Gedämpftes Bevölkerungswachstum einerseits und steigendes Angebot an zusätzlichen Wohnungen andererseits sorgten für eine weitere Abschwächung des Nachfrageüberhangs. Das schlug sich in einem recht moderaten Anstieg der Wohnungsmieten und einer zwar etwas stärkeren, aber keineswegs außergewöhnlichen Steigerung der Wohnungspreise nieder. Der in den vergangenen Jahren aufgebaute Nachfrageüberhang beginnt sich somit langsam abzubauen.
Sehr auffällig ist, dass im Neubau wieder deutlich mehr Mietwohnungen auf den Markt kommen. Das spiegelt das enorme Interesse institutioneller und großer privater Investoren an Investitionen in Wohnimmobilien wider. In erster Linie ist dies den sehr niedrigen Zinsen geschuldet, aber auch die Unsicherheit auf den Aktienmärkten lässt die Funktion dieses besonders stabilen Immobilien-Teilmarkts als „sicherer Hafen“ nach wie vor im Fokus stehen. Auch das Interesse privater Anleger am Kauf einzelner Wohnungen, die dann vermietet werden, ist ungebrochen hoch. Die Zahl der gleichsam offiziell als Vorsorgewohnungen erworbenen Wohnungen geht zwar zurück, das liegt aber vor allem daran, dass immer mehr Anleger auf den möglichen Vorsteuerabzug verzichten.
Im Bereich Altbauwohnungen nimmt die Verunsicherung der Investoren durch die restriktiveren Abbruch- regeln und die neue Lagezuschlagskarte wieder ab. Allerdings weicht sie einer gewissen Enttäuschung von Zinshausbesitzern und Entwicklern über die neuen Regelungen. Tendenziell führt das dazu, dass in diesem Marktsegment noch weniger unbefristete Mietverhältnisse eingegangen werden und ein noch größerer Anteil der Mietwohnungen befristet angeboten wird. Frei werdende Wohnungen werden darüber hinaus noch öfter als Eigentumswohnungen abverkauft.
Angebotsentwicklung
Im ersten Halbjahr (witterungsbedingt fast ausschließlich im zweiten Quartal) wurden heuer ca. 6.000 Wohnungen fertiggestellt. Mehr noch als in den Vorjahren dominierten dabei große Neubauprojekte, insbesondere in den Stadtentwicklungsgebieten. Die Fertigstellungszahlen im Bereich der Verbauung kleinerer Baulücken in zentralen Lagen litten etwas unter den knappen Baukapazitäten, derentwegen eine erhebliche Zahl von Projekten verschoben oder langsamer gebaut werden.
Zu den wichtigsten Wohnbauprojekten, die im ersten Halbjahr fertiggestellt wurden, zählten im Eigentumsbereich die Projekte Park Apartments am Arsenal mit mehr als 330 Wohnungen sowie SeeSee Home und SeeSee Living in der Seestadt Aspern mit mehr als 100 Wohnungen. Die größten Fertigstellungen im Mietsegment waren Projekte in der Engerthstraße mit 160 Wohnungen und in der Prager Straße mit 250 Einheiten. Nach dem Sommer werden u.a. das Projekt Amelie am Wienerberg mit 136 Eigentumswohnungen sowie rund 600 Mietwohnungen an der Erdberger Lände 36-38 auf den Markt kommen.
Nachfrageentwicklung
Das Bevölkerungswachstum hat sich nach der stürmischen Entwicklung der vergangenen Jahre zwar etwas verlangsamt, doch nachdem bereits 2018 die wichtige Marke von 1,9 Mio. Einwohnern überschritten wurde, sorgt die demographische Entwicklung weiterhin für die stärksten Impulse für den Wohnungsmarkt. Auch für heuer gehen die aktuellen Schätzungen von einem Zuwachs von rund 11.000 Personen aus, bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,0 Personen ergibt sich allein daraus ein Bedarf von 5.500 Wohnun- gen. Dazu kommt der anhaltende Trend zu sinkenden Haushaltsgrößen, dessen Effekt auf den Gesamtmarkt ebenfalls nicht unterschätzt werden darf. Bereits aus einer Verringerung der durchschnittlichen Haushalts- größe um 0,01 Personen resultiert daraus ein weiterer Zusatzbedarf von rund 4.000 Wohnungen.
Preisentwicklung
Auf dem Wiener Wohnungsmarkt ist derzeit keine einheitliche Preisentwicklung festzustellen. Der Bereich Wohnungsmieten ist weitgehend stagnierend, nur in guten Lagen mit eingeschränktem Neuflächenangebot sind leichte Zuwächse erzielbar, doch auch diese liegen mit rund 2,0 Prozent im wesentlichen im Bereich der Inflationsrate.
Deutlich dynamischer steigen hingegen die Kaufpreise für Eigentumswohnungen. Die anhaltend niedrigen Zinsen, die eine Finanzierung im Vergleich zu Mieten weiterhin recht günstig machen, tragen dazu ebenso bei wie die Angebotsverknappung durch die Verschiebung der Neuflächenproduktion in Richtung Mietobjekte. Im Jahresvergleich sind die Preise im Durchschnitt um rund 5,0 Prozent gestiegen, wobei der Zuwachs in den Zentrumsbezirken und in Gebieten mit traditionellem Wohnbestand deutlich stärker als in den Stadtentwicklungsgebieten an der Peripherie ausfiel.
Ausblick
In der zweiten Jahreshälfte 2019 und zum Jahreswechsel wird die aktuelle Fertigstellungswelle einen vorläufigen Höhepunkt erreichen. Die Eigentumsprojekte haben überwiegend bereits einen sehr guten Verwertungsstand erreicht, bei den Mietobjekten, die generell immer weitaus kurzfristiger vermarktet werden, wird die rasche Vermietung in diesem Herbst zu einem deutlichen Schwung am Wiener Mieten- markt führen. Allerdings werden in den restlichen Monaten 2020 wieder weniger Wohnungen fertiggestellt werden.
Auch an der Baupreisfront ist Entspannung in Sicht. Wenn die erwähnte Fertigstellungswelle abebbt, dürften sich auch die Kräfteverhältnisse zwischen Bauunternehmen und Entwicklern verschieben und dann sollte nach zwei bis drei Jahren die aktuelle Überhitzung wieder abgeflacht sein.
Die mittel- und langfristigen Perspektiven des Marktes bleiben wegen der aus heutiger Sicht noch für längere Zeit anhaltenden Niedrigzinspolitik der EZB sowie des nachhaltig positiven Bevölkerungssaldos jedenfalls positiv. Nennenswerte Leerstände zeichnen sich nicht einmal am fernen Horizont ab und Investitionen in den Wiener Wohnungsmarkt versprechen nach wie vor solide, wenn auch nicht spektakuläre Wertsteigerungen – das gilt für institutionelle Großanleger ebenso wie für private Käufer von Eigentums- und Vorsorgewohnungen.
Das betrifft in zunehmendem Maß auch die kleineren Immobilienmärkte im Umfeld der Bundeshauptstadt. Die stark gestiegenen Wohnungspreise in Wien, verbesserte Verkehrsverbindungen und die hohe Lebensqualität im Umland sorgen für deutlich höhere Nachfrage nach freifinanzierten Wohnungen im Wiener Speckgürtel. Besonders profitieren davon Bezirksstädte wie Baden oder Korneuburg, in denen man der Großstadt entfliehen kann und trotzdem gute urbane Strukturen (Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie und Freizeit) vorfindet.