Colliers International: Wie COVID-19 den Immobilienmarkt beeinflusst

Das Corona-Virus zieht derzeit die ganze Welt in seinen Bann. Was dies für den österreichischen Immobilienmarkt bedeutet und welche Auswirkungen in den einzelnen Assetklassen bereits jetzt erkennbar sind, fasst Colliers International zusammen.

Auch in der 3. Woche der Restriktionen in Österreich ist noch keine wirkliche Besserung in Sicht: national und international ändert sich die Lage praktisch täglich, es bleibt zu hoffen, dass die gesetzten Maßnahmen in allen Ländern schnell greifen und dem Schrecken bald ein Ende gesetzt werden kann.

Dass die Situation wirtschaftliche Auswirkungen hat, ist offensichtlich – wie groß diese sein werden, ist zum aktuellen Zeitpunkt für die unterschiedlichsten Branchen noch gar nicht absehbar. Die Wirtschaft ist global vernetzt, internationale Abhängigkeiten werden jetzt besonders offensichtlich und in der Zukunft teilweise neu überdacht werden.

„Es wird sich jetzt zeigen, dass die Immobilie generell ein relativ krisensicheres Investment darstellt – und die Wohnung als Rückzugsort hat in den letzten Tagen eine neue Bedeutung bekommen.

Analog zu anderen Bereichen der Wirtschaft haben sich die Aktivitäten für uns als Dienstleister in den letzten beiden Wochen zwar stark reduziert, wir gehen jedoch nur von einer kurzfristigen Korrektur aus und erwarten, dass der Markt bald wieder dramatisch an Fahrt aufnehmen wird und wir auch einen starken Nachholbedarf der Marktteilnehmer abdecken werden müssen“; sagt Thomas Belina, Geschäftsführender Gesellschafter von Colliers und führt weiter aus: „Kontaktlose Termine´ das Gebot der Stunde, Flexibilität und Kreativität sind – bei Sicherheit als höchster Priorität – gefragt; die Immobilienwirtschaft wird jedenfalls zu den Wirtschaftszweigen zu zählen sein, die die aktuelle Krise am besten übertauchen werden.“

Investmentmarkt

Während bereits weit fortgeschrittene Transaktionen (d.h. bei denen bereits Besichtigungen vor Ort stattgefunden haben oder ein LOI vorliegt) weitergeführt werden können, liegen die meisten neuen Transaktionen auf Eis. Welche Folgen konkret eintreten und vor allem welches Ausmaß diese annehmen, ist sehr stark vom weiteren Verlauf der Virusausbreitung und den damit gesetzten Maßnahmen abhängig und schwer vorherzusehen. Die Bedenken über zukünftige Preisanpassungen nehmen jedenfalls zu.

In Bezug auf die Asset-Klassen wird die Coronakrise auf Wohnen, wenn überhaupt, nur sehr geringe Auswirkungen haben; die Logistik wird durch den starken E-Commerce und die damit verbundene Nachfrage nach zusätzlichen Flächen gestärkt; langfristige Büromietverträge (mit bonitätsstarken Mietern – v.a. öffentliche Mieter) werden im Fokus der Investoren bleiben – je mehr „core“ das Projekt ist, desto geringer wird die notwendige Preisanpassung sein; bei Einzelhandelsimmobilien (insbesondere Einkaufszentren) und Hotels wird es sicherlich entsprechende Preiskorrekturen geben.

Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen werden die meisten neuen Verkaufsaktivitäten über das 2. Quartal 2020 hinaus zurückdrängen. Eine vollständige Erholung erwarten wir nicht vor 2021.

Österreich war in der Vergangenheit ein lokaler Markt – österreichische und deutsche Investoren bilden das Rückgrat. Die Investoren sind vor allem in den letzten 3 Jahren internationaler und diversifizierter geworden; wir gehen davon aus, dass der Markt aufgrund seiner Stabilität und Liquidität auch weiterhin für neues Kapital attraktiv bleiben wird.

Retailmarkt

Im Retail Bereich sind aufgrund der vorübergehenden Schließung des stationären Einzelhandels sowie des gesamten Gastronomie- und Freizeitsektors die Folgen des Coronavirus besonders stark zu spüren. Ausgenommen von der Schließung sind nur Geschäfte des notwendigen täglichen Bedarfs wie Supermärkte oder Apotheken. Durch dies Maßnahmen erleidet der stationäre Handel eine tägliche Umsatzeinbuße von aktuell rd. 46% bzw. rd. Eur 117Mio, somit bis zu Eur 700 Mio wöchentlich.

