Plötzlich gibt es wieder über vier Prozent Rendite in Berlin, in Chemnitz kann man in Topwohnlage am Kaßberg um knapp über € 1.000 pro Quadratmeter Gründerzeithäuser einkaufen, in Leipzig ist – selten genug – ein Objekt am begehrten Innenstadtring auf dem Markt, und in Dresden sinken die Preise vereinzelt unter € 2.000 pro Quadratmeter.
Auch auf einer Immobilienkonferenz, die ich unlängst in Berlin besuchte, wurde das so dargestellt und mit Kennzahlen aus Transaktionen (erstes Quartal 2023) untermauert. Je nach Standort ist der Investmentmarkt um die Hälfte bis zu zwei Dritteln eingeknickt, in Hamburg übrigens interessanterweise am stärksten (Entwicklung der Kauffälle für Investment-Immobilien in Berlin Q1 2022 – Q1 2023 212:100, Entwicklung Geldumsatz im selben Zeitraum 936 Mio. zu 352 Mio. Euro), die Preisrückgänge bei den abgewickelten Transaktionen bewegen sich zwischen 20 und 40 Prozent.
Ich sagte ja, willkommen in der neuen Immobilienwelt.
Nicht, dass der Gesamtmarkt so aussehen würde, das sind die Sahnestückchen, die wir aus den hunderten Objekten, die wir jeden Monat von Maklern angeboten bekommen, herausfiltern, die crème de la crème in Sachen Rendite und Qualität sozusagen.
Es gibt also Schnäppchen, aber nicht unendlich. Siehe etwa die handverlesenen Immobilien aus unserem aktuellen Newsletter.
Aber wir sind nicht allein im Immobilienuniversum.
Ist der Trigger-Point in Sachen Preis/Lage/Zustand/Energiekennzahlen erst mal erreicht, dann steigt das Investoreninteresse sprunghaft an.
Will heißen, erstens muss man sich sputen, und zweitens ist nicht gesagt, dass man jedes Objekt, für das man sich interessiert, bekommt, auch nicht in diesen Zeiten. Diese Erfahrung mussten wir leider auch in den letzten Wochen machen.
Das viele Kapital, das in den letzten Jahren im sicheren Hafen der Immobilien Zuflucht gesucht hat, ist ja nicht plötzlich verschwunden. Es ruht nur, es ist geparkt. Und kann bei Bedarf schnell wieder aktiviert werden.
Eigenkapitalstarke Investoren haben jetzt natürlich einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Das kenne ich schon aus früheren Krisen, das ist jetzt die Zeit, in der man aus einem Vermögen ein großes Vermögen machen kann, nur muss eben Geld schon vorhanden sein.
Werden die Preise weiter zurückgehen? Das ist die bange Frage, die alle Investoren umtreibt.
Ja und nein.
Ja, wenn man den Preisdurchschnitt aller Angebote, die wir bekommen, betrachtet, denn da leben viele Verkäufer/Makler mit ihrer Einpreisung noch im Jahr 2021.
Nein, ich glaube nicht, dass sich bei jenen Objekten noch sehr viel nach unten bewegen wird, die bereits neu und marktkonform eingepreist wurden.
Diese Einschätzung hat schlicht mit dem Verhältnis zwischen den Zinshaus-Preisen und den Herstellungskosten für neue Eigentumswohnungen zu tun. Die Zinshaus-Preise lagen in Berlin vor der Krise bei € 3.000 bis 3.500 pro Quadratmeter für mittlere und gute (aber nicht sehr gute) Lagen, diese befinden sich jetzt bei rund € 2.000 bis 2.500. Wenn die Kaufpreisfaktoren noch weiter steigen würden, dann müssten natürlich die Quadratmeter-Preise im gleichen Ausmaß weiter zurückgehen. Und dann wird es asymmetrisch angesichts der hohen Nachfrage nach Wohnraum und im Vergleich zu den Neubaukosten (nicht mehr unter € 5.500 pro Quadratmeter herstellbar). Dieser Gap kann nicht unendlich werden.
Was in dieser Krise nämlich komplett anders ist als in früheren Zeiten: Die Nachfrage nach Wohnraum und damit verbunden die Preisentwicklung stehen in einem diametralen Gegensatz zum Investmentmarkt. Das hängt auch mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen.
Ein paar Zahlen dazu:
2021/22 ist die Bevölkerung in Deutschland um 1,1 Millionen Personen angewachsen.
Allein in Berlin war im Zeitraum zwischen März 2022 und Ende 2022 ein Zuzug von rund 95.000 Menschen zu beobachten.
Steigerung der Mieten in Berlin zwischen 1/2022 und 1/2023 im Bestand um 18,6 % und im Neubau um 16 %.
Und das vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Bausektor.
Rückgang der Baugenehmigungen Q1 2022 bis Q1 2023 deutschlandweit um ca. 33 %.
· Die Baugenehmigungen in Berlin erreichten zum Beispiel im Q4 2021 einen Höchststand von 5.457 und lagen im Q1 2023 bei 3.067.
Die Auswirkung des Rückgangs bei den Kaufpreisfaktoren im Kaufpreis wird also durch steigende Mieten gedämpft. Und diesbezüglich ist kein Ende abzusehen.
In der Immobilienwirtschaft ist es wie an der Börse, den Tag mit dem niedrigsten Kurs einer Aktie wird man, außer mit viel Glück, nicht erwischen, auf die Tendenz kommt’s an.
Und die Tendenz am deutschen Immobilienmarkt ist bei den tatsächlichen Transaktionen einstweilen nur mehr leicht sinkend bis seitwärts.
Heißt aus meiner Sicht für die Strategie: Wenn alle Parameter passen, die Lage, der Quadratmeter-Preis (bei Zinshäusern vor allem in Relation zu vergleichbaren Eigentumswohnungen), die Qualität des Hauses und natürlich in Zeiten wie diesen die Energiewerte des Objekts, dann macht es keinen großen Unterschied, ob man heute kauft oder noch sechs Monate wartet.
Der große Vorteil heute ist, dass die Schwachen und Zittrigen, wie Börsenaltmeister André Kostolany sie nannte, im Moment vom Parkett verschwunden sind.
Wenn die Zinskurve erst mal abflacht und das Vertrauen in den Markt wieder steigt, dann geht’s los wie nach jeder Krise, der Zug der Lemminge nimmt seinen Lauf.