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Wird Magdeburg die neue Trendstadt?

Matthias Lerm, in Magdeburg Leiter des Stadtplanungsamtes, spricht mit IMMOBILIEN AKTUELL über Qualität im Wohnungsbau, Trendstädte, Klimaanforderungen, den Büromarkt sowie über Träume.

Können Sie Ihre Immobilien-Vision für ein Magdeburg in zehn Jahren in drei Kernzielen skizzieren?

Matthias Lerm: Das erste Ziel ist, Bausubstanz zu sichern und den öffentlichen Raum zu aktivieren. Magdeburg hat extreme Strukturbrüche erlebt, deren Folgen den Bestand bis heute prägen. Brachen werden nun reaktiviert, Leerstände reduziert. Der zweite Punkt ist, wirtschafts- und wohnungspolitisch erfolgreiche Pfade weiter zu beschreiten. Die vielen guten Konzepte, die es in der Stadt gibt, sind zur Stabilisierung der positiven wirtschaftlichen Entwicklung umzusetzen. Manchmal kann es dabei nützlich sein, der Verlockung der einen oder anderen (Zwischen-)Nutzung zu widerstehen, wenn durch intensive Projektarbeit tragfähige und nachhaltige Alternativen gefunden werden können. Als Drittes benenne ich einen qualitätsvollen Wohnungsbau, der den Wachstumspfad flankiert.

bulwiengesa schreibt, dass die Stadt „zu den eher weniger interessanten Orten auf der Investoren-Landkarte“ gehört. Was entgegnen Sie?

Matthias Lerm: Eine solche Einschätzung kann aus meiner Sicht nur der Unkenntnis geschuldet sein. Da wird offensichtlich nicht wahrgenommen, welch gute Konversion hier in den letzten 30 Jahren stattfand. Magdeburg hat sich mit der Ottostadt-Kampagne in der Geschichte rückverankert. Mit der Ansiedlung und Weiterentwicklung von Forschungsinstituten und der Stärkung von Universität und Hochschule gibt es starke innovative Kerne mit großer Ausstrahlung. Magdeburg ist ein hervorragender Logistikstandort. Der Weg zu einer Stadt der erneuerbaren Energien bleibt Herausforderung und bietet Chancen. Magdeburg bietet zudem Flächen in hochinteressanten Lagen, die in anderen Städten längst Mangelware sind. Durch die vergleichsweise günstigen Bodenpreise sind gute Renditen erzielbar. Das wird zunehmend von Investoren wahrgenommen.

Was braucht Magdeburg, um zu einer Trend-Stadt wie Leipzig oder Dresden zu werden?

Matthias Lerm: Beide Städte lagen nach der politischen Wende sofort im Blickfeld der Investoren. Das hängt natürlich mit ihrem Ruf zusammen – Dresden als Kunst- und Kulturstadt, Leipzig als Messestadt. Magdeburg galt im Gegensatz dazu nur als Industriestadt. Diese schwere Hypothek konnte durch das Setzen neuer Zukunftsthemen weitestgehend überwunden werden. In Leipzig als sogenannter Boomtown sah man, dass viele Aktivitäten, wie beispielsweise das Schulbauprogramm, mit dem Aufwärtstrend nicht mithielten. In Magdeburg ging das Wachstum weniger stürmisch, sondern kontinuierlich vonstatten. Alle wichtigen städtischen Funktionen konnten stabilisiert und ausgebaut werden. Nun ist die zweite Stufe des Bewerbungsverfahrens hin zur Europäischen Kulturhauptstadt genommen, die BUGA dauerhaft ein Anziehungspunkt genau wie der Sport. Man muss nicht Trend-Stadt sein, um Fortschritte zu erzielen. Wichtig sind und bleiben ein urbanes Lebensgefühl, historische Ankerpunkte, qualitätvolle Stadtquartiere und wohnliche Siedlungen, gute Freizeit- und Kulturangebote – alles Pluspunkte für Magdeburg.

Auch in Magdeburg steigen die Wohnungsmieten kontinuierlich. Wie schätzen Sie den Markt ein?

Matthias Lerm: In Magdeburg wird mit Augenmaß vorgegangen, man achtet auf die Absicherung des investiven Geschehens. Zwei Akteursgruppen prägen das wohnungswirtschaftliche Geschehen: Erstens die großen Wohnungsgesellschaften, darunter die städtische Wobau. Sie haben einen sehr starken Bestand und übernehmen damit Verantwortung für den sozialen Ausgleich. Das bewährte Genossenschaftsmodell wird aus meiner Sicht nicht ausreichend gewürdigt, dabei sorgt es für eine unglaubliche Stabilität. Zweitens ist der Entwicklermarkt ebenfalls sehr aktiv und profitiert von der das Bauen begünstigenden Niedrigzinsphase. Die Mieten sind nach wie vor auf einem bezahlbaren Niveau, ermöglichen aber auch die Fortsetzung der Bausanierungen.

