Es ist nun doch schon 13 Jahre her – es war im Jahr 2006 –, dass die IG Immobilien mit einem Objekt Neuland betrat. Zumindest in Österreich. „Im OrchideenPark werden sich die zukünftigen Mieter wie in einem Fünf-Sterne-Hotel fühlen“, war IG-Geschäftsführer Hermann Klein damals überzeugt. Im Erdgeschoßbereich war ein Boardinghouse angesiedelt, und ab dem ersten Geschoß gab es normale Wohnungen. „Durch diese Vermischung können wir mehr Features anbieten“, sagte Hermann Klein seinerzeit in einem Interview und meinte zu den Zukunftsaussichten: „Der Markt ist in Österreich nicht wirklich entwickelt und auch von Unternehmen kaum besetzt. Das ist für unsere Ausgangsposition sehr gut, da der Bedarf ständig steigt.“
Weit in die Zukunft geblickt
Ist das jetzt noch ein Hotel oder schon Wohnen, fragte man sich 2006, aber mittlerweile stellt man sich die Frage nicht mehr. Wie weit Hermann Klein schon vorausgedacht hat, erschließt sich erst jetzt. „Die einst starren Grenzen zwischen Serviced Apartments, Wohnwirtschaft und Hotellerie haben sich aufgelöst“, erklärt Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice.
Mindset, Marke und Community
Der Gast fragt nicht mehr, der Gast lebt darin. „Mindset, Marke und Community“ müssen stimmen. In Zukunft sind vor allem Angebote gefragt, die den Reisenden beziehungsweise den Bewohnerinnen und Bewohnern einen zusätzlichen Nutzen bringen und dabei Emotionen wecken. Die „Experience“ soll dabei im Mittelpunkt stehen. „Die Gäste bleiben heute im Durchschnitt nicht mehr so lange und verreisen dafür öfter. Umso wichtiger ist es deshalb, maßgeschneiderte Angebote zu haben und die Gäste damit auf der Gefühlsebene abzuholen“, sagt Martin Schaffer, Geschäftsführer und Partner von mrp hotels. Das funktioniert vor allem mit der Vermischung von Touristen und Einheimischen. Hier ergeben sich die Synergien von selbst. Die Sehenswürdigkeiten sind die eine Seite, die andere ist das Eintauchen in die Realität der Stadt.
Weitere neue Konzepte
Die neuen Konzepte werden hauptsächlich von den Millennials und der Generation Z geprägt. Deren Einstellungen und Gewohnheiten werden die Produkte und Services grundlegend verändern, ist Schaffer überzeugt. Aber auch mit der Generation davor tut sich eine große Fangemeinde auf. Diese nutzt bereits die unterschiedlichen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben. „Eine sehr spannende Entwicklung. Die Digitalisierung hat sich am stärksten bei der Vermarktung der Hotels niedergeschlagen. Der Gast wird viel früher abgeholt, man tritt früher mit ihm in Kontakt“, so Dietmar Ploberger, Senior-Projektmanager bei SIGNA Real Estate Management. Und die Gäste haben vor allem viel mehr „Macht“. Ploberger: „Blogger haben einen enormen Einfluss auf ihre Community“, im Positiven wie im Negativen, und daher muss bei der Eröffnung des Hotels schon wirklich alles passen. In Zeiten von Social Media wird jeder Mangel sofort in die Öffentlichkeit getragen und zigfach verteilt. Gute Kritiken allerdings auch.
Geheimnisse entdecken – der Hotelaufenthalt als Spiel
Leben und erleben stehen in den „Hotels“ im Vordergrund, und es werden immer ausgefeiltere Konzepte entwickelt, wie man die Gäste bespielen will. Zuletzt ließ Vienna House mit einer Idee aufhorchen: Im Rahmen des „Hidden Secrets“-Angebots können Gäste mehr entdecken und selbst zu Entdeckern werden. Bei der Ankunft im Hotel wird im Zuge dieser Kampagne ein Schlüssel überreicht, der Zugang zu exklusiven, temporären Angeboten in und um die Hotels sowie die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglicht. Orte, die nicht von Touristen überlaufen werden, Restaurantempfehlungen von lokalen Foodies oder geheime Foto-Hotspots für Influencer und Fotografie-Aficionados stehen hoch im Kurs bei individuell Reisenden – und von denen kommen immer mehr nach.
Keine Sterne, sondern Bewertungen
Auch wenn Airbnb und Co. den Hotels das Leben schwerer machen, sind sie nicht wirklich die Konkurrenten. Diese sind längst in den eigenen Reihen zu suchen. „Die neuen Kids in the Block sind in der Regel Budget-, Economy- oder Boutique-Hotels“, erklärt Reiner Nittka, Vorstandssprecher der GBI AG. Jetzt geht es viel stärker in den Bereich Lifestyle, wo keine typischen Sterne-Kategorien mehr abgebildet werden. „Die Kategorisierung ist hinfällig, da die Gäste nicht mehr nach Sternen suchen, sondern nach Locations, Preisen, Geschichten und Hotels, die ihnen gefallen. Im Internet ist das problemlos möglich. Wenn ein Produkt gut ist, dann wird es von den Menschen gefunden“, so Dietmar Ploberger.
Geschichte und Geschichten
Was es allerdings immer braucht, sind Kunden. Diese werden hierzulande immer mehr. Insgesamt steigen die Übernachtungszahlen von ausländischen Gästen stärker als bei den inländischen Urlaubern. Vor allem Deutschland ist und bleibt der Motor für den heimischen Tourismus. Österreichs Tourismuslandschaft wird daher vom internationalen Wachstum überproportional profitieren. Dass die Stadt stärker als das Land wächst, ist ein Trend, der auch in Zukunft anhalten wird – und damit wird sich auch die Hotellerie weiterentwickeln. Die vielen Sehenswürdigkeiten in Verbindung mit der langen und traditionsreichen Geschichte locken immer mehr internationale Touristen an. Und das ist es auch, was die Menschen erleben wollen: Geschichten. Geschichte tagsüber ansehen und am Abend Geschichten erleben. Daher werden die neuen Konzepte weiterhin die Nase vorn haben. Eine eindeutige Tendenz besteht darin, „dass sich Berufs- und Privatsphäre verbinden“, so Martin Schaffer: „Als Beispiel hierfür kann man Co-Living anführen. Ein modernes Lebens- und Arbeitskonzept.“ Der Trend des gemeinsamen Arbeitens und Zusammenlebens wird immer neue Formen der Hotellerie entstehen lassen, die sich weiterentwickeln oder vermischen.
In Frankfurt zeigt das Büro Franken Architekten an Hand des Hotelprojekts „Lindley Lindenberg“ wie das aussehen könnte. Was geboten wird, ist Wohnqualität mit „Wir-Gefühl“, bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Individualität. Dauermieter und Reisende nützen gemeinsam klug designte Räume. Es ist eine Wohngemeinschaft für Fortgeschrittene und den Bewohnern gefällt die Idee.
Zu guter Letzt: Das Segment der großen Hotels wird weiterhin seine Berechtigung haben. Wohl mit Blick auf den anwachsenden chinesischen Tourismus hat ein koreanisches Konsortium in Wien das Hilton am Stadtpark um kolportierte 334 Millionen Euro gekauft. Immer mehr Chinesen entscheiden sich, ihren Urlaub in Wien zu verbringen. Wenn das Wachstum aus China gleich bleibt, wird das Land bald an dritter oder vierter Stelle der ausländischen Herkunftsmärkte stehen.