Logistik: Last Mile – die letzten Meter zum Kunden

Logistikflächen außerhalb der Stadt werden knapp, und auch für die Last Mile stehen derzeit nicht unbegrenzt Flächen zur Verfügung. Ganz im Gegenteil. Daher braucht es neue Ideen und Konzepte.

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Paketzustellung

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Die letzte Meile stellt Logistikunternehmen vor große Herausforderungen, was durch den starken Anstieg von Onlinebestellungen in den letzten Jahren zusätzlich verstärkt wurde. Die Last Mile bildet den größten Kostenfaktor bei Paketsendungen, da hier bis über 50 Prozent der gesamten Kosten für den Transport verursacht werden. „In den letzten zehn Jahren hat sich das Paketvolumen vervierfacht, und laut Prognose wird es das in den nächsten zehn Jahren wieder tun“, so Johann Rath, Co-Founder und Geschäftsführer, der mit seiner Firma Housemeister in Häusern Paketbox-Anlagen für einen 24/7-Empfang installiert hat. In Wien werden pro Tag 350.000 Pakete abgewickelt, die zu einem großen Teil von außerhalb angeliefert werden.

Flächen werden knapp

Allerdings werden rund um Wien die Flächen knapp. Felix Zekely, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien, skizziert den ersten Ring um Wien vom Flughafen über Himberg bis Laxenburg: „Dieser Ring ist noch für Hubfunktionen tauglich, was die Entfernung zur Stadt anbelangt, um diese zu bespielen.“ Noch näher zu rücken ist natürlich besser, aber faktisch unmöglich. Das letzte große Projekt ist der City Park Vienna, der in Fertigstellung ist. „Weitere Projekte, die diesen Kriterien gerecht werden, sind nicht in Entwicklung“, so Felix Zekely.

Je näher zur Stadt, desto kleiner die Flächen

Die Last Mile von noch weiter außerhalb der Stadt zu bewältigen funktioniert nicht. Daher wird in der Stadt gesucht, um dieses Manko auszugleichen. Je näher man an die Abnehmer gelangt, desto kleinere Flächen werden benötigt. „Es gibt genug B- und C-Lagen, die verstärkt auf den Markt kommen und die sich für eine Verteilerfunktion eignen würden“, so Mario Schwaiger, Bereichsleiter Einzelhandel bei EHL Gewerbeimmobilien, über diese Möglichkeit. Das Angebot an vermietbaren Flächen ist derzeit höher als die Nachfrage, was sich auch an den allmählich steigenden Leerstandsraten in Innenstädten zeigt.

Leere Bankfilialen und Geschäftsflächen

Eine Alternative wären für Mario Schwaiger auch Bankfilialen, die vermehrt aufgelassen werden: „Sie haben nicht den typischen Grundriss für Einzelhändler und sind daher auch schwer zu vermitteln, aber für eine Alternativnutzung in der Last-Mile-Logistik könnten sie durchaus infrage kommen.“ Allerdings gibt es dabei wie bei allen Geschäftsflächen, die für Logistikzwecke verwendbar wären, eine finanzielle Herausforderung: Geschäftsflächen sind weitaus rentabler und bringen den Eigentümern mehr Rendite als Lagerflächen. Für Mario Schwaiger ist daher „eine Art Förderung bei Storage-Konzepten durchaus vorstellbar“.

Im Konzept der „produktiven Stadt“, das die Gemeinde Wien entwickelt hat, ist die letzte Meile ein Thema – so wie in allen europäischen Großstädten. Die „produktive Stadt“ dient zwar der „Entwicklung einer lebendigen Industrie“, aber in den „Sockelzonen“ sind auch Verteilerfunktionen eingeplant. „Nachnutzungen von Gebäuden, sofern sie ESG-tauglich adaptiert werden können, zweistöckig sind oder in die Tiefe gehen“, wären für Felix Zekely ebenfalls eine Option.

Wohin mit der Zustellung?

Damit könnte das Lieferproblem gelöst werden, aber nicht das Zustellproblem. Von den täglich 350.000 Paketen in Wien werden „rund 40 Prozent nicht zugestellt“, weiß Johann Rath. Die Erschwernis durch nicht anwesende Empfänger betrifft vor allem das B2C-Geschäft und weniger den B2B-Bereich, „da die Büros meistens besetzt sind“. Letztendlich bräuchte es im Radius von rund 200 Metern eine systemoffene Paketanlage, meint Johann Rath. Mario Schwaiger ergänzt: „Das wäre auch ein Radius, in dem kleinere Leerstände vorhanden sind, die man nutzen könnte.“

In bestehenden Wohnhäusern Paketboxen zu installieren ist zwar eine rechtliche und technische Herausforderung, „aber es geht sehr gut voran“, so Johann Rath: „Die Nachfrage ist auf jeden Fall enorm.“ In Neubauten sind Paketboxen fast schon ein Muss. „Die Projektentwickler verstehen, dass Logistik ein Teil der Lösung ist, die sie bieten müssen“, so Rath. Oftmals werden schon eigene Paketräume im Erdgeschoß eingeplant.

Lager- und Logistiklösungen 

Unternehmen wie Storebox haben sich auf hochfrequentierte Lagen spezialisiert und bieten ein breites Spektrum an individualisierbaren Lager- und Logistiklösungen räumlich getrennt von Wohnhäusern an – zum Beispiel in eigenen Lagerflächen oder in Parkgaragen. „Es wird verschiedenste Modelle geben, um die Gesamtlogistik aufzubereiten“, ist Johann Rath überzeugt. „Wenn man von wachsenden Paketzahlen ausgeht, stehen wir vor einem unglaublichen Bottleneck“, so Felix Zekely: „Je mehr Logistikflächen es gibt, desto geringer wird das Verkehrsaufkommen.“

Die Zeit drängt.

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Walter Senk, Journalist, Blogger, Moderator Walter Senk

Spannend wäre ein Artikel darüber!

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Peter Matzanetz, PlaceQu GmbH

wir haben mit Depocit.com eine Pop-up-Lösung mitentwickelt, die seit bald drei Jahren in der Schublade liegt (apropros "die Zeit drängt"). Der Ansatz schließt den lokalen Handel (und Sharing) mit ein und fördert daher auch das Geschäftsleben und nicht nur den online Handel. Politisch betrachtet gewagte Mietstützungen für boomende Logistik (siehe Artikel) braucht es garnicht, weil eine Zahlungsbereitschaft bei Kunden vorhanden ist (siehe Storage). Die Bedarfsermittlung ist für jeden Standort individuell und lässt sich mit PlaceQu® auf Flächenumfang und Preis abstimmen. Kostenintensive Paketboxen braucht es dafür nicht, weil wiederverwendbare Postsäcke verwendet werden, die nebenbei auch das enorme Kartonproblem in den Häusern lösen. Die Immobilienwirtschaft müsste mal die Chancen nutzen und eine von den (zig)tausenden Immobilienfirmen -bzw. Eigentümerinnen oder mancher Besitzer könnte damit anfangen und gezielt nachhaltige Dinge hier in Österreich mitentwickeln statt diese später irgendwann zu importieren - wo aber ist eine solche?!

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  • 08.05.2023
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Geschrieben von:

Walter Senk

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion, die er 2010 gründete. Er ist seit über 24 Jahren Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen. Sein Motto: Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.