Corona verändert die Trends am Wohnungsmarkt
Welche Auswirkungen hatte und hat Corona unmittelbar auf den Wohnungsmarkt, wird Sandra Bauernfeind von EHL zum Einstieg gefragt: Anfragen hätten mit Beginn der Ausgangsbeschränkungen „deutlich“ abgenommen – es herrschte Schockstarre. Ebenso deutlich hätte das Geschäft nach Ostern aber wieder angezogen. Bauernfeind erwartet sich mit der Lockerung der Corona-Maßnahmen auch ein Wiederbeleben des Wohnungsmarktes. Die Digitalisierung – von Video-Rundgängen bis 360-Grad-Führungen – habe sich als „wichtigstes Instrument“ erwiesen, um Wohnungen während des Lock-Downs herzeigen zu können.
Ähnlich stabile bis positive Tendenzen sieht Bernhard Reikersdorfer von RE/MAX. Seit Anfang, Mitte April zeige die Kurve wieder nach oben; zuletzt habe RE/MAX sogar „deutlich mehr Anfragen als zu dem Zeitpunkt im Vorjahr“ verzeichnet. Der Wohnimmobilien-Markt in Österreich werde „mit nur sehr leichten Preisrückgängen davonkommen“, prognostizierte Reikersdorfer. Bis zum Q1 des kommenden Jahres 2021 werde sich der Markt stabil entwickeln, bis zu 0,7 Prozent plus an Preissteigerungen seien möglich. Das betreffe ganz Österreich; nur das Bundesland Tirol hatte es mit seinen vielen Freizeit-Immobilien und den Corona-Beschränkungen zuletzt schwerer, schilderte Reikersdorfer.
Michael Pisecky von s REAL berichtete von den Herausforderungen, vor welchen die MaklerInnen-Branche angesichts der Corona-Maßnahmen gestanden sei: Sind Besichtigungen überhaupt erlaubt? Was dürfen wir überhaupt vor Ort? Das, so Pisecky, „war in Wahrheit nicht geregelt“. Über die Wirtschaftskammer wurde eine „machbare Auslegung“ der Verordnungen zustande gebracht, um Besichtigungen zu ermöglichen. „Wir gehören zur kritischen Infrastruktur“, meinte Pisecky, „auch wenn die Politik vielleicht nicht gleich an uns denkt“. Der Wohnungsmarkt war zuletzt – und bleibe – das „stabilste Segment des Immobilienbereichs“; er, Pisecky, rechnet nicht mit sinkenden Preisen.
Alleine in Wien würden in diesem Jahr bis zu 20.000 neue Wohnungen fertiggestellt, ergänzt Sandra Bauernfein von EHL. Davon seien aber mehr als zwei Drittel zur Miete – was für eine stabile Preisentwicklung im Eigentumsbereich spricht. Weil der Corona-Stillstand für eine „massive Delle“ bei den Baubewilligungen gesorgt hat, werde es in den kommenden Jahren bis 2023 zu weniger Fertigstellungen kommen – was zu knappem Angebot und steigenden Preisen führt, wie Bauernfeind vorrechnet.
Auf einem „sehr vernünftigen Niveau“ sieht auch Florian Krammerstätter von der „consulting company“ die Wohnungs-Nachfrage Ende April. Die „Corona-Pause“ war eine sehr kurze, und wer in Immobilien investieren wollte, hat schon früh danach zum Telefon gegriffen. Unabhängig von Corona sieht Krammerstätter einen grundsätzlichen Trend: Das „leistbare Wohnen“ wird nachgefragt, und zwar im Sinne der Betriebskostenreduktion – „der Laie erkennt das“, sagt Krammerstätter, und verweist auf Aspekte wie Fassadenbegrünungen und andere klimafreundliche Aspekte.
Business-Abwicklung mit Banken und Baufirmen während Corona
Hat das Auswirkungen aufs Bankgeschäft bei der Projektfinanzierung, kommt die Frage aus der Video-Community, und Florian Krammerstätter von der Consulting Company antwortet: Viele Deals waren schon vor der Corona-Krise mit den Banken besiegelt, aber die Verhandlungen mit Baufirmen waren schwierig. Verträge mussten angepasst werden, um auf die Situation zu reagieren: Längere Bauzeiten, Verzögerungen, Pönalen, Stehzeiten, was passiert bei einer zweiten Welle? Diese Themen mussten mit den Geldgebern geklärt werden, wobei ein „Vorverwertungsgrad“ einen Polster geschaffen habe, wie Krammerstätter erzählt. Risikoreiche Finanzierungen, wenig Eigenkapital – das führt zu Gesprächsstoff mit der Bank. Schlechte Verwertungsquoten, „viele offene Fronten“ auf diversen Baustellen – das birgt Risiko, meint Constulting-Company-Kramerstätter. Das „Gute“ an der Situation: Baufirmen-Preise flachen wieder ab, weil größeres Angebot besteht – Baumeister matchen sich um Aufträge, weil die Baugenehmigungen weniger werden.