Selbst in den dynamischsten Stadtteilen wie Stadtfeld, Altstadt und Werder sorgen gemischte Bestände für moderate Preisentwicklungen. Magdeburg hat in Konkurrenz zum Umland in den vergangenen Jahren viele Flächen für den kleinteiligen Wohnungsbau ausgewiesen. Buckau ist längst aus der Talsohle heraus und hat sich zu einem attraktiven Standort entwickelt. Stabilität und eine fortschreitende Sanierung prächtiger gründerzeitlicher Bausubstanz prägen Sudenburg, genau wie die beiden Neustädte. Zu unserer Strategie gehört außerdem, den Südost-Raum für den Wohnungsbau interessant zu machen, weil das lineare Siedlungsband dort von faszinierender Elbnähe und reizvoller Landschaft profitiert – durch S- und Straßenbahn bestens mit der Innenstadt verbunden. Dort stehen Entscheidungen zur Konversion verschiedener Gewerbelagen an, vor allem dem Wohnen benachbart.

Im Fokus standen in der Vergangenheit eher Eigenheime als Geschosswohnungsbau. Wird dieser Trend anhalten?

Matthias Lerm: Seit der Wende ist ein Wettlauf um Bauwillige entbrannt. Im Umland wurde nicht nur dem Eigenbedarf der Ortslagen, hergeleitet aus Geburten und positiver Entwicklung von Arbeitsplätzen, entsprochen, sondern man wies Siedlungsflächen darüber hinaus aus und schuf Baurecht. Von dort erreicht man die Magdeburger Innenstadt meist in etwa 20 bis 30 Autominuten. Das führt zur Abwanderung von Menschen, die Einkommen akkumulieren konnten. Sie pendeln in die Stadt ein, was Probleme mit sich bringt. Zukunfts- und konkurrenzfähige Angebote in der Stadt zu schaffen, bedeutet, stärker zu qualifiziert aneinandergebauten Häusern und kompakteren Bauformen generell zu kommen – etwa nach holländischem oder dänischem Vorbild. In der Gartenstadt Reform, schon kurz nach der vorigen Jahrhundertwende entstanden, wurde das vorbildlich umgesetzt. Urbanes Lebensgefühl sollen die zukünftigen Bewohner in klimagerechten Pilotsiedlungen erfahren, für die es bereits erste Entwurfsansätze gibt. Die Tradition des progressiven weltbekannten Magdeburger Siedlungsbaus kann so, übertragen in die heutige Zeit, positiv fortgesetzt werden.

Braucht es eine Verdichtung, wie beispielweise die Aufstockung auf Supermärkten?

Matthias Lerm: Im städtebaulichen Gefüge Magdeburgs ist das Erbe der Festungszeit bis heute spürbar. Innerhalb der Festung war die Stadt extrem dicht bebaut – heute zumeist verloren –, außerhalb schließen sich Freiräume und vergleichsweise dichte Planstädte entlang der Radialen an: die Neustädte und Sudenburg. Dazwischen waren Gärten und Felder, später auch Verkehrswege. Der dort ab den 1920er Jahren entstandene Siedlungsbau ist gleichzeitig grün und städtisch dicht. Angesichts beschränkter quantitativer Wachstumspfade sollen die Stadtteile kompakt und intensiv zusammengehalten werden. Nichtintegrierte Flachbauten, von Parkplätzen umgeben, sind hier unangebracht. Deshalb ist der Stadtratsbeschluss zur verbesserten städtebaulichen Integration der Versorgungseinrichtungen sehr sinnvoll, damit andere Nutzungen wie Büros oder Fitnessstudios dort ergänzt werden können. Das führt zu kurzen Wegen. Ergänzendes Wohnen kann dabei jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen, da es sich für die gemischten Nutzungen meist als zu störempfindlich erweisen dürfte.

Was verbirgt sich hinter dem Gebäude-Grünkonzept und wie soll es umgesetzt werden?