Aktuell werden im Retail nur vereinzelt Mietverträge unterzeichnet, allerdings müssen wir davon ausgehen, dass nicht alle Unternehmen diese Situation unbeschadet überstehen werden, nach der Krise zahlreiche Flächen auf den Markt kommen werden und hier Einiges an Bewegung in den Markt kommen wird.

Geschlossene Handelsflächen treffen jedoch nicht nur Retailer; auch die Bestandgeber erleiden durch Mietentgang bzw, Mietreduktion aktuell schwere Einbußen.

Ob der Entgang lt. § 1104 ABGB – „ keine Verpflichtung zur Entrichtung eines Miet- oder Pachtzinses aufgrund von Nichtbenutzbarkeit der in Bestand genommenen Sache durch Krieg oder Seuche…“ gänzlich zu Lasten des Bestandgebers fallen muss, ist zum aktuellen Zeitpunkt leider nicht zu beantworten.

Studien und Berichte unserer Niederlassungen in China zeigen, dass Unternehmen auch in einem fortgeschrittenen Stadium der Krise kaum Expansionsvorhaben verwirklichen, sondern es derzeit besonders um die Erhaltung der bestehenden Standorte geht. Wir müssen daher davon ausgehen, dass größere Expanionsvorhaben mittelfristig nicht zu beobachten sein werden und in den nächsten Monaten eine Konsolidierungsphase zu beobachten sein wird.

Allerdings führt die Entwicklung dieser weltweiten Pandemie auch zu kreativen Lösungen einzelner Retailer, sodass eine starke Entwicklung im E-Commerce festzustellen ist und Angebote wie beispielsweise online Sportkurse oder Kochkurse boomen. Auch der Gastronomiesektor hat reagiert und so bieten derzeit viele Restaurants und Einzelhändler neuerdings Lieferdienste an.

Büromarkt

Auch der Büromarkt befindet sich noch immer in einer Schockstarre, Unternehmen aller Größenordnungen haben sich darauf konzentriert, das Kerngeschäft zu stabilisieren. Arbeitstätigkeiten haben sich Großteiles ins Homeoffice verschoben, somit sind Objektbesichtigungen und persönliche Termine – wenn Überhaupt – nur mehr eingeschränkt möglich, alle nicht zwingend erforderlichen Standortthemen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Wenngleich es auch keine rechtliche Grundlage dafür gibt, denken viele Bestandnehmer auch hier über Möglichkeiten nach, Mietkosten kurzfristig zu reduzieren. Bereits jetzt beraten wir diverse Mieter zu Maßnahmen, die in dieser einmaligen Situation getroffen werden können, um im Dialog mit dem Vermieter sowohl kurz. als auch langfristige Lösungen zu finden.

Abhängig vom weiteren Verlauf der vom Staat gesetzten Maßnahmen sind auch die weiteren Entwicklungen: aufgrund von zu erwartenden Ausfällen bei Mietern einerseits und Effizienzsteigerung von Mietflächen andererseits ist ein Steigen der Leerstandsquote zu erwarten. Einige Unternehmen werden auch von der Erkenntnis profitieren, dass Home Office eine vollwertige Alternative zur Arbeit vor Ort ist und Deskshare-Modelle attraktiver bewerten als noch vor der COVID-19 Situation. Ein höherer Leerstand bedingt auch bessere Konditionen für Neuanmietungen, in welchem Ausmaß hängt hier allerdings wiederum von der weiteren Entwicklung ab. Die Vermietungsleistung für das erste Quartal 2020 tendiert hingegen zu einem historischen Tief, ob das zweite Quartal besser wird, kann im Moment nicht abgeschätzt werden.

Ebenfalls noch offen ist die Situation bei Business Centern und Shared Office Providern. Viele Betreiber bieten sehr flexible Modelle zur Anmietung, d.h. auch sehr kurze und kurzfristige Kündigungsmöglichkeiten. Es bleibt abzuwarten, wie viele der Nutzer diese Kündigungen jetzt ziehen und ob einige – besonders KMUs – bis zu einer Stabilisierung der Situation nicht die wesentlich günstigere Variante des Home Office vorziehen. International häufiger als in Österreich ist die Anmietung von Business Center Flächen von großen internationalen Konzernen – auch hier könnte die Flexibilität die den Nutzern bei Laufzeit und Kündigung eingeräumt wurde, die Betreiber mittelfristig vor ein ernst zu nehmendes Leerstandsthema stellen.