Das ist nicht Corona – das Virus verstärkt nur Trends, meint Michael Pisecky von s-REAL. Die Sparkasse sieht keine großen Veränderungen in der Projektfinanzierung. „Probleme sind nicht neu; sie sind bisherig und jetzt vielleicht gravierender“ – aber durch das Abflachen der Baubewilligungen wird bei Entwicklern finanziell „ein längerer Atem notwendig sein“. „Projekte, die immer schon problematisch waren, sind nicht durch Corona problematisch geworden“, erklärt Pisecky; und Sandra Bauernfeind von EHL pflichtet bei: „Probleme gibt es bei Projekten, wo mit überzogenen Kaufpreisen“ kalkuliert wurde.
Die Eigentumswohnung wird beliebter, aber Banken müssen auf Joblosigkeit reagieren. Miet-Stundungen als falscher Weg?
Die Immo-Entwickler der Consulting Company sehen jüngst einen Trend von der Miete zum Eigentum, was Anfragen während Corona betrifft, berichtet Florian Kammerstätter.
Bernhard Reikersdorfer von RE/MAX bekräftigt: Das Spiel Bank – Privatkunde entwickelt sich spannend. Wer bekommt Kredite, wer wird unterstützt – angesichts von „1,6 Millionen Menschen in der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit“, so Reikersdorfer, und prekären Verhältnissen in Gastronomie und Tourismus, keine leichte Frage.
Der Corona-Erlass des Justizministeriums zur möglichen Stundung von Mieten war eine „Schrecksekunde“ für EHL, erzählt Sandra Bauernfeind. Die Erfahrung zeige, dass Wohnen „ein wichtiges Produkt“ sei, und die Stundung für Mieterinnen und Mieter im zweiten Halbjahr zur Belastung werden könne.
Die Banken sind sehr wohl bereit, zu finanzieren, erwidert Michael Pisecky von s-REAL. Geld in Sachwerte zu investieren, werde gerade jetzt interessant. Die Eigenvorsorge stehe jetzt im Vordergrund, „sicher veranlagen“ sei aktuell ein Faktor. Die Miet-Stundung sei eine „nicht so gute Idee“ – bei aller finanzieller Förderung für Arbeitslose auch Mieten zu stunden, sei „ein bisserl zu viel“ für jene, die ohnehin Einkommen durch – zum Beispiel Kurzarbeit – haben.
Die Zukunft frei finanzierter Wohnungen als Objekte zur Vermietung; bei Luxus-Objekten trennt sich die Spreu vom Weizen
Bernhard Reikersdorfer schildert die Sicht von RE/MAX: Mietpreise würden bis 2021 „stabil bis leicht fallend“ sein. Michael Pisecky von s-REAL will „dem Markt vertrauen, und der beginnt jetzt zu wirken“ – es „gibt ein bisserl zu viel“, und Mieten werden jetzt billiger.
Sandra Bauernfeind von EHL spricht zum Luxus-Segment: „Da geht’s nicht um Leistbarkeit – da geht’s um das Objekt: Grundriss, Lage, Ausstattung.“ Einen Preisverfall bei Luxus-Objekten werde es nicht geben, solange die Immobilien hohen Ansprüchen gerecht würden. Es gebe aber „wenige ausgezeichnete Objekte derzeit am Markt“. Ein hoher Eigenmittelanteil sei bei der Kaufs-Anbahnung sei jedenfalls entscheidend, sagt Michael Pisecky von s-REAL – der auf weniger Besichtigungs-Tourismus und mehr ehrlich Interessierte baut. Wobei InteressentInnen aus dem EU-Ausland jetzt wegen der Reisebeschränkungen ausbleiben, beklagt EHL-Bauernfeind.
Digitales Angebot als Eye-Catcher erfolgreich, ersetzt aber nicht den persönlichen Kontakt
Die Corona-Situation hat zu mehr digitalen Besichtigungs-Angeboten geführt. Das trägt Früchte, berichtet Florian Kammerstätter von Consulting Company: „Diesen Eye Catcher brauchen wir.“ Ist die Kundin, der Kunde einmal an der Angel – dann ist der persönliche Kontakt entscheidend für den Abschluss. Trotz bester Möglichkeiten des Online Marketings braucht es den persönlichen Kontakt.
