Marktsituation im Facility Management
Gerhard Popp: Facility Management – wenn man in der Immobilienbranche global ein bisschen schaut, es sind schwierige Zeiten. Das Facility Management ist eine Ausnahme. Das sind relativ hohe Wachstumsraten, auch prognostiziert für die kommenden Jahre. Wie schaut es bei Ihnen im Unternehmen aus?
Viktor Wagner: Wir wachsen nach wie vor. Allerdings verspüren wir sehr, sehr deutlich den Wirtschaftsabschwung. Die Inflation hat eine beachtliche Höhe erreicht, und wir sind sehr froh, dass wir in den anderen Ländern tätig sind. Tschechien spürt von der wirtschaftlichen Problematik so gut wie gar nichts. Die Slowakei wächst auch, in Kroatien ist nach sieben Jahren eher wirtschaftlichem Stillstand seit zwei Jahren Wirtschaftswachstum angesagt. Und in Österreich geht es vielen unserer Kunden nicht gut. Das bedeutet, dass unsere Kunden Gemeinkosten überprüfen, damit auch die Reinigungsintervalle in Frage stellen.
In Österreich und Deutschland ist durch die schwierige wirtschaftliche Situation das Wachstum, das optimistisch vor einiger Zeit angenommen wurde, in Frage gestellt.
Wachstumstreiber in osteuropäischen Märkten
Gerhard Popp: Wenn man, um zu schauen, das Wachstum in den anderen Ländern, was sind denn die größten Treiber dort? Dass in diesen Ländern eigentlich das Wachstum wieder anzieht, jetzt, und bei uns nicht?
Viktor Wagner: Die Wirtschaft in Tschechien floriert unter anderem deshalb, weil auch in Tschechien andere Sozialleistungen gegeben sind, die nicht so freizügig sind wie in Österreich. Das heißt, es ist viel leichter, Arbeitskräfte zu finden.
Wenn wir in Österreich das Problem haben, dass wir derzeit rund 400.000 Arbeitslose haben – davon liegen, und ich sage das sehr deutlich, auch wenn es einigen nicht gefällt, ein großer Teil in der sozialen Hängematte, weil für viele, besonders im Teilzeitbereich, es wirtschaftlich günstiger ist, nichts zu arbeiten und von Sozialleistungen zu leben, als zu arbeiten. Sie bekommen definitiv mehr Netto für einen Drei-Stunden-Job, als wenn Sie arbeiten würden. Und das schreckt viele ab.
Ein weiteres Problem sind die mangelnden Deutschkenntnisse. Besonders in den letzten zwei Jahren verschieben sich die Arbeitnehmer in immer mehr andere Berufe und Aufgaben. Und die Mitarbeiter, die wir jetzt überwiegend vom Arbeitsmarktservice bekommen, können größtenteils überhaupt nicht Deutsch. Wir müssen erst Deutschschulungen organisieren, bevor wir überhaupt eine Ausbildung anbieten können. Wir lehren Chemie, die Anwendungstechnik und Maschinenkunde. Und wenn man da nicht Deutsch kann, ist es erschwert, Erfolg zu haben, und besonders schwierig, den Kunden klarzumachen, dass wir ein Fachbetrieb sind.
Politische Maßnahmen gegen die Rezession
Gerhard Popp: Was wäre denn aus Ihrer Sicht das Dringendste, wo die Politik dann Hebel ansetzen müsste, um vielleicht auch bei uns aus der Rezession rauszukommen?
Viktor Wagner: Ein Treiber der Inflation sind die Energiekosten. Die stark gestiegenen Energiekosten sind vor allem für die exportorientierte Wirtschaft von enormem Nachteil. Wir alle wissen, dass mittlerweile viele Betriebe Mitarbeiter abgebaut haben, Arbeit abbauen mussten, weil einfach die Exportwirtschaft schwächelt, besonders in Oberösterreich. Nahezu 26% aller Exporte aus Österreich kommen aus Oberösterreich. Und hier ist die Automotive-Industrie natürlich ganz, ganz wesentlich.
