„Mobile Immobilien“ klingt zwar im ersten Augenblick etwas widersprüchlich, aber der Wohnwagen ist letztendlich auch nichts anderes: ein beweglicher Platz zum Wohnen, den man überall hinbringen– und wieder entfernen kann. „Das Leben in Bewegung entspricht einem uralten menschlichen Bedürfnis“, ist Gerold Peham, Geschäftsführer von Nomadhome in Salzburg, überzeugt: „Es wird in Zukunft immer notwendiger und aktueller, die Mobilität zu forcieren.“ Dem entsprechen mobile Immobilien, die jederzeit und problemlos aufgestellt und ebenso problemlos wieder entfernt werden können. „Sie können abgebaut werden, ohne Spuren in der Landschaft zu hinterlassen“, erklärt Arch. Robert Schmid im Rahmen einer Veranstaltung von GIMMEN, einem unabhängigen Verein, der sich als Think-Tank der Immobilienwirtschaft versteht. Nicht nur Bereiche der Landschaft, auch Flachdächer oder Brachen in der Stadt sind ungenützte Räume und zur Verdichtung eignen sich diese speziellen Immobilien ebenfalls hervorragend. Die Häuser müssen nicht unbedingt alleine stehen, sondern können auch in Gruppen errichtet werden, wie eine Studentensiedlung in München beweist.
Eine breite Palette
Ganz neu ist die Idee allerdings nicht, denn „bereits in den 30er-Jahren gab es so eine Welle und auch in den 70er-Jahren“, erklärt Christian Friedrich von der Firma LoftCube, einem deutschen Hersteller dieser temporären Wohnmöglichkeiten. In Tokio existiert immer noch der Nakagin Capsule Tower aus dem Jahr 1972, entworfen von dem Architekten Kisho Kurokawa. An einem zentralen Turm, der zur Erschließung und Versorgung der „Anlage“ dient, ist eine unterschiedliche Anzahl von Wohnkapseln befestigt. Mobile Immobilien dienen aber nicht alleine dem Wohnen, sondern es gibt letztendlich eine breite Palette von Einsatzmöglichkeiten: Schulraum, Büro, Hotelsuite, Schauraum, Eventlösung, Shopsystem, Strandhaus, Bergchalet, Atelier, Ferienwohnung oder auch Kindergarten.
Klein und autark ist die Devise
Die dahinterstehende Idee ist bei den Herstellern wie Nomadhome, Mikrohaus oder LoftCube grundsätzlich ähnlich: kleine bewegbare, autarke Einheiten mit hochwertigen modernen Konstruktionen, kombiniert mit einem ästhetischen Anspruch, zu errichten. Aber auch die Herausforderungen sind ähnlich: Es dauert, bis die Prototypen in Serienproduktion gehen können und man probiert technische Neuerungen aus, wobei es vor allem darum geht, das Gewicht zu reduzieren und die Dämmung zu verbessern– damit innen nicht zu viel Platz verloren geht. Aufgrund der geringen Wohngröße– wenn man sich nur für ein Modul entscheidet– ist die effiziente intelligente Raumnutzung ein wesentlicher Faktor.
Um die Wohnfläche zu vergrößern, lassen sich die Einheiten erweitern, indem weitere Module angeschraubt werden. „Der Trend zur Koppelung einzelner Teil ist stark zu bemerken“, so Sascha Haas von Mikrohaus in Niederösterreich: „Aber damit kommen auch neue Herausforderungen auf uns zu.“ Die Statik ist eine von diesen– oder auch die Wärmebrücken zwischen den verbundenen Elementen.
