Zum Sommerbeginn ist der Grundtenor jedenfalls optimistisch. Obwohl für das Gesamtjahr 2021 noch mit einem kräftigen Umsatzminus zu rechnen ist – fast die Hälfte der Handelsunternehmen rechnet mit einem Umsatzminus von durchschnittlich vier Prozent – sind die Erwartungen für die weitere Entwicklung sehr positiv: Generell wird davon ausgegangen, dass Corona keine größeren Verwerfungen für den Einzelhandel mehr bringen und auch die wachsende Konkurrenz durch den Onlinehandel nicht mehr als so bedrohlich empfunden wird wie in den herausfordernden Coronazeiten. Das liegt vor allem an der raschen Rückkehr der Kauflaune der Konsumenten, die offenbar lange vermisste Shoppingtouren nachholen wollen, was laut WIFO in einem Zuwachs des privaten Konsums um fünf Prozent resultieren wird. Die rasche Entwicklung von HybridKonzepten, bei denen Online und OfflineHandel symbiotisch verbunden werden, trägt ebenfalls zur Verbesserung der Perspektiven bei.
Auch die Öffnung der Gastronomie wirkt sich positiv aus, weil sie zu einer längeren Verweildauer in Einkaufszentren und Einkaufsstraßen beiträgt. Schwächere Umsätze verzeichnen allerdings noch die Branchen bzw. Händler, die stark vom internationalen Tourismus abhängig sind. Zuletzt setzte zwar eine gewisse Erholung ein und Ende Juni stieg die Bettenauslastung in Wiener Hotels binnen einer Woche immerhin um neun Prozentpunkte auf 27 Prozent, doch ist man von einer normalen Buchungssituation im Städtetourismus noch weit entfernt.
Flächennachfrage
Die verbesserte Stimmung schlägt sich bereits sehr deutlich in steigender Nachfrage nach Einzelhandelsflächen nieder. Damit setzte sich im Jahresverlauf eine bereits im Winter spürbare Entwicklung fort: Für freiwerdende Flächen (an zukunftsfähigen Standorten) gibt es in der Regel Interessenten, die Leerstände als Chance für eine Expansion in attraktiven Lagen betrachten. Das spektakulärste Beispiel dafür ist die polnische Pepco, die den Großteil der Filialen der Österreich verlassenden CCC übernimmt und darüber hinaus zusätzliche Standorte sucht.
Die Nachfrage kommt mittlerweile aus vielen Richtungen. Zahlreiche Standorte werden derzeit von OnlineSupermärkten für die rasche Auslieferung von Waren gesucht, beispielsweise wurde kürzlich von einem internationalen OnlineSupermarktkonzept eine Fläche im 3. Wiener Gemeindebezirk angemietet. Zusätzliche Flächen werden auch von der sehr gut performenden Sportartikelbranche nachgefragt. Dabei sorgt der Fahrradboom dafür, dass verstärkt auch Standorte für reine Bikestores angemietet werden. So konnte EHL kürzlich (in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen Recondo und Coore) ein prominent gelegenes Geschäftslokal am Schottenring an den niederländischen EBikeSpezialisten QWIC vermitteln. Ebenfalls starke Nachfrage gibt es seitens Diskonter wie TEDi, Action oder KiK. In steigendem Maß nutzen auch Dienstleister klassische Einzelhandelsflächen. Diese können damit ihre Sichtbarkeit verbessern und so ihre Marke stärken. Ein Beispiel dafür ist der Personaldienstleister Trenkwalder, der auf Vermittlung der EHLRetailabteilung eine Erdgeschoßfläche im THE ICON Vienna übernimmt.
Profitieren können von der steigenden Nachfrage erfreulicherweise nicht nur die ohnehin starken Standorte wie Mariahilfer Straße und Innenstadt, sondern durchaus auch mittelgroße Einkaufs und Fachmarktzentren sowie Einkaufsstraßen mit lokaler Bedeutung. Auffällig ist, dass es oft zu größerer Vielfalt kommt, etwa indem in höherwertigen Lagen Flagshipstores von weniger hochpreisigen Marken entstehen.
Ebenfalls sehr expansiv unterwegs ist wieder die Gastronomie. Quantitativ dominieren hier internationale Ketten / Konzepte, die österreichweit wieder verstärkt Standorte in den Landeshauptstädten suchen. Aber auch heimische Gastronomen setzen wieder auf Wachstum. So mietete kürzlich nach Vermittlung von EHL das bisher nur in der Währinger Straße vertretene Café Le Marché eine Fläche in der Lindengasse (7. Bezirk) an. Im Fokus stehen dabei die klassischen Ausgehzonen wie beispielsweise in Wien die Bezirke innerhalb des Gürtels.
