1. Wohnungsmarkt
Aktuelle Situation
Nach einem Rückgang der Anfragen bezüglich Anmietung oder Kauf von Wohnungen zu Beginn der Coronakrise hat sich die Situation nach Ostern spürbar gebessert. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass schlicht wieder mehr Menschen Zeit und Ruhe haben, sich mit ihrer künftigen Wohnsituation auseinanderzusetzen, zum anderen lässt die schrittweise Lockerung der Maßnahmen auch eine gewisse Zuversicht zurückkehren. Die Gesamtzahl der Anfragen liegt dennoch weiter deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Die Zahl der Rücktritte von Kaufangeboten wegen wirtschaftlicher Probleme der Käufer ist bis jetzt auf einem niedrigen Niveau geblieben.
Sehr positiv ist auch, dass es, wenn überhaupt, bislang nur zu geringfügigen Verzögerungen von Fertigstellungen gekommen ist und Wohnungen weitestgehend zu den geplanten Terminen übergeben werden können. Für die Übergaben hat sich auch ein Prozedere eingespielt, das bestens im Einklang mit allen Präventionsmaßnahmen steht.
Im Bereich Vorsorgewohnungen hatte sich die Krise von Beginn an weniger stark ausgewirkt, da diese wegen der schweren Turbulenzen auf dem Aktienmarkt noch stärker als stabile Alternative zu anderen Veranlagungsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Hier bewegt sich die Zahl der Anfragen langsam wieder in Richtung des Niveaus aus dem Vorjahr.
Mittel- und langfristige Folgen
Immer klarer zeigt sich, dass die Krise vor allem auf die Angebotsseite recht deutlichen Einfluss haben wird. Gründe dafür sind Verzögerungen auf den Baustellen, spürbar längere Bearbeitungszeiten von Projekten auf Behördenseite, vor allem aber eine deutlich restriktivere Finanzierungspolitik seitens der Banken sowie große Vorsicht der Projektentwickler. Die für heuer erwartete Fertigstellung von 19.000 Wohnungen allein in Wien wird aus heutiger Sicht trotz aller Einschränkungen tatsächlich erreicht werden. Bei der Zahl der Baubewilligungen und damit den Fertigstellungen in den Jahren 2022 und 2023 wird es aber einen signifikanten Rückgang geben.
Nachfrageseitig werden steigende Arbeitslosigkeit und sonstige wirtschaftliche Verschlechterungen einen dämpfenden Effekt haben, aber der strukturelle Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum in städtischen Lagen wird dafür sorgen, dass dieser nicht allzu stark ausfallen wird. Das gilt umso mehr, als die Suche nach möglichst sicheren Veranlagungen bei solventen Käufern eine steigende Nachfrage nach Eigentums- und Vorsorgewohnungen bewirken wird. Ein wenig überraschender Nebeneffekt ist, dass Freiflächen bei der Wohnungssuche ein wichtigeres Kriterium geworden sind als je zuvor.
Erfreulich ist das Feedback der Kunden auf die Instrumente der Video- und 360-Grad-Rundgänge, die sehr gut angenommen werden. Diese Art der Objektpräsentation wird auch weiterhin ein fixer und wichtiger Bestandteil der Immobilienvermarktung bleiben. Die Kunden können auf diese Art und Weise einen realistischen Eindruck der Wohnung bereits von zuhause aus gewinnen und hier noch gezielter ihre persönliche „shortlist“ für die weiteren Schritte erstellen.
2. Büromarkt
Aktuelle Situation
Die Krise hat bereits in den ersten Tagen zu einer deutlichen Reduktion der Nachfrage nach Büroflächen geführt und die Situation hat sich seither nur geringfügig geändert. Eine leichte Besserung ist bei Anfragen nach kleineren Flächen bis 500 m² zu verzeichnen. Während Anmietungen, deren wirtschaftliche Parameter bei Ausbruch der Krise bereits ausverhandelt waren, zum großen Teil finalisiert werden konnten oder demnächst abgeschlossen werden, sind weniger weit fortgeschrittene Verhandlungen vermehrt „on hold“ gestellt worden. Allerdings zeigen aktuelle Kundengespräche, dass die meisten Geschäftsfälle zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden sollen. Mietinteressenten wollen endgültige Entscheidungen aber erst treffen, sobald die gesamtwirtschaftliche Situation wieder besser eingeschätzt werden kann.
Mittel- und langfristige Folgen
Zahlreiche Unternehmen werden ihre Expansionspläne kritisch hinterfragen. Das wird teilweise zur zeitlichen Verschiebung von Anmietungen führen, und bei Unternehmen, die durch die Krise nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wurden, wird es auch zur Absage von Umzugs- und / oder Expansionsplänen kommen. Zudem werden Mietinteressenten den Kostenaspekt wieder stärker in den Fokus rücken. Dem werden Vermieter Rechnung tragen, indem sie umzugswillige, jedoch wirtschaftlich besonders stark geforderte Unternehmen mit zusätzlichen Incentivepaketen unterstützen und so die Nachfrage stimulieren. Die Leerstandsraten werden in Wien aufgrund der guten Vorverwertung bis zum Jahresende relativ stabil bleiben.
