Inflation, Zinsen, Kredite und knappe Kalkulation ... wenn sich die Spreu vom Weizen trennt

Ein fiktives Gespräch mit einem Brancheninsider, der sich Gedanken über die aktuelle Situation auf dem Immobilien-Investmentmarkt macht. Einige Faktoren werden in der kommenden Zeit die Immobilienwirtschaft beschäftigen.

Fotocredit: AmnajKhetsamtip

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Wir treffen uns in einem Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt. „Das hätte ich um diesen Preis nie gekauft“, sagt mein Gesprächspartner und rechnet vor: „Auch wenn eine deutsche Staatsanleihe bei null Prozent rentiert, wie es noch bis Jänner 2022 der Fall war, dann kann man zum Beispiel einen Büroturm in Frankfurt nicht um drei Prozent Rendite kaufen. Das ist das Risiko gar nicht wert. Einen Büroturm für drei Prozent hätte ich nie gekauft.“

Diese knappe Kalkulation ist nur ein Beispiel, aber Berechnungen dieser Art werden in der kommenden Zeit die Immobilienwirtschaft beschäftigen. Denn es sind nicht nur die eng bemessenen Renditen, um die gekauft wurde, die Kopfzerbrechen bereiten werden, sondern vor allem auch die Kredite. Zu knapp kalkuliert und mit einem variablen Zinssatz, der gefährlich steigt. Der Zinssatz der Europäischen Zentralbank für das Hauptrefinanzierungsgeschäft hat sich mit dem 22. März auf 3,5 Prozent erhöht. „Wir werden relativ bald die Auswirkungen sehen“, ist mein Gegenüber überzeugt und rechnet damit, dass in den nächsten sechs oder neun Monaten „Bewegung in den Markt kommt“. Nämlich dann, wenn der Druck der Banken zu groß wird und die Projekte verkauft werden müssen. 

Derzeit finden sich die kaufenden und verkaufenden Parteien noch nicht mit ihren Preisvorstellungen – „vor allem da es keine Vergleichsprojekte gibt“. Niemand will in der aktuellen Situation einen Fehler machen und entweder zu teuer kaufen oder zu billig verkaufen. „Man müsste derzeit bei der Bewertung den Preis schätzen, aber das ist eine sehr heikle Sache.“

Rückblickend gesehen verwundert den Immobilienprofi die Situation nicht wirklich, denn „ein Marktzyklus dauert erfahrungsgemäß sieben Jahre, und wir waren mit zwölf Jahren ohnehin schon weit darüber“. Das jetzige Szenario hätte also bereits vor einigen Jahren eintreten können.

Vergleiche mit 2008?

„2008 war die Situation doch etwas schlimmer, da sich die Banken untereinander nicht mehr vertraut haben. Das war der eigentliche Auslöser. Derzeit halten die Banken still – beziehungsweise vertrauen sich (noch) gegenseitig.“

Also nicht ganz.

„Die Credit Suisse ist doch ein Klassiker, oder nicht?“, wende ich ein: „Seit der Übernahme durch die UBS zieht die Credit Suisse in ihrem Misstrauen die UBS-Aktien mit sich. Und für den neuen Bankenriesen sind vier Prozent minus doch kein guter Einstand. Die Rettung der Credit Suisse schafft eine Bank, die doppelt so groß ist wie die Schweizer Wirtschaft.“

„Ja, aber das hätte nicht sein müssen“, sagt mein Gesprächspartner und hat eine ganz andere Theorie: Nach der Pleite der SVB in den USA war von der Credit Suisse gar keine Rede. Und auf einmal taucht sie in den Schlagzeilen auf. In Zeiten des Internets und der schnell kursierenden Meldungen ist es keine große Sache, einen negativen Medienhype zu erzeugen. Und genau das sei passiert. Er möchte nicht von einem Wirtschaftskrieg sprechen, aber es wäre durchaus eine Möglichkeit. Und es hätte jede Bank „erwischen“ können.

„Ist eine Bankenfusion in komplexen und modernen Zeiten und globalen Strukturen wie diesen in drei Tagen überhaupt möglich?“, wende ich ein: „Da brauche ich ja für meine Buchhaltung länger.“

„Eben. Es kann maximal ein Letter of Intent, also eine Absichtserklärung abgegeben worden sein, und da sind viele Bedingungen noch relativ offen.“

„Es wird sehr spannend in der kommenden Zeit, so viel ist sicher“, kehren wir wieder zum eigentlichen Thema unseres Gesprächs zurück. Wer Immobilienkrisen bereits erlebt hat, wird sich leichter tun als diejenigen, die zum ersten Mal damit konfrontiert sind. Daher könnte sich in den kommenden Monaten für kapitalstarke Unternehmen mit ausreichend Cash eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten. Nämlich sehr gute, aber schlecht finanzierte Immobilien zu erwerben. „Wer geschickt ist, kann jetzt sehr viel Geld verdienen, die anderen werden schwitzen.“ Das ist der Lauf der Zyklen, und wer den letzten mitgemacht hat, in dem es nur aufwärts ging, „das war zu wenig Erfahrung“, meint der Immobilienprofi: „Die letzten Jahre konnte man wenig falsch machen. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.“

 

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Geschrieben von:

Walter Senk

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion, die er 2010 gründete. Er ist seit über 24 Jahren Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen. Sein Motto: Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.