Rückblickend: Welche Eindrücke nehmen Sie von der EXPO REAL mit?
Jochen Schenk: Immobiliengeschäfte sind Vertrauensgeschäfte, und man braucht die persönlichen Kontakte. Man braucht nicht jeden zu treffen, aber gelegentlich sehen ist wichtig. Wir suchen im Kern immer auf der einen Seite Investments, und auf der anderen Seite wollen wir mit Investoren sprechen.
Axel Schulz: Ich war Wochen vor der Messe nicht sehr optimistisch, aber ich wurde eines Besseren belehrt. Es waren zwar weniger Besucher, aber ich war terminlich durchgetaktet. Es zeigt sich, dass weniger Besucher nicht unbedingt weniger Termine bedeuten. Eines war ganz klar erkennbar: Der Spirit geht eindeutig Richtung Immobilien.
Jochen Schenk: Der Investmentmarkt hat im Jahr zwei Zyklen beziehungsweise Höhepunkte. Der eine ist rund um die MIPIM, und daher warten auch viele Entwickler bis zur Messe, um Projekte auf den Markt zu bringen. Und der zweite ist die EXPO REAL.
Axel Schulz: Was man bis Ende Oktober nicht eintütet, wird nicht investiert. Was man heuer noch unterbringen will, das muss jetzt passieren.
Wie ist der derzeitige Stand bei der Real I.S.?
Jochen Schenk: Rund 1,5 Milliarden Euro können wir dieses Jahr an Transaktionssumme erreichen, und wir werden Ende 2021 mehr als 12,5 Milliarden Euro „assets under management“ haben. Derzeit haben wir rund 700 Millionen Euro Anlegerkapital für Investitionen zur Verfügung.
Wird man in der aktuellen Situation nicht dazu verleitet, zu schnell zu kaufen?
Jochen Schenk: Nein. Die Qualitätskriterien bleiben die gleichen. Wir sind es gewohnt, einen nennenswerten Eigenkapitalvorlauf zu haben. Wir können von den Spezialfonds, für die wir kaufen, diese Summen abrufen, und damit drücken diese Summen nicht auf die Performance beziehungsweise setzen uns nicht unter Druck, in diesem Jahr noch etwas erwerben zu müssen. Wir fühlen uns am wohlsten, wenn wir ein Jahr Vorlauf haben. Dazu kommt, dass wir mit diesen Commitments im Gepäck bei unseren Käufen schneller agieren können.
Axel Schulz: Wir müssen keine zwanghaften Ankäufe machen, die auch unserer Philosophie nicht entsprechen würden. Natürlich haben wir hinter jedem Fondsprodukt schon eine gewisse Allokation, aber wir haben bewusst keine Fixierung auf bestimmte Assetklassen, und das ist für uns eine sehr gesunde Portfoliostrategie. Wir müssen nicht gezwungenermaßen noch ein bestimmtes Produkt in einem bestimmten Land kaufen.
Die Real I.S. ist auch in Australien vertreten. Wie werden Investments in diesen Zeiten gemanagt?
Jochen Schenk: Wir sind bereits seit 15 Jahren am australischen Markt tätig und haben auch ein eigenes Team vor Ort. Australien hat neben Neuseeland einen der schärfsten Lockdowns weltweit, und daher können viele Investoren, die im letzten Jahr massiv vertreten waren, nicht in das Land reisen. Es sind nur lokale Investoren unterwegs, und wir haben zwei wunderbare Möglichkeiten gehabt, in Sydney und Melbourne zu kaufen. Normalerweise ist der Konkurrenzkampf um Immobilien aufgrund der Präsenz chinesischer Investoren ungleich heftiger.
Ist die Konkurrenz um Immobilien härter geworden?
Axel Schulz: Die Frage ist: Kann sie überhaupt noch härter werden? Man muss zwischen deutschem, europäischem und Kapital aus anderen Ländern unterscheiden. Man merkt aber in Deutschland, dass aufgrund der Pandemie schon lange keine US-Amerikaner oder Asiaten mehr im Land aktiv waren. Trotzdem ist der Druck innerhalb Europas und Deutschlands weiterhin sehr hoch. Das hat natürlich auch mit den Investoren zu tun, die bei Transaktionen nicht zum Zug kommen.
Es bleibt sehr viel Geld übrig.
Axel Schulz: Ein Beispiel: Für ein Objekt liegen zwanzig Gebote vor, und wenn 19 Investoren nicht zum Zug kommen, dann sind das pro Deal Milliarden, die weiterhin am Markt platziert werden müssen. Damit wird der Druck noch höher, da die Leute natürlich ihr Geld in Sachwerte investiert sehen wollen.
Jochen Schenk: Insofern kann die Konkurrenz nicht härter werden, denn wenn statt 19 nur neun übrigbleiben würden, wären das auch noch genug.
Auf der Expo war ESG eines der großen Gesprächsthemen.
Jochen Schenk: Definitiv. Ich spreche hier nicht nur als Investor, sondern auch als Vizepräsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) in Deutschland. Das Thema ESG und die Regulierungen, die aus Brüssel kommen, werden uns europaweit beschäftigen. Wichtig wäre, dass wir in den einzelnen Ländern die gleichen Standards implementieren.Nicht nur für uns als Investor, sondern grundsätzlich für ganz Europa wäre es gut, wenn es in allen Ländern im ESG-Bereich zu vergleichbaren Lösungen kommen würde. Das würde allen zugutekommen, und Immobilien wären damit leichter vergleichbar.Für uns als Real I.S., die in allen westeuropäischen Ländern investiert, wäre es entscheidend, wenn die Vorgaben aus Brüssel in den einzelnen Ländern vergleichbare Standards bewirken würden.
ESG steht für: “E” für Environmental (Umwelt), “S” für Social (Soziales) und “G” für Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).