Deutschland leidet sehr unter der Entwicklung der Elektroautos, der Konkurrenz aus China, und die Wirtschaftsindustrien Deutschlands spüren das. Und wir spüren das in Österreich auch ganz deutlich.
Um Ihre Frage zu beantworten: Es müssen wirksame Maßnahmen ergriffen werden, die Energiekosten zu senken. Merit Order ist ein Thema. Das ist ein zutiefst politisches Thema. Es werden hier einfach sehr hohe Kosten verrechnet. Die Netzkosten betragen mittlerweile 50% der Stromkosten. Also hier ist dringender Handlungsbedarf, wo die Politik über ihren Schatten springen muss. Das gehört geändert.
ESG und Bürokratie in Europa
Gerhard Popp: Wechseln wir das Thema. Es ist ja, wenn man oft auf Events aus der Immobilienbranche, aus der Facility-Branche geht, dann kommt man praktisch keinen Tag an dem Thema ESG vorbei. Das birgt natürlich auch in der Reinigungs- und der Facility-Management-Branche neue Herausforderungen. Wie gehen Sie damit um?
Viktor Wagner: Also fast muss man sagen, Brüssel hat sich zum Bürokratiemonster entwickelt. Die Vorschriften, die Brüssel der europäischen Wirtschaft auferlegt, sind unzumutbar, sind wirtschaftsfeindlich und schaden dem Wirtschaftsstandort Europa massiv.
Wir haben drei große Wirtschaftsstandorte: Das sind die USA, das ist China, und das ist Europa. Und durch diesen unglaublichen Bürokratismus haben wir so hohe Kosten, zunehmend hohe Kosten mit ESG.
Alleine das Lieferketten-Gesetz, das jetzt ja nur ausgesetzt ist, ist eine Katastrophe. Und wenn man sich vor Augen hält, dass im Falle der Straffälligkeit und einer Verurteilung 5% des Konzernumsatzes als Strafe fällig sind, ist das absurd. Es ist allerhöchste Zeit, dass man diesem Bürokratiemonster entgegentritt und Rücksicht nimmt auf die Kraft der europäischen Wirtschaft, wenn wir das nicht tun, werden wir ein Riesenproblem haben.
Wir brauchen Technologieoffenheit und nicht einseitige Verbote. Und nur wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es den Menschen gut. Das heißt, der Spruch “Amerika erfindet, China kopiert und Europa reguliert” trifft zu. Das ist ein schrecklicher Vergleich, der leider unglaublich seine Berechtigung hat.
Ich war öfter in China bei Staatsbesuchen und Wirtschaftsmissionen. Wenn Sie sehen, was sich in China entwickelt, wie hochtechnisiert China ist, dann kann man nur sagen: Hier kommt eine Wirtschaftsmacht auf uns zu, der wir kaum etwas entgegenzusetzen haben. Und vor allem dürfen wir nicht unsere eigene Wirtschaft dezimieren, sondern stärken.
Das Verbrenner-Aus ist eine Katastrophe. Es muss jedem klar sein, dass wir kaum in der Lage sein werden, Elektroautos so günstig herzustellen, wie China das kann. Wir sollten einfach der Wissenschaft die Chance geben, dass sie beim Verbrenner einfach noch günstigere Versionen erfindet. Nehmen Sie die Einspritzpumpe von Bosch. Das hat eine Revolution am Energieverbrauch gebracht.
Nachhaltigkeit im Reinigungsunternehmen
Gerhard Popp: Sie haben es vorhin angesprochen – neue Mitarbeiter werden im Bereich Chemie ausgebildet. Das spielt ja auch bei großen Reinigungsunternehmen in die Ökobilanz mit hinein. Wie wichtig, welchen Stellenwert hat es denn da aus Ihrer Sicht? Wie steht das Unternehmen zu Nachhaltigkeit?
Viktor Wagner: Selbstverständlich ist die Nachhaltigkeit ein Thema, dessen man sich nicht verschließen darf. Alle Lieferanten sind ja schon gezwungen oder von sich aus bereit, entsprechend die Nachhaltigkeit zu forcieren. Wir selbst stehen im direkten Kontakt mit unseren Hauptlieferanten und versuchen das Thema gemeinsam zu forcieren und entsprechend zu behandeln.