Schwarmstädte haben Anziehungskraft
„Immobilienweisen“ Harald Simons, Mitglied des Vorstands des Forschungsinstituts Empirica, überrascht das nicht. Zählen doch München, Frankfurt am Main und Leipzig zu jenen Schwarmstädten in Deutschland, die eine besonders große Anziehungskraft auf junge Leute ausüben. Sei es, weil die Lage attraktiv und eine gefragte Universität vor Ort ist, oder aber die Mietpreise niedrig sind. In Halle beispielsweise gibt es sanierten Wohnraum um fünf Euro pro Quadratmeter – ein durchaus schlagendes Argument etwa für Studenten. „Dieser konzentrierte Zuzug junger Menschen ist die zentrale Ursache dafür, dass in einigen Städten die Nachfrage und die Mieten anziehen, während die Nachfrage nach Mietwohnungen in den meisten anderen Landesteilen zurückgeht“, sagt Simons, der vergangene Woche als Vortragender bei der Veranstaltung „Der deutsche Immobilieninvestmentmarkt 2017 – Grundlagen und Prognosen“ der Magan Holding GmbH geladen war. „Deutschland sortiert sich innerhalb Deutschlands neu – und zwar nicht mehr nach den alten Mustern.“
München vor Leipzig und Frankfurt am Main
Besonders wanderfreudig sind Personen bis 35 Jahre – und die zieht es vor allem in dreißig Orte. Im Ranking der Schwarmstädte in Deutschland führt München vor Leipzig, Frankfurt am Main, Heidelberg und Darmstadt. Berlin liegt auf Rang 18, Hamburg auf 24. Augsburg, Halle und Trier bilden das Schlusslicht unter den begehrten Städten. Das Bemerkenswerte in diesem Ranking: Von den zehn größten deutschen Städten sind nur sieben eine Schwarmstadt.
Stark gewachsen ist dabei vor allem die Zahl der in einer Stadt wohnenden, aber nicht dort arbeitenden Menschen. Das heißt: Wer einen Job in Merseburg annimmt, zieht in das 53 Kilometer entfernte Leipzig und pendelt. „Hauptsache, ich wohne in einer Schwarmstadt. Ich wohne nicht mehr zwingend, wo ich einen Job habe“, sagt Simons. „Das alte Bild – ich wohne auf dem Land und arbeite in der Stadt – dreht sich völlig um. Demnächst kriegen wir morgens Stau aus der Stadt raus.“
„Leipzig schießt derzeit durch die Decke“
Nicht die Fitnessstudios oder Bioläden machen eine Schwarmstadt zu eben dieser, sondern die Altersgenossen, die bereits da sind. „Mit jedem, der von Gera nach Leipzig zieht, wird Leipzig attraktiver und Gera unattraktiver“, sagt Simons. Überhaupt fällt das Wort Leipzig in Simons Ausführungen sehr oft. „Leipzig schießt derzeit durch die Decke.“ Das Nachsehen haben Städte, an denen der Schwarm – vor allem aufgrund der hohen Miet- und Eigentumspreise – zunehmend vorbeizieht, Berlin und Hamburg beispielsweise. „Die Städte müssen sich klar sein, dass sie in harter Konkurrenz zueinander stehen. Berlin ist nicht mehr nur sexy, sondern jetzt auch noch teuer.“
„Achtung, Absturzgefahr“
Dass von Simons Mitte Februar in Deutschland vorgestellte Frühjahrsgutachten des „Rates der Immobilienweisen“ ließ folglich in einigen Städten die Alarmglocken schrillen: „Achtung, Absturzgefahr“, „Die Party ist vorbei“ oder „Aus ist es mit dem Berliner Immobilienboom“, titelten prompt die Tageszeitungen des Landes. Laut Gutachten sind demnach in den sieben größten deutschen Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart die Mieten schon 2016 nicht mehr so stark gestiegen wie in den fünf Jahren davor. Im September 2016 kosteten Wohnungen zwar immer noch durchschnittlich 2,6 % mehr als zwölf Monate zuvor, der Preisanstieg war jedoch moderater als noch im Vorjahr (3,4 %).
Der Kaufpreise für Eigentumswohnungen wuchs im bundesdeutschen Mittel mit 8,4 % etwas stärker als im Vorjahr (7,7 %). In den sieben größten Städten hat sich der Preisanstieg aber verlangsamt und ist mit Werten zwischen 9 und 12 % deutlich geringer ausgefallen als im Vorjahr, als noch ein Anstieg von meist zwischen 10 und 20 % beobachtet wurde.
Es wird gebaut – aber an der richtigen Stelle?
„Nach unserem Dafürhalten ist in Berlin sicherlich, in München wahrscheinlich und in Hamburg und Frankfurt möglicherweise mit einem Trendbruch bei den Kaufpreisen zu rechnen“, sagt Harald Simons. Auch auf steigende Mieten sollten die Käufer nicht hoffen. Gerade in Berlin und München – und möglicherweise auch in Hamburg – ist nicht mit weiter steigenden Neuvertragsmieten zu rechnen. Die Wohnbaumaschinerie in Deutschland läuft auf Hochtouren. Das steigende Angebot und die rückläufige Zuwanderung in bestimmten Städten seien aber auch ein Grund dafür, dass die Neuvertragsmieten nicht weiter in die Höhe gingen. Die aktuellen Kaufpreise ließen sich aber nur mit weiter steigenden Mieterträgen rechtfertigen, argumentiert Simons.
Deutschlandweit sind demnach die Kaufpreise um rund 16 % übertrieben. In Ballungszentren wie Frankfurt liege die Preisübertreibung bei gut 40 %, in Berlin bei 50 % und in München bei 75 %. Simons nüchternes Fazit speziell in Hinblick auf Berlin: „Die Party ist over, wer jetzt kommt, darf beim Aufräumen helfen.“ Dem widersprechen andere Immobilienexperten. Vor allem in Berlin sei hinsichtlich der Mieten und Kaufpreise noch immer Luft nach oben, heißt es beispielsweise bei CBRE.