In den letzten Wochen des ersten Quartals kam es mit Beginn der Ausgangsbeschränkungen zu einem deutlichen Einbruch der Verwertungszahlen. Dabei spielten praktische Probleme wie die kaum mehr möglichen Besichtigungen ebenso eine Rolle wie die massive wirtschaftliche Verunsicherung der potenziellen Mieter und Wohnungskäufer.
Der Einbruch des Marktes war allerdings nicht so gravierend wie befürchtet, da recht rasch wieder eine leichte Aufwärtsentwicklung einsetzte, die sich im Verlauf des zweiten Quartals kontinuierlich fortsetzte und dazu führte, dass im Juni, nach der weitgehenden Aufhebung der Coronabeschränkungen, wieder nahezu „Business as usual“ herrschte. Auch die Zahl der mit Coronafolgen begründeten Stundungs- wünsche seitens der Mieter hielt sich in sehr engen Grenzen.
Geradezu symbolisch für die rasche Erholung des Marktes stand die blitzschnelle Etablierung von Online- Besichtigungen. Binnen weniger Tage wurden diese von zahlreichen Maklerunternehmen angeboten und von den Kunden auch gut angenommen. Diese Art der Immobilienpräsentation wird auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der Vermarktung bleiben.
Ebenfalls weit weniger gravierend als in der ersten Coronaphase befürchtet, waren die Verzögerungen beim Wohnungsneubau. Bei den meisten Baustellen gab es nur kurzzeitige Stopps oder Beeinträchti- gungen und bei einem Großteil der Projekte wurde die verlorene Zeit bereits wieder aufgeholt. Erheblich verspätete Fertigstellungen blieben absolute Ausnahmefälle ohne Auswirkungen auf den Gesamtmarkt. Insgesamt stellt die Coronaphase für den Wohnungsmarkt daher eine unerfreuliche Episode dar, die letz- ten Endes aber gezeigt hat, wie robust der Markt auch in Krisenzeiten ist.
Angebotsentwicklung2020 bringt dem Wiener Wohnungsmarkt den absoluten Höhepunkt des seit mittlerweile vielen Jahren anhaltenden Wohnbaubooms. Im Gesamtjahr werden rund 19.000 Wohnungen fertiggestellt werden, davon entfielen rund 9.000 auf die erste Jahreshälfte. Damit liegt das Angebot an zusätzlichen Wohnun- gen erstmals seit vielen Jahren über der durch die demographische Entwicklung (Bevölkerungswachstum, Verringerung der durchschnittlichen Haushaltsgrößen) bedingten, strukturellen Nachfrage.
Verantwortlich für die hohe Produktion ist vor allem eine Reihe von Großprojekten mit jeweils mehreren hundert Einheiten, die heuer in Vermarktung sind. Zu nennen sind hier beispielsweise das ehemalige
„Ensemble“ auf der Erdberger Lände oder aber das Projekt Südhang Oberlaa in Favoriten. Die Errichtung zusätzlicher Wohnungen in zentrumsnahen Lagen wird hingegen wegen der immer geringeren Verfügbar- keit geeigneter Liegenschaften und Objekte stagnieren.
Auch in diesem Jahr setzt sich die schon 2019 deutlich spürbare Verschiebung des Angebots von Eigen- tums- zu Mietwohnungen fort. Die starke Nachfrage seitens institutioneller, am Aufbau langfristiger Be- stände interessierter Investoren, die wegen hoher Liquidität und niedriger Zinsen auch sehr ambitionierte Preisniveaus akzeptieren, ist eine starke Motivation für Entwickler, eher auf Miete als auf den Eigentums- bereich zu setzen.
Ein besonders großer Anteil der heuer fertigwerdenden Wohnungen entfällt auf die nördlich der Donau gelegenen Bezirke Donaustadt und Floridsdorf.