Die strukturellen Auswirkungen der Coronakrise auf den Büromarkt sollten nicht unterschätzt werden. Die gegenwärtige Pandemie könnte zu einer tiefgreifenden Umwälzung der Arbeitswelt führen. Die Digitalisierung wird deutlich rascher voranschreiten und analog zum Onlinehandel wird auch die Bedeutung des virtuellen Büros bzw. Heimarbeitsplatzes deutlich zunehmen. Als weitere Auswirkung auf den Wiener Büromarkt ist eine geringere Nachfrage nach Co-Working-Flächen zu erwarten, da die bisherigen Shared-Office-Konzepte nicht ideal geeignet sind, um die notwendigen Hygienemaßnahmen umzusetzen bzw. die Abstandsregeln zwischen Mitarbeitern einzuhalten. Zudem können diese Flächen in der Regel kurzfristig gekündigt werden. Es ist davon auszugehen, dass Finanzierungen für neue Büroprojekte künftig noch penibler geprüft werden und Projekte von den Banken nur mit einem entsprechenden Vorvermietungsgrad finanziert werden.
3. Einzelhandelsmarkt
Aktuelle Situation
Die durch Corona bedingten Sperren werden aus heutiger Sicht kürzer ausgefallen als von den meisten Marktteilnehmern befürchtet. Spätestens mit der Öffnung von Gastronomiebetrieben sollte zumindest auf den ersten Blick wieder so etwas wie „Normalität“ in den österreichischen Einkaufsstraßen und Einkaufszentren zu spüren sein.
Bei genauerer Betrachtung wird aber klar, dass von echter Normalität keine Rede sein kann. Eine Reihe bekannter Marken wie die Gastroketten Vapiano und Maredo und zahlreiche Textilhändler sind der Krise bereits zum Opfer gefallen, erschreckende 24 Prozent der österreichischen Einzelhändler sind laut KSV von Insolvenz zumindest bedroht. Die Bonität des gesamten Einzelhandelssektors ist deutlich schlechter als noch vor wenigen Monaten, woraus den Vermietern beträchtliche Risiken erwachsen.
Weiterhin unklar ist die rechtliche Situation im Hinblick auf Mietzahlungen während der Zeit der Betretungsverbote. Allerdings ist die juristische Situation ohnehin nicht alleine ausschlaggebend: In vielen Fällen werden Kompromisse schon deswegen notwendig sein, da die Mieter wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die vollen Mieten zu bezahlen. Daher werden in den Monaten März bis Mai auf breiter Front Mietausfälle oder Mietreduktionen hinzunehmen sein.
Mittel- und langfristige Folgen
Das Überleben eines wesentlichen Teils der Einzelhändler, Gastronomiebetriebe und Dienstleistungsunternehmen wird in der ersten Phase nach dem Ende der durch das Coronavirus bedingten Einschränkungen von Tempo und Ausmaß staatlicher Hilfsprogramme abhängen. Doch auch wenn diese wie vom Handel erhofft ausfallen, wird die Nagelprobe sein, wenn die Händler wieder auf sich selbst gestellt sind und kostendeckende Umsätze erzielen müssen.
Dies wird wegen der zu erwartenden Kaufzurückhaltung als Folge wirtschaftlicher Unsicherheit und des Ausbleibens von Millionen kaufkräftiger Städtetouristen keineswegs leicht sein. Zudem ist davon auszugehen, dass der durch die Ausgangsbeschränkungen drastisch verstärkte Trend vom filialgebundenen Handel zum Onlineeinkauf nicht wieder gänzlich umgekehrt werden kann.
Für Einzelhandelsimmobilien bedeutet das, dass es auf absehbare Zeit nur reduzierte Nachfrage nach neuen Flächen geben wird. Diese wird die Ausdünnungen bestehender Filialnetze, Verkleinerungen der durchschnittlichen Filialgrößen und Insolvenzen nur zu einem geringen Teil ausgleichen können. Dadurch wird es zu steigenden Leerstandraten und, abgesehen vom Lebensmittelhandel, in allen Segmenten zu erheblichem Druck auf die Mieten kommen.
Immobilieninvestoren werden daher noch stärker als bisher Alternativnutzungen ins Auge fassen müssen. Je nach Objekt und Lage kommen dafür Büronutzung, Dienstleistungen, Gesundheit und Wohnen oder auch Auslieferungslager („letzte Meile“) in Frage.
