Für den Wiener Wohnungsmarkt wird 2020 ein markantes Jahr: Mit rund 19.000 neuen Wohneinheiten wird ein seit Jahrzehnten nicht gekannter Rekordwert erreicht werden. Nach einer längeren Dominanz der Eigentumswohnungen werden im Neubau heuer rund 60 bis 70 Prozent Mietwohnungen entstehen und eine Reihe außergewöhnlicher Projekte wird es zum „Jahr der Moderne“ machen. Von diesen Entwicklungen werden Wohnungssuchende in Form einer Beruhigung der Preisentwicklung profitieren.
„Auch wenn insbesondere im Eigentumsbereich die meisten Neubauprojekte schon bei Fertigstellung zum Großteil verwertet sind, finden Wohnungssuchende heuer ein breiteres und stärker differenziertes Angebot vor als in den Vorjahren“, erklärt Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin der EHL Wohnen. „In Folge des sprunghaften Bevölkerungswachstums 2015 bis 2017 wurden außergewöhnlich viele Projekte gestartet, die nun fertig werden und heuer mit 19.000 Fertigstellungen (2019: 15.000) einen Ausreißer nach oben bewirken. Damit wird ein Teil des Fehlbestands aufgeholt aber ab 2021 wird die Neubauleistung wieder deutlich nach unten revidiert werden.“
Hohe Baupreise und wenig verfügbare Grundstücke schränken Neubauleistung künftig ein
Zum Rückgang der Fertigstellungszahlen nach 2020 tragen mehrere Faktoren bei. Bremsend auf die Neubauentwicklung wirken einerseits die beschränkte Verfügbarkeit von Bauland sowie die sehr hohen Baupreise. Aber auch die neue Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“, die insbesondere Projekte in Stadtentwicklungsgebieten betrifft, hat kurzfristig eine dämpfende Wirkung. „Es ist damit zu rechnen, dass Grundstückseigentümer aktuell eher abwarten, wie sich die Lage weiterentwickelt. In Summe verhindern diese Faktoren jedenfalls eine schnellere Anpassung des Angebots an die Nachfrage. Der negative Effekt der daraus resultiert, wird voraussichtlich aber nur temporär spürbar sein“, erklärt BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler.
Die Angebotsentwicklung wird auch die Preissituation mittel- und langfristig prägen. Da deutlich mehr Neubau-Mietwohnungen auf den Markt kommen, werden die Mieten wie bereits von 2019 auf 2020 auch in den kommenden Jahren nur mehr in etwa um die Inflationsrate steigen.
Anders sieht es bei Eigentumswohnungen aus: „In diesem Segment wurde 2019 ein Anstieg um durchschnittlich rund drei Prozent erzielt. Wegen des Trends zur Errichtung von Mietwohnungen und des zu knappen Angebots an Bauland für freifinanzierte Eigentumswohnungen wird es einen klaren Nachfrageüberhang im Eigentumssegment geben und daher wird der Preisanstieg auch weiterhin deutlich über der Inflationsrate bei jährlich rund vier Prozent in guten und sehr guten, sowie rund 2,5 Prozent in durchschnittlichen Lagen liegen“, prognostiziert Bauernfeind. „Für Wohnungssuchende, die eine Finanzierung bekommen, ist der Kauf einerEigentumswohnung wegen der äußerst günstigen Kreditkosten und der faktischen Nullverzinsung für angespartes Kapital dennoch weiterhin sehr attraktiv und daher wird die Nachfrage unverändert stark bleiben.“
Neben dem quantitativen Wachstum des Wohnungsmarkts ist auch eine qualitative Verschiebung bemerkenswert. „2020 ist ein Jahr der Innovation“, so Bauernfeind. „Entgegen dem Klischee tendieren die Wiener keineswegs zum Althergebrachten. Gerade beim Wohnen werden Differenzierung und eine gewisse Einzigartigkeit gesucht. Unverwechselbare Angebote wie sie etwa der MARINA TOWER darstellen, sind daher sehr gefragt, auch neue Wohnformen und technische Innovationen finden hohe Akzeptanz.“
Periphere Lagen immer beliebter
Gleiches gilt für neue Lagen. „Ein großer Teil des Wohnungsbaus entsteht in neuen Wohngebieten entlang der U-Bahn- und S-Bahnachsen im Norden, Süden und Osten der Stadt. Diese Lagen sind mittlerweile bestens akzeptiert und aufgrund der bereits gut entwickelten Infrastruktur mit Schulen, guten Freizeitmöglichkeiten, ausgezeichneter Verkehrsanbindung und einem zufriedenstellenden Nahversorgungsangebot sehr gefragt. Daher gibt es auch nur mehr einen geringen Preisabschlag gegenüber traditionellen Wohnlagen“, sagt Bauernfeind.
