Segmenten
Bereits 2018 war der österreichische Transaktionsmarkt von einem Nachfrageüberhang, einem hohen Preisniveau und mittelgroßen Deals gezeichnet. Die Ausnahme bildete die Übernahme der Möbelhauskette Kika/Leiner durch die Signa Group.
„Die größte Übernahme stellt mit einer kolportieren Transaktionssumme von rund einer halben Milliarde Euro einen Sondereffekt dar, der das Einzelhandelssegment auf den Spitzenplatz katapultierte“, so Erich Sorli, Partner bei EY Österreich. „Dieser Sondereffekt sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im vergangenen Jahr eher Stagnation für das Retailsegment erwartet wurde. Insofern lässt sich festhalten, dass sich der Vorjahrestrend auch 2019 fortsetzt.“
Lediglich in den 1c-Lagen erwartet ein überwiegender Anteil (64 %) der Investoren fallende Preise für Einzelhandelsimmobilien. Für das Jahr 2019 werden sowohl im Segment Büro als auch für Einzelhandelsimmobilien in den 1a- (je 68 %) und 1b-Lagen (72% und 56 %) stagnierende Preise erwartet.
Etwas mehr Potential erkennen die Befragten hingegen in den Segmenten Logistik und Hotel. In Bestlagen werden für Liegenschaften dieser Assetklassen von über der Hälfte der Befragten (54 bzw. 60 %) weiterhin Preisanstiege erwartet. „In der Gegenüberstellung von Einzelhandels- und Logistikimmobilien lässt sich deutlich der wachsende Einfluss des E-Commerce erkennen“, so Sorli. „Während Einzelhandelsobjekte in schwächeren Lagen tendenziell leiden, profitieren Logistikimmobilien, die das Rückgrat des Online-Handels bilden.“
Der Trend steigender Preise im Wohnsegment wird sich im Jahr 2019 insbesondere in 1a- und 1b-Lagen fortsetzen, meinen 64 bzw. 60 Prozent der Befragten. Diese Einschätzung stellt eine erwartete Stabilisierung der Preise dar: Im Vorjahr erwarteten noch 83 Prozent der Teilnehmer Preissteigerungen in 1a-Lagen. Lediglich in Peripherie-Lagen geht die Mehrheit der Befragten (68 %) von gleichbleibenden Preisen aus.
In einzelnen Segmenten gehen Investoren dennoch von weiteren Preissteigerungen aus: Bei Logistikimmobilien in guten Lagen wird es für Käufer voraussichtlich teurer. Ähnliches gilt für Hotelimmobilien an Top-Standorten, wobei zwei Drittel der Befragten (78 %) generell von einer Annäherung der Renditen zwischen Hotels und Büros ausgehen.
Konzentration auf Wien klingt ab – Graz im Aufwind
„Wie bereits im Vorjahr bleiben Wohnimmobilien in allen Landeshauptstädten der Republik die bevorzugte Assetklasse“, sagt Wlasto. „Eines bleibt trotz der relativ hohen Attraktivität des Wohnsegments allerorts bemerkenswert: In Eisenstadt sinkt das Interesse der Befragten an Wohnobjekten von 75 auf nun 40 Prozent, gleichzeitig verschiebt sich der Fokus zu Gunsten von Büroimmobilien. Und auch in Graz und Klagenfurt bekundet jeweils rund ein Drittel der Befragten ihr steigendes Interesse an der Assetklasse Büro.“
Im Bürosegment liegt der Investorenfokus mit 41 Prozent zwar weiterhin auf Wien – im Vorjahresvergleich entspricht dies jedoch einem Rückgang um 20 Prozent. Linz und Graz steigen währenddessen in der Gunst der Umfrageteilnehmer. Zogen die Büromärkte dieser Standorte 2018 jeweils nur neun Prozent der Befragten vor, so sind es in diesem Jahr bereits jeweils 14 Prozent. Die steirische Hauptstadt kann für 2019 zudem mit einem hohen Interesse an Retailobjekten rechnen: 40 Prozent der Umfrageteilnehmer interessieren sich für Einzelhandelsinvestments in Graz (2018: 17 %). In der Bundeshauptstadt hingegen scheint der Retail-Investmentmarkt recht gesättigt und wird lediglich von zehn Prozent der Investoren fokussiert (2018: 22 %).
Digitalisierung überholt demografischen Wandel als einflussreichster Megatrend
Alle befragten Investoren waren sich in ihrer Einschätzung einig, dass die Digitalisierung im nächsten Jahrzehnt der einflussreichste Megatrend für den österreichischen Immobilienmarkt sein wird. Damit überholt die Digitalisierung zum ersten Mal den demografischen Wandel, den immerhin 92 Prozent der Umfrageteilnehmer als einflussreichen Megatrend beurteilen. Mit 87 Prozent Zustimmung erhielt zudem auch der Einfluss der Zinspolitik hohe Zustimmungswerte.
„Das Thema Digitalisierung ist in der Immobilienwirtschaft spätestens jetzt endgültig angekommen“, sagt Wlasto. „Es hapert jedoch noch an der Umsetzung.“ Insgesamt 87 Prozent der Befragten sehen in der Digitalisierung das Potential einer höheren Transparenzschaffung in Transaktions- und Bewertungsprozessen. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer sind auch der Meinung, dass in der Immobilienwirtschaft Tätigkeitsfelder wie Rechnungswesen oder Vermittlung mittels Digitalisierung effizienter gestaltet werden können. Mehr als neun von zehn Befragten beurteilen die Umsetzung konkreter Digitalisierungsprojekte jedoch als sehr schleppend. „Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch weit auseinander. In Sachen Digitalisierung ist noch viel Luft nach oben. Das hat die Immobilienwirtschaft aber mittlerweile erkannt“, so Wlasto.
Auf die Assetklassen heruntergebrochen erwarten sich die Investoren positive Effekte der Digitalisierung insbesondere auf Logistik- bzw. Industrieimmobilien. Stärker in den Investmentfokus rücken demnach Zentrallager für 80 Prozent der Befragten, Last-Mile-Storage-Produkte (65 %) und Rechenzentren (66 %). Ein gegensätzliches Bild zeigt sich hingegen bei Retailprodukten: Sogar für High-Street-Objekte erwarten 2019 lediglich 40 Prozent ein zunehmendes Interesse, obwohl diese Kategorie als relativ immun gegen den wachsenden Umsatzanteil des E-Commerce gilt.
Im Bürosegment erwarten alle Investoren einen stärkeren Fokus auf Co-Working-Spaces. 59 Prozent der Befragten gehen zudem davon aus, dass dezentrale Lagen profitieren: Diese könnten durch eine entsprechende Gebäudekonnektivität gewinnen, die für 92 Prozent der Umfrageteilnehmer künftig ebenso wichtig werde wie die Lage selbst. Im Wohnsegment hingegen erwarten die Investoren einen stärkeren Fokus auf Serviced Apartments (90%) und Mikroapartments (87 %). „Beide Produktkategorien können – wie auch schon die Co-Working-Spaces im Bürosegment – von einem mit der Digitalisierung einhergehenden veränderten Nutzerverhalten profitieren“, sagt Wlasto. „Flexible Nutzungsmodelle, pauschale Serviceangebote und der ‚Sharing-Gedanke‘, der in allen Lebensbereichen Einzug hält, werden selbstredend auch für die Nutzer von Immobilien immer wichtiger und stärker nachgefragt.“