54 Millionen Euro Ertrag erwartet die Stadt Wien durch die geplante Abgabe pro Jahr. Gleichzeitig werden damit potenzielle „schwarze Schafe“ bei der Kurzzeitvermietung von der Stadt leichter identifiziert werden können. Und selten war ein Gesetzesentwurf derart kompliziert und verwirrend formuliert, wobei die Stadt selbst sicherheitshalber seitenlange Fallbeispiele und Übungsrechnungen in den Erläuterungstext gepackt hat.
Von der Öffentlichkeit blieb der Gesetzesentwurf bisher weitgehend unbemerkt. Lag es am Begutachtungszeitraum, lag es möglicherweise am irreführenden Namen der neuen Abgabe, oder hat die Stadt selbst einiges zur Verschleierung der wahren Absicht beigetragen?
Gewollt missverständliche Pressemitteilung?
Wahrscheinlich ein bisschen von allem. Denn hinter dem Akronym „WZWAG“ steht das „Wiener Zweitwohnungsabgabegesetz“, im Langtext auch „Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für Zweitwohnungen“ genannt. Und wer denkt bei „Zweitwohnsitzabgabe“ schon automatisch an „Leerstand“?
Offiziell kündigte die Stadt am 14. Dezember 2023 mittels Presseaussendung das neue Gesetz an: „Die Zweitwohnungsabgabe wird (…) für Personen fällig, die in Wien einen Zweitwohnsitz, ihren Lebensmittelpunkt aber in einem anderen Bundesland haben.“ Und: „Auf diese Weise schaffen wir (…) eine Entlastung der Wiener*innen“, wird Stadtrat Peter Hacker vom hauseigenen Pressedienst zitiert.
Tatsächlich ist die Bezeichnung „Zweitwohnungsabgabe“ irreführend und die mediale Ankündigung in diesem Punkt schlicht falsch. Denn: Auch Wiener müssen eine Abgabe leisten. Nämlich dann, wenn sie mehr als zwei Wohnungen besitzen.
Abgabe als Vermögenssteuer?
Begründet wird das im Entwurfstext mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von jenen Menschen, die sich mehrere Wohnungen leisten können. Konkret heißt es in den Erläuterungen: „Zweitwohnungen (…) indizieren ein besonderes Maß an wirtschaftlicher Leistungskraft. Durch die gegenständliche Zweitwohnungsabgabe soll diese (…) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuert werden.“
So wirklich eindeutig scheint die Stoßrichtung der geplanten Abgabe nicht einmal der Stadt selbst zu sein. Dass die „Zweitwohnsitzabgabe“ nicht bloß „reiche Zweitwohnsitzer“ beim Konzertbesuch in Wien treffen soll, dürfte spätestens bei der Lektüre des Gesetzestextes klar sein. Überdies ist der Rechtstext voll mit Ausnahmen von der Abgabe. So sind zum Beispiel Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgern allesamt befreit. Ebenso befreit ist, wer „trotz nachgewiesener geeigneter Bemühungen über einen Zeitraum von insgesamt sechs Monaten im Kalenderjahr zum ortsüblichen Mietzins“ keinen Mieter gefunden hat.
Seltene Einigkeit in der Kritik
Die zwölf eingelangten Stellungnahmen zum Entwurf zeigen eine seltene Einigkeit in der Kritik: Sowohl Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Rechtsanwaltskammer als auch weitere Organisationen stoßen sich insbesondere daran, dass damit vor allem Wochenpendler doppelt draufzahlen. Denn sie leisten über den Umweg der Arbeitnehmerbeiträge durchaus einen Anteil am Steuertopf der Stadt.
Wer gerne Fallbeispiele und Rätsel löst, hat mit dem nachstehenden Link sicherlich seine Freude – Rechenbeispiele inklusive. Apropos: Irgendwo zwischen EUR 300,– und 1.200,– beträgt die Abgabe letztlich pro Jahr und Wohnung – das hängt dann aber wieder von der Wohnungsgröße, der Anzahl der besessenen Wohnungen, allfälligen Ausnahmen, dem Beruf des Nutzers etc. ab.
Hier geht’s zum Entwurf samt Erläuterungen (Stand: 18. April 2024): https://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/begutachtung/pdf/2023011.pdf