AirBnB und Kurzzeit-Mieten als Frage der Zukunft
Bernhard Reikersdorfer von RE/MAX schätzt, dass mehr dieser Wohnungen auf den Markt kommen werden. Alleine 11.000 Wohnungen gibt es in diesem Segment in Wien – die privaten Vermieterinnen und Vermieter suchen jetzt „herkömmliche“ Wege, um ihre Wohnungen zu vermieten.
Florian Kammerstätter von Consulting Company sieht den Trend, dass bei Eigentums-Neubauten immer öfter der Wunsch geäußert wird, die Kurzzeit-Mieten zu unterbinden: „Ich will wissen, wer mein Nachbar ist; wer da täglich ein und aus geht.“
Fallen die Mietpreise? Was macht Home Office mit unseren Mieten? Und werden Wohnungen größer
Die Hälfte der Befragten einer Umfrage rechnet mit fallenden Mietpreisen, wirft Walter Senk von der Immobilien-Redaktion in die Runde. Was sagt die Runde?
„Vielleicht hoffen da manche! Die Vermieter hoffen natürlich nicht“, sagt Florian Kammerstätter von Consulting Company. Übergroße Wohnungen, mit „übergroßen Räumen“, die nicht optimal nutzbar seien, werden mit Leerstand rechnen müssen – weil „der Mehrwert nicht gegeben ist“. Dazu zählen eher Balkone und „vernünftige“ Tiefgaragen. Sandra Bauernfeind von EHL ergänzt: In Zeiten von Home Office wird der Wohnbedarf aber nicht größer. Drei statt zwei Zimmer sind keine Frage des Home Office, sondern der Leistbarkeit.
Home Office wird den Trend zum „Hinaus aus der Stadt ins Einfamilienhaus“ verstärken, prognostiziert Michael Pisecky von s-REAL. Wer nur mehr zwei Mal pro Woche ins Büro muss und die restliche Woche von zuhause arbeitet, nimmt größere Distanzen zum Arbeitsplatz in Kauf – und will dafür eine bessere Wohnqualität daheim. Das bedeutet aber nicht automatisch größere Wohnungen – die Nachfrage nach kleineren Wohnungen in ausgezeichneter Lage wird aufrecht bleiben. „Jetzt sind die Planer gefragt“, bestätigt EHL-Bauernfeind.
Beim Neubau will Florian Kammerstätter von Consulting Company Ballungsräume wie Wien oder Graz außen vor lassen – „dort werden die neuen Wohnungen klein bleiben“. Gleichzeitig gebe es „extreme Bemühungen“ der Stadt Wien mit den Genossenschaften, größere Wohnungen mit mehreren Kinderzimmern zu schaffen, die gleichzeitig leistbar sind.
Corona lässt uns nicht reisen. Steigt die Nachfrage nach der heimischen Ferien-Wohnung im Erdgeschoss?
Florian Kammerstätter von Consulting Company hegt Zweifel: Erdgeschosswohnungen in den Ballungszentren werden aus subjektiven Sicherheitsgründen (Einbruchs-Angst) gemieden; außerhalb der Ballungszentren „hat man Gründe, eine Erdgeschosswohnung zu nehmen“. Insgesamt gelten hier langfristige Überlegungen; Corona hat aus Kammerstätters Sicht keine kurzfristige Auswirkung über die Entscheidung, eine Wohnung zu mieten.
Michael Pisecky von s-REAL sieht „vernünftige Nachfrage“ nach Erdgeschoss-Wohnungen in Wien – „solange nicht der LKW vorbeibraust“.
Der Blick in die Zukunft
„Wohnen ist und bleibt Grundbedürfnis“, sagt Bernhard Reikersdorfer von RE/MAX. Die Menschen verfolgen jetzt den Traum der eigenen vier Wände – die Eigentumswohnung bleibt hoch im Kurs, angesichts der historisch niedrigen Zinsen.
Florian Kammerstätter von Consulting Company hofft auf eine „Normalisierung der Einkaufspreise von Grundstücken – und dass die Wildwüchse bei Grundstückspreisen und Baupreisen enden“.
Sandra Bauernfeind von EHL schließt: Der Wohnungsmarkt wird nach Corona mit einem blauen Auge davonkommen; viele Entwicklungen haben sich jetzt zugespitzt. „Wir freuen uns auf nächste Woche, wenn wir wieder durchstarten können – wir freuen uns auf den Kundenkontakt.“
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