Industrie- & Logistikmarkt

Das aktuell gezeichnete Szenario von WIFO und IHS sieht eine Rezession auf Österreichs Wirtschaft zukommen. In diesem Zusammenhang rechnen wir mit einer Reduktion der Wirtschaftsleistung von etwa 2,5 – 3,0% im Verhältnis zum BIP verbunden mit einer Zunahme der Arbeitslosenquote auf zumindest 8,5%. Für das Haushaltsdefizit 2020 wird laut WIFO ein Minus von 5,5 % erwartet. Die Staatsverschuldung würde somit die derzeit ohnehin ausgesetzten EU-Maastricht-Kriterien klettern. Die derzeitige Krise lässt außerdem einen Zuwachs der Insolvenzanträge um 20 – 25% erwarten – dies wäre wohlgemerkt als „Best Case“ zu verstehen.

Die positive Nachricht in diesem Zusammenhang:

Die strukturellen Trends deuten darauf hin, dass Logistikimmobilien in dieser Zeit und darüber hinaus widerstandsfähig sind. Die Nachfrage für die meisten Nutzer von Logistikimmobilien wird sich unsere Ansicht nach verstärken, da viele Artikel, die für grundlegende tägliche Bedürfnisse nötig sind (wie Lebensmittel und Getränke, Konsumgüter und medizinische Versorgung) jetzt umso mehr an die Lieferketten gebunden sind. Dazu kommt der erweiterte logistische Bedarf aus einer dezentralen und regionalen Produktionskette, die Lieferengpässe – Stichwort China – durch die Aufteilung an mehrere und geografisch unterschiedliche Produzenten verhindern soll.

Für diese Produktion wird eine Industrie 4.0 gerechten Ausstattung entscheidungsrelevant, die die benötigte modulare und regionale Güterherstellung und -bearbeitung ermöglichen kann.

Die industrielle Modularisierung erfordert von der Industrie eine erhöhte Netzwerkbereitschaft einerseits und von Gebäuden einheitliche Standards andererseits, um diesen flexiblen Anforderungen gerecht zu werden.

Citylogistik wird als dritter Standpunkt eine immer stärkere Rolle spielen. Durch die Zunahme des E-Commerce werden diese lokalen Verteil und Logistikzentren in den Ballungszentren verstärkt nachgefragt,

Wir sehen derzeit vor allem drei wesentliche Punkte, die sich ändern könnten:

  • Steigende Lagerbestände und Regionalisierung führen zu einer größeren Nachfrage an Logistikflächen
  • Diversifizierung der Produktionsstandorte durch Verlagerung der Produktion an neue, regionale und dezentrale, modular aufgebaute Standorte
  • der Online-Handel wird die Geschwindigkeit der Annahme und der Zahl der Verbraucher weiter erhöhen.

Die Logistik ist insgesamt besser positioniert als andere Sektoren, da die langfristige Nachfrage durch notwendige Lagerbestände und E-Commerce potenziell angekurbelt wird.

Wohnungsmarkt

In den letzten Wochen, insbesondere seit den umgesetzten Regierungsmaßnahmen, ging die Nachfrage auch in diesem Segment sehr stark zurück. Zudem sind Vermieter durch die momentan herrschenden Umstände eher bereit, bestehende aber demnächst auslaufende Mietverhältnisse, zB durch Kündigungen, Befristungsende udgl, bis auf weiteres zu verlängern, da Umzüge aktuell nicht zumutbar sind. Da es jedoch (noch) keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, ist der Mieter auf den „goodwill“ des Vermieters angewiesen.

Mögliche Entwicklung

Die Erfahrung zeigt, dass Krisen den Wohnungsmarkt zwar beeinflussen aber nicht zum Stillstand bringen (zB Finanzkrise 2008).

Die Bedürfnisse und Lebensumstände der Menschen verändern sich ständig, in Krisenzeiten oder kurz danach vielleicht sogar mehr.

Möglicherweise wird auch der Eigentumssektor profitieren, da einem durch die Krise vor Augen geführt wird, dass Immobilien werterhaltend sind. Jedenfalls rechnen wir wieder mit einer starken Nachfrage nach Absetzen der aktuellen Regierungsmaßnahmen. Der Immobilienmarkt ist zwar Schwankungen sowie Veränderungen unterworfen, spielt aber eine elementare Rolle – persönlich, zur Deckung des eigenen Wohnbedürfnisses sowie wirtschaftlich, aus Investmentgründen.

Eine genaue Einschätzung der Entwicklungen fällt uns aufgrund der vielen beeinflussenden Faktoren und dem nicht absehbaren Verlauf der momentanen (globalen) Umstände schwer.

Es gilt also abzuwarten.

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  • Erschienen am:
    01.04.2020
  • um:
    18:00
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