Für eine nicht zu unterschätzende Zahl von Wohnungssuchenden haben die neu entwickelten Stadtteile, vor allem entlang neuer U-Bahnachsen wie der U1 im Süden und der U2 im Nordosten, sogar einen beachtlichen Mehrwert. „Zum einen sind es Hard Facts wie natürlich vor allem die gute Verkehrsanbindung, zum anderen tragen auch Soft Facts wie z. B. der überdurchschnittlich hohe Anteil junger Bewohner zur Attraktivität dieser Lagen bei“, erklärt Holler. Besonders auffällig ist diese Entwicklung in der Seestadt Aspern, die zusätzlich mit einer umfassenden Infrastruktur (Bildung, Freizeit, Einkauf und Gastronomie) punktet.
Angesichts der quantitativen Dominanz des Wohnungsneubaus in den peripheren Lagen im Norden, Süden und teilweise Osten der Stadt, finden die Entwicklungen in den westlichen Bezirken vergleichsweise wenig Beachtung. Zu Unrecht, wie Bauernfeind betont. „Die Vorzüge dieser Stadtteile, dieser früher abwertend bezeichneten Gürtelbezirke, wie Zentrumsnähe und gewachsene urbane Strukturen sorgen auch hier für beachtliche Nachfrage, die die vergleichsweise geringe Zahl neuer Wohnungen deutlich übersteigt. Das führt zu lokaler Wohnungsknappheit, beispielsweise entlang der U4 oder U3, und in Bezirken und Bezirksteilen mit guter Sozialstruktur wie z. B. Alt-Penzing. Dennoch finden z. B. im 14. Bezirk beachtliche Wohnbauentwicklungen statt. Diese sorgen dort für eine sehr dynamische Wertentwicklung.“
Durchschnittliche Projektgröße steigt
Beachtenswert ist auch die steigende durchschnittliche Projektgröße, entfällt doch der weit überwiegende Teil des Neubaus mittlerweile auf Großprojekte mit mehr als 100 Wohneinheiten. „Für die Realisierung kleinerer Projekte in Baulücken sowie für den Ausbau von Dachböden gibt es immer weniger geeignete Standorte. Der Anteil dieser Teilmärkte am Neubau ist deutlich gesunken und in den kommenden Jahren rechnen wir sogar mit einem Rückgang der absoluten Fertigstellungszahlen“, so Holler.
Doch gerade das wichtige Segment der Großprojekte in neuen Wohnlagen werde von dem erwarteten Rückgang des Flächenangebots besonders getroffen: „Noch können Bauträger, die wie die BUWOG bereits sehr lange auf dem Markt aktiv sind, auf Grundstücksreserven zurückgreifen, aber der Zukauf wird immer schwieriger“, erklärt Holler.
Aktuell wirke sich das breitere Wohnungsangebot aber sehr positiv auf die Qualitätsentwicklung aus. „Einwandfreie bauliche Ausführung war und ist ohnehin selbstverständlich, für den Kauf oder die Anmietung entscheidende Zusatzpunkte gewinnen immer mehr an Bedeutung. Bauträger punkten heute immer mehr mit zusätzlichen Angeboten, die eine Wohnung aufwerten. Dazu zählen Gemeinschaftsflächen wie Fitnessräume oder auch Kindergärten sowie Einkaufsmöglichkeiten im Objekt. Ebenfalls sehr wichtig sind Serviceleistungen wie eine Paketabholstelle, Schnellladestationen für E-Autos oder im höheren Preisbereich ein Conciergedienst“, sagt Holler. „Diese Leistungen sind in großen Projekten natürlich leichter finanzier- und realisierbar. Auch das trägt dazu bei, dass es kaum mehr Vorbehalte gegenüber Wohnen in großen Objekten gibt. Heute gilt immer öfter Size matters statt Small is beautiful.“