Die Nachfrage steigt
Tendenziell spüren die Anbieter eine stärkere Nachfrage aus allen Sparten– Wohnen und Gewerbe– nach ihren Produkten, So verzeichnete Mikrohaus 11.000 Zugriffe in einem Monat. „Das heißt, der Markt ist vorhanden“, erklärt Geschäftsführer Haas. Aber Nachfragen und Infomaterial bestellen und auch tatsächlich kaufen, das sind zwei Paar Schuhe. „Man rechnet von Beginn weg mit zehn Jahren, bis ein Produkt gelernt ist, und wir haben gerade einmal die Hälfte des Weges zurückgelegt“, gibt sich Friedrich realistisch: „Allerdings ist die Phase der Erstnutzer vorüber und es kommt bereits die zweite Welle der Nutzer, die meistens auch mehr sind. Vom Mainstream sind wir aber noch weit weg.“
Hürden bei der Genehmigung und der Finanzierung
Mit mobilen Wohneinheiten hat man noch nicht umzugehen gelernt. Weder in Österreich noch im übrigen Europa. Die Firma LoftCube hatte in Brüssel einen Dachaufbau geplant, doch „natürlich gab es dafür keine gesetzlichen Regelungen“, so Friedrich. Schließlich fand man einen gewieften Anwalt, und seit September 2011 existiert in Belgien ein Gesetz, das diese Art von Aufbauten regelt. „Es ist ein Pioniergeschäft und es dauert alles seine Zeit“, so Friedrichs Resümee. Die Hürden der Genehmigung spielen eine wesentliche Rolle, wie Rechtsanwalt Gregor Famira von CMS Reich-Rohrwig Hainz meint: „Einen Lernprozess braucht es auf rechtlicher Basis auf jeden Fall. Und die Banken müssen das auch noch lernen.“ Da es sich bei den Einheiten um keine Immobilien im eigentlichen Sinn handelt, tut man sich bei den Banken mit der Finanzierung noch etwas schwer, wobei sich als Alternative Leasing anbietet. Diese Variante gibt es mittlerweile, obwohl noch keine Daten und Langzeiterfahrungen zum Thema Rückkaufswert existieren. Nomadhome-Geschäftsführer Peham: „Wir haben positive Erfahrungen mit der Raiffeisen Leasing gemacht und bereits die ersten Nomadhomes über Leasing finanziert. Das war doch relativ einfach, da die Einheiten unter ,Mobilien‘ und nicht unter ,Immobilien‘ laufen.“ Der Leasingvertrag bei Raiffeisen läuft über zehn Jahre, abgeschrieben werden die Einheiten zwischen sieben und 30 Jahren. Von den Herstellern wird eine Lebenszeit von 60 bis 80 Jahren angegeben. Die Preise für die Einheiten variieren bei den Herstellern, den Modellen und der Ausführung, liegen aber meist zwischen 2.000 und 2.500 Euro pro Quadratmeter, die Betriebskosten zwischen 25 und 60 Euro pro Monat und Einheit.
Grundstücke von Kirchen und Klöstern
Da die mobilen Immobilien jederzeit vom Grundstück entfernbar sind, entsteht derzeit eine neue Idee. Auf der einen Seite können sich viele Menschen den Grund für ihr Haus nicht mehr leisten und auf der anderen Seite gibt es immer mehr Eigentümer, die ihre Grundstücke nicht verkaufen, aber sinnvoll verpachten wollen. Hier bietet sich ein Baurecht oder Superädifikat mit beweglichen und abbaubaren Immobilien als die beste Lösung an. Da viele der Wohnkuben auch autark betrieben werden können, ist ein Anschluss an das Energie- oder Kanalnetz nicht notwendig und daher auch nicht eine entsprechende Infrastruktur am Grundstück. An Mikrohaus treten mittlerweile Grundstückseigentümer heran, die zwar ihr Grundstück nutzen, aber nicht verbauen, sondern verpachten wollen. Es sind auch teilweise öffentliche Institutionen wie Kirchen oder Klöster, die darin eine Möglichkeit sehen, ihre Grundstücke zu verwerten. „Wir projektieren hier gemeinsam mit den Grundeigentümern“, erklärt Haas.
Von einer Überlegung sollte man bei den Nomaden-Häusern aber Abstand nehmen: regelmäßig umzuziehen. Denn die Übersiedlungskosten schlagen sich mit 12.000 bis 17.000 Euro zu Buche und daher macht eine Standortverlegung tatsächlich erst nach einigen Jahren Sinn.