Wie geht man bei einem großen Portfolio mit dem Thema Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung um?
Sebastiano Ferrante: Wir haben mit einer Analyse der Dekarbonisierung begonnen, und zwar im Hinblick darauf, wann das Stranding-Datum erreicht ist und was man tun kann und muss, um ein Stranding der Immobilie entsprechend hinauszuschieben. Bei den Analysen ist die Branche in Europa bereits sehr weit – im Gegensatz zu den USA, wo dieses Thema aktuell weniger Priorität hat.
Aus den Analysen leiten wir Maßnahmen ab und schauen dann, was technisch und wirtschaftlich umsetzbar ist und welche Projekte zu priorisieren sind. Die Umsetzung muss ja auch in einer Relation zur Wirtschaftlichkeit stehen. Und dann sehen wir, wie viel sich mit vernünftigen Kosten verbessern lässt. Wenn es 30 Prozent Ersparnis gibt und 70 Prozent übrigbleiben, dann ist das eben das Maximum, das man aus der Immobilie herausholen kann. Damit stellt sich die Frage, ob es einen Bestand gibt, den ich aus meinem Portfolio herausnehmen möchte.
Heißt das, es lässt sich nur ein Teil der Gebäude verbessern?
Ja. Die Idee, dass wir eine Dekarbonisierung des gesamten vorhandenen Gebäudebestands erreichen können, ist eine komplette Illusion. Bei Neubauten ist das durchaus möglich, aber aus dem Bestand heraus inklusive einer Verhaltensänderung der Nutzer keinesfalls. Auch eine Sanierung des ganzen Gebäudes, inklusive der Fassade, reicht nicht aus. Alte Bestandsgebäude werden vergleichsweise energieineffizient bleiben.
Überspitzt formuliert: Wenn wir jetzt alle alten Immobilien abreißen und neu bauen, haben wir nach vielen Jahrzehnten zwar null Emission aus dem Betrieb, dafür ist die Temperatur aber aufgrund der Bautätigkeit möglicherweise um acht Grad gestiegen.
Da ist ein Denkfehler im System.
Können Sie das näher erläutern?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Meine Familie hatte in Sizilien ein Haus. Das ist so alt, dass es an sich keinen Wert hat. Wenn ich jetzt eine teure Wärmepumpe einbaue, dann emittiere ich zwar weniger Energie, aber der wirtschaftliche Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Haus. Und wir haben in allen Städten einen alten Gebäudebestand. Es ergibt wenig Sinn, den mit hohen Kosten zu sanieren, wenn der Effekt nur minimal ist.
Das Geld muss dort eingesetzt werden, wo es den größten nachhaltigen Effekt gibt, sonst kommt es zu einer Fehlallokation von Kapital.
Büro, Logistik und Hotels haben ein enormes Einsparungspotenzial, da wir Technik einbauen können, die mehr Effizienz bewirkt. Aber man muss auch realistisch sein und sollte nicht auf Maßnahmen pochen, die wirtschaftlich teilweise wenig Sinn machen.
Haben wir das Augenmaß verloren?
Ja. Es ist eine Sache der Priorisierung. Bei einem Unfall wenden sich die Sanitäter auch nicht den Verletzten zu, die sich den Arm gebrochen haben, sondern denjenigen, die regungslos auf dem Boden liegen. Insofern stellt sich auch für uns die Frage: Wo können wir am meisten erreichen, wo haben wir den größten Impact? Es muss das getan werden, was notwendig ist. Wenn es eine Krise gibt, erwartet man von der Politik eine absolute Fokussierung auf das Wichtigste – dann müssen wir uns auf das konzentrieren, was wichtig ist und am meisten bringt.
Unabhängig von diesem Thema: Wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein?
Die Immobilienbranche braucht noch länger, um zu realisieren, dass Marktanpassungen erfolgen. Diese finden jetzt statt. Daher gilt für viele Branchenteilnehmer: Stay alive till 25. Die Unternehmen müssen Eigenkapital und Liquidität zusammenhalten, um diese Phase zu überbrücken. Es kann sinnvoll sein, teures Kapital aufzunehmen, wenn es dem Unternehmen die Chance gibt, diese Zeit zu überstehen.
Zahlreiche Entwickler haben zu bauen aufgehört. Sie haben verstanden, dass es nichts nützt, wenn sie ihr Projekt in ein paar Monaten fertig haben, es aber nicht vermarkten können. Viele Projekte werden jetzt nicht mehr realisiert. Es bringt nichts, fertigzubauen und in Schönheit zu sterben. Die Baukosten waren zu Baubeginn auf einem ganz anderen Niveau kalkuliert, und die lassen sich nicht senken, vor allem nicht bei diesen Regulierungsanforderungen. Da geht die Kalkulation nicht auf.
Wie sehen Sie die Situation in Österreich?
Österreich ist resilienter. Österreich war auch in den vorhergehenden Marktzyklen resilienter, da es diese Exzesse nach oben oder nach unten nicht gegeben hat.