In einer Welt, die ständig im Wandel ist, blieb eine Sache jahrelang beständig: das Potenzial des Immobilienmarkts als lukrative Investitionsmöglichkeit. Durch die Pandemie und den Anstieg der Rohstoffpreise veränderte sich jedoch die europäische Immobilienlandschaft in den letzten Jahren drastisch und erinnerte zeitweise an die große Krise von 2008. Mit gestiegenen Bauzinsen und erschwerten Kreditbedingungen konnte sich der Markt von den Strapazen der letzten Jahre noch nicht gänzlich erholen. Doch die Bevölkerung wächst weiter und besonders in Metropolen wie Wien, Graz und Salzburg steigt permanent die Nachfrage nach Wohnraum. Immobilien sind dabei nicht nur für Eigenheimbesitzer:innen spannend, sondern eröffnen auch Anleger:innen vielfältige Chancen.
Eine starke Nachfrage während Corona, dann die steigenden Zinsen und die hohen Baukosten – in den letzten Jahren wurden in Österreich weniger Immobilien gekauft. Doch wer mietet, muss tief in die Tasche greifen: Um 6,6 Prozent stiegen die Mieten in Österreich Anfang 2024 im Vergleich zum Vorjahr[1]. Seitens der Unternehmen kam es zu einer Reihe an Insolvenzen, die wohl bekannteste unter ihnen jene der Signa. Dennoch wird dem Immobiliensektor seit jeher eine hohe Stabilität nachgesagt und Investor:innen rechnen nach wie vor mit einer beständigen Wertsteigerung. Doch ist das in Anbetracht der strauchelnden Bau- und Immobilienunternehmen überhaupt noch realistisch?
Seitwärtsbewegung statt Abwärtsspirale
„Der Immobilienmarkt in Österreich zeigt derzeit ein gemischtes Bild. Nachdem wir in den letzten Jahren eine Phase starker Preissteigerungen erlebt haben, sehen wir momentan eine leichte Korrektur. Trotzdem bleibt die langfristige Prognose für den österreichischen Markt positiv," erklärt Hans Selleslagh von Freedom24. So wird der Immobilienmarkt in Österreich in diesem Jahr voraussichtlich einen Wert von 2,6 Billionen Euro erreichen, wobei der Wohnimmobiliensektor mit rund zwei Billionen Euro den größten Anteil ausmacht. „Zwischen 2024 und 2028 wird ein jährliches Wachstum von 3,6 Prozent prognostiziert, das den Markt bis 2028 auf drei Billionen Euro anwachsen lassen könnte“, fährt Selleslagh fort. Die Digitalisierung im Immobiliensektor schreitet ebenfalls voran, sichtbar in der zunehmenden Nutzung von PropTech-Lösungen. Auch der Trend zu flexiblen Arbeitsmodellen zeigt große Auswirkungen: Wohn- und Arbeitsräume verschmelzen zunehmend, was zu einer erhöhten Nachfrage nach multifunktionalen Immobilien führt.
Luxus und Nachhaltigkeit liegen im Trend
Laut Selleslagh sind die Preise für Wohnimmobilien in Österreich im vierten Quartal 2023 deutlich gesunken, wobei der nationale Index im Jahresvergleich um 2,3 Prozent fiel – in Wien sogar um drei Prozent. „Das ist der schärfste Rückgang seit 2001. In den übrigen Teilen Österreichs sanken die Preise für Wohnimmobilien im Jahresvergleich um 1,9 Prozent“, so der Experte. Sinken die Immobilienpreise österreichweit, lässt sich in der Hauptstadt derzeit ein Trend identifizieren: „In Wien sehen wir aktuell einen signifikanten Anstieg der Nachfrage nach Luxusimmobilien, die durch die Zinssenkungen noch verstärkt wird", verrät der Investmentprofi. Neben dem Luxussegment eröffnen sich auch Chancen, die sich vermehrt auf nachhaltige Lösungen konzentrieren. Durch den Anstieg der Energiepreise in den letzten Jahren, sind vor allem energieeffiziente Gebäude gefragt. Eine Einbeziehung von ESG-Prinzipien in Anlageentscheidungen, kann demnach bei zukünftigen regulatorischen Entwicklungen und Veränderungen der Mieterbedürfnisse unterstützend wirken.
Urbanisierung als Schlüsselfaktor für Marktaufschwung
Auch wenn die Mieten gestiegen sind: Die Nachfrage nach Wohnraum ist nach wie vor hoch, was insbesondere am kontinuierlichen Zuzug liegt. Dieser ist in urbanen Gegenden am stärksten, in den kommenden 30 Jahren soll Wien um 300.000 Menschen wachsen. „Diese Entwicklung kann zu steigenden Immobilienwerten in begehrten Stadtvierteln führen und die Bilanzen von Immobilienunternehmen stärken“, so der Experte. Gleichzeitig wird auch seitens des Staates viel in die Entwicklung, Infrastruktur und Revitalisierung von Großstädten investiert, um den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. „Immobilienunternehmen, die in stark nachgefragten städtischen Märkten tätig sind, können demnach im Rahmen der langfristigen Urbanisierungstrends für Anleger:innen von Interesse sein. Beispielsweise verwaltet Unibail-Rodamco-Westfield ein Portfolio führender Einkaufszentren und Büroflächen in europäischen Großstädten“, meint Selleslagh. Die Aktie stürzte zu Beginn der Coronapandemie drastisch ab und konnte sich seitdem nicht mehr gänzlich erholen, wenn auch der Kurs seit einem Jahr wieder bergauf verläuft.
Lohnen sich Immo-Aktien nun wieder?
Auch Vonovia, das größte private Wohnimmobilienunternehmen in Deutschland, hatte die letzten Jahre zu kämpfen. „Die Immobilien von Vonovia sind strategisch in städtischen Zentren gelegen, wodurch wiederum von einer langfristigen Wertsteigerung ausgegangen werden kann“, erklärt der Börsenexperte. Die Aktie des Bochumer Unternehmens legte zuletzt wieder zu – Hintergrund ist die zurückgekehrte Hoffnung der Anleger:innen auf sinkende Zinsen. Selleslagh führt aus: „Sowohl in Europa als auch in den USA wird zukünftig mit niedrigeren Zinssätzen gerechnet, die voraussichtlich positiven Bewertungen von Immobilienunternehmen zugutekommen werden.“ Zudem verweist er auf das Potenzial einzelner Sektoren, wie Logistikimmobilien, die durch den boomenden Onlinehandel befeuert werden: „Wir sehen, dass Industrieimmobilienwerte wie Segro widerstandsfähiger sind.“ Insgesamt gibt es Anzeichen vorsichtiger Zuversicht am Immobilienmarkt, wenn auch die Nachwehen der letzten Jahre noch zu spüren sind. Die weitere Zinsentwicklung wird mitunter entscheidend sein, wie rasch sich die Branche wieder revitalisieren kann. „Investor:innen sollten demnach einen geduldigen Ansatz verfolgen und sich auf Sektoren konzentrieren, die Stabilität zeigen, wie Wohnimmobilien und Logistik, während sie auf Nachhaltigkeit und Innovation achten“, rät der Experte abschließend.