Demnächst wird der Wohnungsbau so gut wie stillstehen. So lautet der dramatische Einblick in das operative Geschäft der heimischen Bauträger, die sich in der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) zusammengeschlossen haben. Eine aktuelle Umfrage unter ihren 50 Mitgliedern hat ein alarmierendes Ergebnis gebracht. Drei Viertel der Befragten sehen in den kommenden zwei Jahre eine negative Marktentwicklung für die Umsetzung von Projekten. Das Investitionsvolumen wird infolgedessen zurückgefahren. „Wir rechnen mit sinkenden Umsätzen, internem Job-Abbau und deutlich weniger Neurealisierungen am Wohnungsmarkt“, sagt der VÖPE-Präsidiumssprecher und value-one-Geschäftsführer Andreas Köttl.
Schwieriges Marktumfeld
Verwiesen wird einmal mehr auf das schwierige Marktumfeld und die damit verbundenen Herausforderungen. „Ein hohes Zinsniveau und gleichzeitig unnötig strenge Vergabekriterien für Immobilienkredite, eine hohe hausgemachte Inflation und damit zusammenhängende Kostensteigerungen für Bauleistungen und Löhne, nach wie vor hohe Grundstückspreise und ein Mietpreisdeckel, der die Finanzierungs- und Erhaltungskosten für die Entwickler von Altbauobjekten verteuern wird“, sind für Köttl die entscheidenden Faktoren, die im Wohnbau zur Zurückhaltung zwingen.
Projekte abgesagt
Für 2023 wird auf Basis der bisher vorliegenden Zahlen ein Rückgang auf nur mehr rund 15.000 Genehmigungen von Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern erwartet. Im Jahr 2020 waren es noch 45.000 Baugenehmigungen gewesen. Bei den geförderten Genossenschaftswohnungen werden heuer sogar bis zu 90 Prozent der geplanten Projekte voraussichtlich zurückgestellt. Angesichts einer weiterhin wachsenden Bevölkerung wird von der VÖPE auf eine zu erwartende Wohnraumverknappung in den Folgejahren verwiesen, die auch in eine Wohnungsnot münden könnte. Bis auf Weiteres sollte mit den bevorstehenden Fertigstellungen von in Umsetzung befindlichen Objekten der Bedarf gedeckt werden können. Dies sei aber trügerisch, denn der Wohnbau brauche einen mehrjährigen Vorlauf, heißt es vonseiten der VÖPE.
Insolvenzgefahr
Die heimischen Wohnbauentwickler seien mangels Kostendeckung aktuell nicht in der Lage, weiterzubauen. „Zu den gegebenen Bedingungen sind die Projekte nicht mehr darstellbar“, sagt der VÖPE-Vizepräsident und allora-Geschäftsführer Peter Ulm und verweist auf dramatische Folgen: „Ich rechne mit einer Marktbereinigung.“ Manche Projektentwickler, die sich auf ein positives Marktumfeld verlassen hätten, würden aufgrund der geänderten Bedingungen auf einmal negativ bilanzieren. „Teils überzogene Renditeerwartungen institutioneller Investoren führen bei manchen Mitgliedern zu einem Umsatzrückgang von bis zu 70 Prozent“, berichtet Gerald Beck, VÖPE-Präsidiumsmitglied und Geschäftsführer von UBM Development. Insolvenzen sind also nicht unwahrscheinlich, und hinsichtlich der Bauleistung im Land, aber auch wegen der Konsequenzen einer Wohnraumverknappung wird Richtung Politik gewarnt: „Wir fordern unter anderem, die KIM-Verordnung radikal zu entschärfen und diese für berechenbare Fixzinskredite vollends abzuschaffen“, sagt Ulm und verweist auch auf steuerliche Anpassungen bei der Investition in Mietwohnungen sowie auf eine Reduktion von Eintragungsgebühren.
Klimamaßnahmen und Bürokratie
Beim Thema Bürokratie wird im Zusammenhang mit klimafreundlichem Bauen der Anspruch erneuert, dass mehr denn je ein investitionsfreudigeres Umfeld erforderlich wäre. Fast 60 Prozent der Projektentwickler gaben in der zitierten Umfrage an, deshalb stark kämpfen zu müssen. Es ist für die meisten Branchenteilnehmer der mit Abstand schwierigste Punkt, noch vor dem gestiegenen Zinsniveau und den strengen Kreditvergaberichtlinien. Der zuletzt für gemeinnützige Bauträger eingeführten Mietpreisdeckel sei für das Umsetzen von Nachhaltigkeitsmaßnahmen kontraproduktiv. Man verweist auf deutsche Fördermodelle, die klimaschonendes Bauen und das Betreiben von Immobilien ermöglichen.