Grundsätzlich erfolgt die Bewertung von Immobilien „immer stichtagsbezogen und anhand von tatsächlichen Abschlüssen und Transaktionen in der Vergangenheit“, meint Georg Flödl, geschäftsführender Partner von Immobilien Funk: „Vorgriffe auf die Zukunft können grundsätzlich nicht vorgenommen werden.“ Dennoch stellt die aktuelle Situation einen Wegweiser zu grundsätzlichen Veränderungen bei der Bewertung dar. Das betrifft die Art und Weise, in der die Aufnahme des Objekts stattfindet, noch viel mehr aber die Punkte, die bewertet werden, beziehungsweise deren Wichtigkeit.
Die Aufnahme von Immobilien
Zur Frage, in welcher Form in Zukunft die Aufnahme des Objekts stattfinden soll, meint Isabella Reinberg, geschäftsführende Gesellschafterin bei Reinberg & Partner Immobilienberatung: „Covid-bezogen wird die persönliche Befundaufnahme bei den Bewertungen zu hinterfragen sein, daher sind Alternativen zu bedenken. Proptech stellt in diesem Fall definitiv eine Unterstützung dar.“ Weiters werden Apps zur Unterstützung herangezogen, mittels derer bei der Befundaufnahme virtuell ein Plan erstellt werden kann, womit ein Vergleich von Plan Ist-Zustand und Soll-Zustand ermöglicht wird.
Automatische Bewertung?
„Hier stellt sich die Frage, ob Baubewilligungen dann noch eingesehen werden müssen“, meint Isabella Reinberg. Diese Apps könnten zusätzlich im Zuge der Befundaufnahme ein Vermessen der Flächen nach Quadratmetern, aber auch Kubikmetern ermöglichen. Die Expertin rechnet in den kommenden Zeiten außerdem mit einer „Automatisierung der Bewertung“. Für sie stellt sich allerdings die Frage, „wer diese Modelle entwickelt und ob die Person auch die fachliche Qualität dafür besitzt“. Reinberg: „In China werden seit Jahren AVMs verwendet, die jedoch von den Bewertungsunternehmen selbst erstellt wurden. Das funktioniert auch deshalb, weil es in China eine Vielzahl an gleichartigen Objekten gibt und daher das Vergleichsdatenmaterial global verarbeitet werden kann.“
Die neuen Kriterien
Ökologische wie auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit wird die Bewertungszukunft prägen. „Das Thema Nachhaltigkeit, Stichwort ESG-Kriterien, wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor bei Immobilieninvestments – das betrifft Entwickler und Investoren gleichermaßen“, so Astrid Grantner, Geschäftsführerin von EHL Immobilien Bewertung. Durch die Europäische Bankenaufsicht ist das Thema auch im Finanzierungsbereich auf der Objektebene ankommen. Für die konkrete Umsetzung gibt es derzeit noch keine Handlungsempfehlung oder Best Practice. „Ich gehe jedoch davon aus, dass uns dieses Thema nicht nur 2021, sondern auch darüber hinaus insbesondere in der Immobilienbewertung beschäftigen wird“, so Grantner.
Weiters werden „sehr wohl zukünftig spezielle mietvertragliche Vereinbarungen und auch besondere Qualitäten, wie eine Drittnutzungsmöglichkeit, stärker berücksichtigt werden“, erwartet Georg Flödl. Und die Ressourcenschonung, bezogen auf Flächen, wird bei der Bewertung in den Vordergrund rücken. Isabella Reinberg nennt die großen Parkplätze bei Filialen des Lebensmittelhandels als Beispiel, „da hier große Flächen verbraten werden“.
Wichtiger denn je ist, sich intensiv mit der Immobilie, ihrem Standort, dem Konzept, der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, den Miet- und Pachtverhältnissen etc. zu beschäftigen und umfangreiche Marktanalysen vorzunehmen. „Was jedenfalls stabil bleibt“, so Isabella Reinberg, „ist die Notwendigkeit von Vergleichswerten. Ohne Vergleichswert gibt es keinen Markt- oder Verkehrswert.“