Angesichts des herausfordernden Marktumfelds ist das Immobilienklima im zweiten Quartal 2022 deutlich zurückgegangen. Alle Nutzungsarten verzeichneten seit Mai 2022 einen Einbruch. Das schlage sich auch am Immobilieninvestmentmarkt nieder, der bis auf den Healthcare-Sektor von deutlicher Zurückhaltung geprägt sei. Sollte die Gasversorgung in der zweiten Jahreshälfte gesichert sein, geht Florian Wenner, Senior Researcher, Primonial REIM Germany, jedoch von einer Erholung der Märkte aus: „Man kann davon ausgehen, dass sich die Investoren dann zunehmend auf die veränderten Rahmenbedingungen mit höheren Zinsen und gestiegenen Anfangsrenditen einstellen und wieder verstärkt investieren werden.“ Bei Projektentwicklungen sei aufgrund der schwer kalkulierbaren Baukosten aber auch dann weiter mit investorenseitiger Zurückhaltung zu rechnen.
Büroimmobilien
Der Büromarkt habe sich im zweiten Quartal 2022 zweigeteilt präsentiert. Auf der einen Seite herrsche auf dem Investmentmarkt aufgrund von Rezessionsängsten, gestiegenen Fremdkapitalzinsen und Baukosten aktuell große Zurückhaltung. Das drücke sich in der moderat gestiegenen Bürospitzenrendite (+15 Basispunkte) aus. Auf der anderen Seite zeigten sich die Vermietungsmärkte dynamisch und insbesondere in den Top-7-Städten wurden höhere Büroflächenumsätze und teilweise gestiegene Büromieten verzeichnet. Ein zunehmend wichtiges Thema seien die Energiekosten und die Energieeffizienz. „Die förmlich explodierten Kosten für Strom und Wärmeenergie erhöhen den Druck für Eigentümer, sich mit dem energetischen Zustand des Gebäudes auseinanderzusetzen, und für die Mieter, sich mit den eigenen Verbräuchen zu beschäftigen“, so Wenner. Das biete Chancen für ein aktives Asset Management. Für das zweite Halbjahr geht Wenner weiterhin von einer gewissen Investorenzurückhaltung aus – und einer Polarisierung an den Vermietungsmärkten: „Hohe Nachfrage nach zentralen, flexiblen und energieeffizienten Flächen auf der einen, Leerstandsanstieg für Gebäude in Randlagen mit veralteter Flächengestaltung auf der anderen Seite.“
Wohnimmobilien
„Der Wohnungsmarkt zeigt sich bisher sehr stabil. Gerade für energieeffiziente Bestandsgebäude ist mit hoher Nachfrage zu rechnen“, sagt Wenner. Zwar sei in diesem Quartal deutlich weniger institutionelles Kapital in die Assetklasse geflossen. Mit rund 7 Milliarden Euro Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr nehme die Assetklasse aber die Spitzenposition ein. Die Spitzenrenditen seien indes aufgrund der höheren Zinsen um moderate 10 Basispunkte angestiegen. Wenner geht von einem weiteren Renditeanstieg im zweiten Halbjahr aus. Die explodierenden Energiekosten könnten allerdings Schwellenhaushalte unter Druck setzen und in dem ohnehin stark regulierten Markt weitere Mietsteigerungen erschweren. „Bei Projektentwicklungen, insbesondere mit Forward Funding-Strukturen, wird es zukünftig schwerer, Investoren zu finden“, ergänzt der Senior Researcher.
Handelsimmobilien
Nach einem vergleichsweise guten ersten Quartal verzeichneten Handelsimmobilien ein schwächeres zweites Quartal. Mit 2,7 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2022 sei insgesamt weniger Geld in deutsche Handelsimmobilien als in den letzten Jahren im Vergleichszeitraum investiert worden, rund ein Drittel davon von ausländischen Investoren. Die Spitzenrenditen seien stabil geblieben. Neben strukturellen Problemen für einige Einzelhandelsbranchen wirkten sich die hohen Inflationsraten negativ auf den Privatkonsum aus und dämpften den erwarteten Nachholeffekt. Hinzu kämen Personalsorgen. „Einzelhandelsimmobilien bleiben auch in den kommenden Monaten eher etwas für opportunistische Investoren. Dagegen gewinnen Mixed-Use-Gebäude mit attraktiven Einzelhandelsflächen an Bedeutung“, hebt Wenner hervor.
Gesundheitsimmobilien
Als relativ konjunkturunabhängiger Markt profitiere der Healthcare-Markt in ökonomisch unsicheren Zeiten besonders von einer hohen Nachfrage. Allerdings schränke das knappe Angebot den Spielraum für Transaktionen ein. „Es ist damit zu rechnen, dass die angespannte Situation für Projektentwickler die Bautätigkeit von Seniorenheimen erschweren und die Angebotsknappheit somit weiter verstärken wird“, unterstreicht Wenner und verweist auch auf die gestiegenen Baukosten. Insgesamt sei daher in den nächsten Monaten mit einer Seitwärtsbewegung bei den Kaufpreisfaktoren zu rechnen. Aufgrund der gestiegenen Kosten könne es zudem zu Liquiditätsengpässen auf Betreiberseite kommen. Dennoch lag das Transaktionsvolumen mit 0,9 Mrd. Euro im ersten Halbjahr als einzige der Assetklassen oberhalb des Vorjahresniveaus.
Hotelimmobilien
„Investorenseitig ist weiterhin hohe Zurückhaltung zu spüren“, sagt Wenner. Das drücke sich in dem sehr geringen Transaktionsvolumen von rund 500 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2022 aus. Der Hotelsektor befinde sich nach wie vor in einer späten Phase des Erholungszyklus. „Die Auslastungen und Buchungszahlen befinden sich zwar im Aufwind, allerdings haben die hohen Inflationsraten in einigen Fällen zur Kürzung des Urlaubsbudgets geführt, sodass nicht alle in den Hotelbetrieben angedachten Preisaufschläge durchsetzbar sein werden.” Opportunistischen Investoren würden sich aber attraktive Investitionschancen für Objekte in zentralen Lagen zu erschwinglichen Preisen bieten. Gefragt seien vor allem Objekte mit guten wirtschaftlichen Betreiberdaten und hohen ESG-Standards.
Logistikimmobilien
Auch im zweiten Quartal bleibe Logistik eine stark nachgefragte Assetklasse. Das im Vergleich zu den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 leicht niedrigere Transaktionsvolumen von rund 3,4 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2022 sei auf die zunehmende Angebotsknappheit zurückzuführen. Insbesondere bei ausländischen Investoren erfreue sich Logistik einer großen Beliebtheit. Wenner sieht indes eine Trendwende bei den Renditen – die seit vielen Jahren anhaltende Renditekompression sei vorläufig gestoppt. „Die Hauptursache sind die gestiegenen Finanzierungszinsen, die viele Investoren zu einer Neukalkulation ihrer Businesspläne gezwungen haben“, so Wenner. Hinzu komme eine Zurückhaltung bei Projektentwicklungen, da diese besonders stark von Materialengpässen und steigenden Baukosten betroffen seien. Trotz der leicht getrübten Stimmung seien die Aussichten für das zweite Halbjahr damit aber weiterhin gut.