4. Investmentmarkt
Aktuelle Situation
Rund sechs Wochen nach Beginn des „shut-down“ ist die Transaktionstätigkeit im Vergleich zur Zeit vor der Krise deutlich gebremst, die schlimmsten Befürchtungen haben sich aber nicht bewahrheitet. Dabei teilt sich der Markt in zwei Gruppen: Die kleinere Gruppe der Marktteilnehmer arbeitet nach wie vor zielstrebig an An- und Verkäufen und setzt diese auch konsequent um. Die größere Gruppe interessiert sich ebenfalls für das Marktgeschehen, verfolgt aber eine „wait and see“-Strategie, verschiebt also Investitionen bzw. Verkäufe für einige Zeit, um dann auf Basis eines besser abgesicherten Wissensstandes über die weitere Marktentwicklung entscheiden zu können. Schrittweise wird diese Zurückhaltung allerdings auch wieder abgelegt, eine Reihe von Investoren verhandelt bereits wieder konkrete Projekte. Eine Rückkehr zum „normalen“ Marktgeschehen ist bis Jahresende dennoch auszuschließen.
Die markanteste Entwicklung ist die Fokussierung auf die Marktsegmente, die Investoren größtmögliche Sicherheit bieten. Dazu gehören einerseits Core-Produkte bei gewerblichen Immobilien, also Objekte in sehr guten Lagen möglichst mit langfristigen Mietverträgen, andererseits der Wohnungsmarkt, da hier traditionell mit sehr niedrigen Leerständen und hoher Stabilität auch in Krisenzeiten gerechnet werden kann. Wie auch nach der Finanzkrise 2008 sind Zinshäuser besonders gefragt, da diese in unsicheren Phasen mit ihrem hohen Substanzwert punkten können.
Belastet wird der Markt durch die zurückhaltende Kreditvergabe seitens der Banken und die zum Teil deutlich verschlechterten Konditionen. Auch die für Investoren wichtigen behördlichen Akte und Genehmigungen (Eintragungen ins Grundbuch, Bauverhandlungen, etc.) benötigen derzeit ungewöhnlich lange Zeit und verzögern so die Investmentprozesse.
Käufergruppen, die sich wie insbesondere asiatische und angelsächsische Investoren in den vergangenen Jahren erstmals in nennenswertem Maß auf dem österreichischen Markt engagiert haben, sind derzeit schon wegen der bestehenden Reisebeschränkungen weitgehend verschwunden.
Mittel- und langfristige Folgen
Als Folge der Krise wird es zu einer stärkeren Differenzierung der Preise kommen: Die Renditen für Projekte, die langfristig gesicherte Cashflows bringen, könnten sogar noch etwas profitieren, aber generell werden die Risikoaufschläge tendenziell steigen.
Die stabilsten Aussichten bestehen aus heutiger Sicht für Wohninvestments, da die Nachfrage nach Wohnraum nicht in jenem Ausmaß von der Konjunkturentwicklung abhängt wie bei Gewerbeimmobilien und private Haushalte in hohem Maß von den staatlichen Maßnahmenpaketen profitieren sollten.
Stark nachgefragt sind auch alle Arten von Logistikimmobilien, insbesondere jene, die den derzeit boomenden online-Handel bedienen. Büroobjekte mit langfristigen Mietverträgen mit bonitätsstarken Mietern werden ebenfalls weiter gesucht sein und sollten ihr Bewertungsniveau jedenfalls halten können. Bei den Renditen für Objekte mit Leerstand oder kurzen Restlaufzeiten ist hingegen von steigenden Risikoaufschlägen und dementsprechend sinkenden Wertansätzen auszugehen. Bei Einzelhandelsimmobilien besteht derzeit insbesondere Nachfrage nach Objekten, die der erweiterten Nachversorgung dienen (Lebensmittel- und Drogeriemärkte, Fachmarktzentren mit hohem Anteil an Nahversorgern). Bei Shoppingcentern wird die weitere Entwicklung davon abhängen, wie sich die Umsätze nach der allgemeinen Öffnung entwickeln und ob viele Mieter von der drohenden Insolvenzwelle betroffen sind. Der Investmentmarkt für Hotels wird wohl erst wieder nach Aufhebung der internationalen Reisebeschränkungen und Einschränkungen für Veranstaltungen wie Messen, Kongresse oder Festspiele anlaufen, da diese Gäste eine wesentliche Zielgruppe der heimischen Tourismusindustrie bilden.
Auf Grund der Attraktivität, der hohen Transparenz und der geringen Volatilität des österreichischen Immobilienmarktes ist jedenfalls damit zu rechnen, dass die internationale Investmentcommunity sehr bald wieder auf dem österreichischen Markt präsent sein wird, wenn auch in den nächsten Monaten auf Grund der Einschränkungen für grenzüberschreitende Reisen die Transaktionstätigkeit in hohem Maße von deutschsprachigen Investoren dominiert sein wird.