Nicht ein Zentrum, sondern viele
Was in diesem Zusammenhang gut dazupasst, sind die dörflichen Strukturen, die das Stadtgebiet aufweist. Thomsen: „Wir haben polyzentrische Strukturen, einen eigentlichen Stadtkern gibt es nicht– es gibt viele.“ Dies ist durch die historische Entwicklung von Berlin bedingt, und fast jeder Bezirk hat sein eigenes Zentrum. Hier wird gelebt, gewohnt, gearbeitet und ausgegangen. Daher gibt es ein geringeres Verkehrsaufkommen als in anderen Städten, wo täglich in das Zentrum gependelt wird, um dort zu arbeiten. Da Berlin eine Mieterstadt ist, in der ein Eigentumsanteil von lediglich 14% besteht, geht mit dem Arbeitsplatzwechsel oftmals auch ein Wechsel des Wohnortes Hand in Hand. Außerdem ist das öffentliche Verkehrsnetz hervorragend ausgebaut.
Innovativer Büromarkt bringt neuen Zuzug
Mit der Verschiebung des Flughafens von Nordwesten nach Südosten tun sich „zwei absolut neue Entwicklungsgebiete auf“, so Bruno Ettenauer, Vorstandsvorsitzender der CA Immo. Das Areal des neuen Flughafens eignet sich als Bürostandort, jenes rund um den alten Flughafen Tegel für Wohnbau. „Hier werden wohl in den nächsten Jahren die Preise für Wohnimmobilien steigen“, prognostiziert Ettenauer. Berlin erlebt derzeit eine Metamorphose zu einer der zukünftig bedeutendsten Großstädte Europas. Man hat zwar schon nach dem Mauerfall gehofft, dass Berlin rasch in die Dimension von London oder Paris aufsteigen werde, aber das war nicht der Fall. Die deutsche Hauptstadt entwickelt sich anders. Sie entwickelt sich organisch und das gilt auch für den Büromarkt. Als Berlin die neue Hauptstadt des geeinten Deutschlands wurde, hatten sich die internationalen Konzerne schon längst in den anderen Bürozentren im Land wie München, Hamburg, Frankfurt oder Düsseldorf angesiedelt. Da blieb für Berlin nicht mehr viel übrig. Der Berliner Büromarkt lebt vielmehr von jungen kreativen Unternehmen, die in der pulsierenden Hauptstadt tolle Ideen umsetzen und viele Arbeitsplätze schaffen. „Die Flächenanforderung dieser Unternehmen ist sensationell. Das ist organisches Wachstum aus der Stadt heraus“, freut sich Christian Berger, Geschäftsführer von PORR Solutions Deutschland GmbH, in Berlin über diese Entwicklung. Die zuziehende Bevölkerung benötigt Wohnraum und der wird knapp in der Stadt an der Spree.
Neuer Wohnraum in allen Bezirken
Laut einer Studie des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zum Berliner Wohnungsmarkt stehen in der Hauptstadt weniger Wohnungen leer als im Bundesdurchschnitt. Neuer Wohnraum muss geschaffen werden, und das nicht nur in gefragten Stadtteilen für zahlungskräftige Kunden wie Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Treptow-Köpenick oder Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch in den sozial benachteiligten Stadtteilen sollen über zehn beziehungsweise 15 Jahre 216 Millionen Euro öffentliche Gelder investiert werden. Im vergangenen Jahr hat der Berliner Senat in sieben Kiezen neue Sanierungsgebiete beschlossen. Diese Sanierungsgebiete liegen überwiegend in den alten Westbezirken der Stadt. Ziele seien, eine bessere Lebensqualität für die Bewohner und Anreize für private Investitionen zu schaffen. Der ehemalige Ostteil ist hingegen bereits auf Vordermann gebracht. Die alten Plattenbautensiedlungen stehen zwar hoch und auffällig in einer eher „flachen“ Stadt, aber sie sind renoviert und „auch voll vermietet“, so Thomsen.
Das Beispiel Prenzlauer Berg
Es gibt wohl kaum einen Stadtteil in Berlin, der sich in den vergangenen 30 Jahren so sehr verändert hat wie Prenzlauer Berg. „Die soziale Bevölkerungsstruktur des Stadtteils hat sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands grundlegend gewandelt“, erklärt der deutsche Investmentmakler Jürgen Michael Schick: „Schätzungen zufolge wurde Prenzlauer Berg in den vergangenen 20 Jahren fast vollständig umgekrempelt.“ Knapp 80% der Einwohner des Stadtteils wechselten in dieser Zeit. War das Viertel in den 1980er-Jahren noch als Zentrum der Künstler und „Unangepassten“ bekannt, hat sich seit Anfang der 1990er-Jahre die Anzahl der Bewohner mit Hochschulreife verdoppelt. Schick: „Heute bietet Prenzlauer Berg jedem ein bisschen von allem: Studenten, Singles, Klein- und Großfamilien.“ Eines haben sie aber alle gemeinsam: Die Bewohner Prenzlauer Bergs sind relativ jung: 49,2% der Bevölkerung sind zwischen 25 und 45 Jahren alt. In Gesamtberlin ist diese Altersgruppe mit durchschnittlich nur 30,5% vertreten.
Eine weitere Besonderheit Prenzlauer Bergs liegt in seiner Baugeschichte. Der Großteil der heutigen Gebäude wurde zwischen 1889 und 1905 errichtet. In dieser Zeit entstand das typische Prenzlauer-Berg-Haus. „Da Prenzlauer Berg während des Zweiten Weltkriegs bis auf wenige Ausnahmen von Bombardements verschont blieb, ist der Immobilienbestand aus diesen Jahren fast vollständig erhalten geblieben“, erklärt Schick den Reiz der Gegend. Rund 67% der Gebäude im Stadtteil stammen aus dieser Zeit und bilden zusammen das größte Gründerzeitgebiet Deutschlands.
Österreicher sind die Hauptinvestoren
Für Investoren tut sich in diesem Umfeld ebenfalls ein Eldorado auf und „die Nachfrage nach Wohnimmobilien hat deutlich zugenommen“, meint Volker Herrmann von Engel Völkers Commercial. Wohninvestoren bevorzugen– laut „Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt Deutschland 2012“ von Ernst Young Real Estate– weiterhin die deutsche Hauptstadt. „Berliner Wohnungen werden zwar inzwischen auch von Australiern und Chinesen gekauft“, sagt Geschäftsführer Nikolaus Ziegert von Ziegert– Bank- und Immobilienconsulting GmbH, „aber die meisten ausländischen Interessenten kommen weiterhin aus Österreich“. Diese sind momentan vor allem auf Gründerzeithäuser in den Innenstadtbezirken sowie auf die gefragten Wasserlagen im Südosten Berlins fokussiert. Aber man muss sich bei der Investitionsentscheidung beeilen. Alexander Neuhuber, Geschäftsführer der Magan Holding und Kenner des Berliner Marktes: „Der Markt ist schneller geworden und ein gutes Zinshaus ist nicht mehr länger als zwei oder drei Wochen auf dem Markt. Wer kaufen will, muss schnell sein.“