Diesen positiven Entwicklungen stehen allerdings auch bedeutende Flächenreduktionen gegenüber. Besonders stark ausgeprägt ist diese Tendenz im Textilhandel und branchenübergreifend bei Großflächen von 2.500 m2 bis 3.000 m2. Hier stehen die Zeichen weiterhin auf Kostenreduktion, Filialen werden verkleinert und Filialnetze ausgedünnt.
Flächenbestand
So aktiv sich die Nachfrage präsentiert, so ruhig ist das Geschehen auf der Angebotsseite. Die Produktion von Neuflächen befindet sich auf einem sehr niedrigen Niveau, die wenigen Neuentwicklungen sowie Flächen, die im Rahmen gemischt genutzter Objekte (insbesondere mit Schwerpunkt Wohnen) entstehen, können den Abbau von Flächen durch Umnutzung oder Schließung nicht ausgleichen.
Das heißt aber nicht, dass es keine Investitionen in Einzelhandelsflächen gibt. Vielmehr werden in beachtlichem Ausmaß Modernisierungen und Verbesserungen durchgeführt. Letztlich werden auch beim spektakulärsten Projekt, der Errichtung eines Kaufhauses nach Vorbild des Berliner „KaDeWe“ samt Hotel und Park am Dach in der Mariahilfer Straße, keine zusätzlichen Flächen geschaffen, da es an die Stelle des früheren Möbelhauses Leiner tritt.
Die aktuelle Entwicklung trägt jedenfalls dazu bei, dass die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Einzelhandelsfläche/Einwohner in Österreich auf ein gesünderes Maß sinkt. Zudem sorgt sie dafür, dass in den Bestandsobjekten an guten Standorten nur geringe Leerstände zu verzeichnen sind.
Mietentwicklung
Die Nominalmieten für Einzelhandelsflächen an guten bzw. sehr guten Standorten haben sich auch im zweiten Quartal wenig verändert. Die Verbesserung des Einzelhandelsklimas schlägt sich eher darin nieder, dass die während der Pandemie deutlich gestiegene Bereitschaft, den Mietern bei Vertragsverlängerungen und bei Neuanmietungen mit diversen Unterstützungen – mietfreie Zeiten, Zuschüsse für Umbau etc. – entgegenzukommen, langsam wieder abnimmt.
Flächensuchende Unternehmen, die die Zeit vor einer endgültigen Coronaentwarnung für den Abschluss günstiger Neuverträge nutzen wollen, haben jedenfalls mittlerweile keine guten Karten mehr. Das gilt insbesondere für die Bestlagen, die zwar durch den noch immer weitgehend fehlenden Städtetourismus beeinträchtigt sind, in denen Flächen aber weiterhin zu Spitzenwerten von € 300 bis 500/m2 (am Graben bzw. am Kohlmarkt) angeboten werden. Das kann als klares Indiz für eine rasche Erholung nach Ende der Pandemie gewertet werden.
Ausblick
Zu Beginn des zweiten Halbjahrs 2021 fällt der Ausblick auf den österreichischen Markt für Einzelhandelsimmobilien so positiv aus wie schon lange nicht. Zahlreiche internationale Ketten aus den unterschiedlichsten Branchen – u.a. auch wieder verstärkt aus dem Luxusgüterbereich – und österreichische Einzelhändler suchen neue Flächen. Die Nachfrage aus der Gastronomie ist stark und das Interesse an Alternativnutzungen für nicht mehr marktfähige Retailflächen (z.B. für Shared Space Offices, Dienstleistungen, Ordinationen, Hospitality) ist deutlich höher als vor der Pandemie. Daher ist tendenziell mit sinkenden Leerstandsraten in ALagen und jedenfalls einem stabilen Mietenniveau zu rechnen.
Die spannendste Einzelentwicklung in diesem Jahr ist zweifellos der Start des ersten IKEACityStores am Westbahnhof. Wenn das Konzept aufgeht, wäre das sicher ein Signal für andere Möbelhändler, aber auch weitere Branchen. Statt wie derzeit vor allem auf Großflächen an der Peripherie zu setzen, könnten diese in Zukunft stärker Standorte in zentralen Stadtlagen suchen. Darüber hinaus ist das „hus“ ́, wie IKEA seinen neuen Store nennt, auch eine Chance für die Äußere Mariahilfer Straße, wieder etwas stärker an den nachhaltigen Erfolg der Inneren Mariahilfer Straße anzuknüpfen und somit Österreichs wichtigste Einkaufsstraße zu „verlängern“.