NachfrageentwicklungIm Jahresvergleich ist die Zahl der vermieteten bzw. verkauften Wohnungen im ersten Halbjahr um rund 35 Prozent gesunken. Dieser Rückgang ist aber ausschließlich Verschiebungen im Gefolge der Coronakrise (fehlende Besichtigungsmöglichkeiten, Ausgangsbeschränkungen, Verzögerungen bei der Bearbeitung von Finanzierungsanfragen, etc.) geschuldet, während die grundsätzliche Nachfrage nach Wohnungen gleich- bleibend hoch ist.
Ungebrochen stark ist die Nachfrage nach Wohnungen in zentrumsnahen Lagen, auch die Entwicklungs- projekte in Transdanubien und die derzeit verstärkt auf den Markt kommenden Wohntürme werden gut angenommen. Noch Aufholpotenzial gibt es entlang der U-Bahn-Verlängerungen Richtung Süden. Hier zeigt sich ebenso wie vor längerer Zeit im Norden, dass es einfach einige Zeit dauert, bis sich die objektive Aufwertung einer Lage durch bessere Verkehrsverbindungen und gestärkte Infrastruktur auch in einer höheren Akzeptanz seitens der Wohnungssuchenden niederschlägt.
Preisentwicklung
Die dramatischen wirtschaftlichen Veränderungen der vergangenen Monate haben sich auf die Entwicklung der Wohnungspreise und Wohnungsmieten kaum ausgewirkt. Die Eigentumspreise sind äußerst robust. Im Jahresvergleich ist in guten, zentrumsnahen Lagen ein Anstieg um rund 3,0 bis 3,5 Prozent zu verzeichnen, in durchschnittlichen Lagen und in den Stadtentwicklungsgebieten um 2,0 bis 3,0 Prozent.Die Mietenentwicklung stagniert hingegen und insbesondere im höherpreisigen Segment ab etwa 12,5 EUR/m² erweisen sich die Erwartungen der Investoren in manchen Fällen mittlerweile als nicht marktkonform. Dafür ist aber nicht Corona verantwortlich, sondern das große Angebot hochwertiger Mietwohnungen, das aus heutiger Sicht das gesamte Jahr 2020 prägen wird.
Ausblick
Die kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven für den Wiener Wohnungsmarkt sind weiterhin sehr gut. Bereits im kommenden Jahr wird es deutlich weniger zusätzliche Wohnungen geben, was auch die Verwertungsdauer für Neuprojekte wieder sinken lassen wird. Verstärkt werden wird dieser Trend 2021 und 2022 durch einen erheblichen Rückstau bei der Bearbeitung von Widmungsansuchen und Ansuchen um Baubewilligungen, der in der Coronaphase entstanden ist.Mittel- und langfristig wird der Markt durch die demographische Entwicklung geprägt: Die stark gestiegene Zahl junger Menschen in der Stadt wird unvermeidlich über Jahre hinweg zu einem anhaltend starken Wachstum der Zahl der Haushalte führen. Ein nachhaltiger Bedarf nach zusätzlichen Wohnungen ist daher gesichert. Damit werden auch weitere (moderate) Steigerungen bei Preisen und Mieten einhergehen, wobei die Eigentumspreise noch für absehbare Zeit höhere Zuwachsraten als Mieten verzeichnen werden. Solange das aktuelle Zinsumfeld mit Negativzinsen Bestand hat, sind deutlich über der Inflationsrate liegende Preissteigerungen realistisch.Eher moderat sollten die längerfristigen Auswirkungen der Coronakrise bleiben. Im Gegensatz zu vielfach geäußerten Vermutungen, dass sich die Krise in deutlich geänderten Präferenzen bei der Wohnungssuche niederschlagen werde, zählen in der Praxis kaum andere Kriterien als zuvor. Einzige Ausnahme ist die Bedeutung von Freiflächen – der Wohnwert von Balkonen und Terrassen ist nach wochenlanger Zeit zu Hause noch offensichtlicher geworden.