Matthias Lerm: Wir sorgen uns wegen der hinter uns liegenden außergewöhnlich heißen und trockenen Wetterperioden. Künftig ist solches noch häufiger zu erwarten. Vor allem die Aufheizung stellt die städtische Lebensqualität auf den Prüfstand. Studien zeigen, dass die Temperatur mit einer intensiven Quartiersbegrünung in den Hitzeperioden um drei bis vier Grad abgesenkt werden kann. Das ist genau der Betrag, der nötig ist, Städte im Sommer lebenswert zu erhalten. Der Stadtrat hat die Verwaltung mit der Erstellung eines Gebäudegrünkonzeptes mit einer Vorbildrolle der öffentlichen Hand betraut. Jedoch kann nicht jede Leichtbau-Turnhalle mit einem Gründach versehen werden. Alle Eigentümer sind angehalten, in Gebäudemodernisierungsstrategien den Aspekt der Erderwärmung einzubeziehen und deren Auswirkungen mit öffentlicher Förderung zu lindern.

Magdeburg hat – im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen – noch Platz zu bieten. Welche Areale rücken in den kommenden Jahren in den Vordergrund?

Matthias Lerm: Die weitere bauliche Qualifizierung der Innenstadt, für deren Perspektiven gerade ein Rahmenplan einschließlich Hochhauskonzept erarbeitet wird, ist und bleibt Schwerpunkt. Die großen Wohnungsunternehmen, die beispielsweise das Domquartier oder das Luisencarré realisieren, engagieren sich vorbildlich. Bauliche Ergänzungen der Großsiedlung in der nordöstlichen Innenstadt werden als Gemeinschaftsaufgabe der angestammten Wohnungsunternehmen, der Stadt und privater Investoren angepackt. Nicht nur im Jakobiviertel, sondern auch in anderen untergenutzten Innenstadtflächen soll es einen zeitgemäßen qualitätvollen, kleinteiligen Wohnungsbau geben, erweitert um Kneipen, Begegnungsräume und kleine Läden. Magdeburg ist eine Studentenstadt.

Die Otto-von Guericke-Universität schließt sich nördlich an die Innenstadt, die Hochschule Magdeburg-Stendal östlich der Elbe an. Eine Stärkung urbaner Qualitäten in der Innenstadt entspricht der Erwartungshaltung der Studierenden und der Akademikerschaft. In Sudenburg und den beiden Neustädten finden sich mindergenutzte Grundstücke, die es so in dieser Weise in Dresden oder Leipzig schon nicht mehr gibt. Wir erarbeiten ein Baupotentialkataster, um die Flächen für eine Bebauung zu mobilisieren. Zudem treiben wir die Entwicklung des Südostraumes weiter voran.

Die sogenannte Perlenkette aus mehreren ehemaligen Dörfern, nun im Stadtverbund aufgegangen, schließt an Buckau an. In einigen Großsiedlungen bestehen noch nennenswerte Leerstände. Einige Gebäude in den kommenden Jahren vom Markt zu nehmen, kann angeraten sein, um die Stadt für die Zukunft zu rüsten, wird aber in jedem einzelnen Fall sorgfältig geprüft und in der Regel dann durch öffentliche Förderung flankiert.

Einen Standort-Vorteil für jede Stadt stellen gute und preiswerte Büros dar. Kann Magdeburg damit locken?

Matthias Lerm: Der Büromarkt ist mit einem breiten Mix an Angeboten gut aufgestellt. Die Mieten sind geringer als in vergleichbaren Städten. Dank einiger laufender Bauaktivitäten für den Eigenbedarf großer Unternehmen werden die bisher genutzten Flächen frei, die dann problemlos angemietet werden können, so etwa im City Carré. Ein weiterer maßvoller Zubau entspricht dem Bedarf einer Landeshauptstadt.

Können Sie eine Tendenz erkennen, dass beispielsweise Start-ups sich weg von Berlin, Leipzig & Co hin nach Magdeburg wenden?

Matthias Lerm: Magdeburg steht für sich. Das ist trotz der Lage im Vorfeld Berlins wohl nicht zu überwinden und war gefühlt schon immer so. Wir können nicht, wie etwa bei Leipzig und Halle (Saale), von sich überschneidenden Einzugsbereichen sprechen. Wer einmal hier ist, fühlt sich wohl und bleibt. Das wird gerne gesehen, ein neues Selbstbewusstsein festigt sich. Von der Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 erhält die Stadt schon jetzt zahlreiche Impulse. Schauen Sie sich Leipzig-Plagwitz vor Jahren und heute an. Magdeburg hat ähnlich gute Voraussetzungen. Mich begeistert die Offenheit und Bereitschaft der Magdeburger, Entwicklungen mitzutragen und ein Immobilienprojekt als generell positive Chance anzuerkennen. Das ist eine Einladung vor allem auch an Kreative, sich aufzumachen, hier Träume zu verwirklichen, die anderswo chancenlos wären. Jetzt und, soweit absehbar, auch in den kommenden Dekaden, gibt es in Magdeburg lohnende, spannende Entwicklungspotentiale.                                                                  

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    12.08.2020
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