Onlineshoppen war in der Covid-Krise aktuell, und es schien, als würde nichts den Boom stoppen können, aber nun geht die Nachfrage zurück. Die Menschen wollen nicht mehr allein vor dem Bildschirm sitzen, sondern suchen die persönliche Nähe. „Es braucht ein Einkaufserlebnis, und ich bin überzeugt, dass das ein Gegentrend zum Onlineshoppen wird“, sagt Romina Jenei, CEO von RegioPlan Consulting. Nicht nur einkaufen möchte man, sondern auch etwas erleben. Eigentlich ist es sogar umgekehrt: Die Besucherinnen und Besucher wollen etwas erleben und eher in zweiter Linie einkaufen. Die Geschäfte bekommen damit einen anderen Stellenwert. Über eine der berühmten Einkaufsstraßen in Wien, die Mariahilfer Straße, meint Andreas Hawlik, Geschäftsführer HAWLIK GERGINSKI Architekten: „In meinen Überlegungen entwickelt sich die Shopping-Welt zu einer Aneinanderreihung von Showrooms. Ich will die Ware sehen und sie angreifen.“ Auch Romina Jenei sieht die Mariahilfer Straße, die den 6. und den 7. Wiener Gemeindebezirk verbindet, „nicht in ihrer Einkaufsfunktion, sondern als Showroom“. Daher werden sich Beratungsfirmen für Shopdesign oder Architektenbüros, die Innenräume gestalten, „in Zukunft etablieren“.
Hybride Einkaufsformen
Eingekauft wird dann im Internet – damit entfällt der Transport der Ware nach Hause, und es bliebe noch Zeit für einen kurze Pause bzw. einen Kaffee in einem der vielen Lokale. Dabei stellt sich aber die Frage, bei wem gekauft wird und wer jetzt letztendlich den Gewinn einstreift? Andreas Hawlik gibt zu: „Wenn ich im Ausland unterwegs bin, dann schaue ich mir oft Dinge an, die es bei uns nicht gibt, und bestelle sie dann zu Hause online.“ Wie das Geld allerdings aus der Erlebniswelt in die Kassen der Händler gespült wird, ist ohnehin ein Thema für die Zukunft. In einem Geschäft angesehen, im anderen gekauft? Wie lassen sich aus den Erlebniswelten Umsätze lukrieren, denn wenn das nicht funktioniert, dann sackt der Umsatz ab. „Einkaufswelten würden funktionieren, wenn ich auch im jeweiligen Geschäft danach online kaufen kann“, sagt Bernhard Klein, Marketingchef von IMMOFINANZ, und nennt als Beispiel die Konzepte von H&M oder IKEA.
Generell werden die hybriden Konzepte gewinnen, ist Romina Jenei überzeugt, wobei der Trend über Showroom und Einkauf hinausgeht. Auch Essen, Trinken und Dienstleistungen könnten für den Handel in Zukunft gute Lösungen sein.
Showroom im Lebensmittelhandel
Die Showroom-Effekte machen aber auch vor dem Lebensmittelhandel nicht halt. Evgeni Gerginski, Geschäftsführer HAWLIK GERGINSKI Architekten, beobachtet beim Lebensmittelhandel, dass die Konzepte im Wandel sind: „Ich komme in das Geschäft und fühle mich wie am Bauernhof und ein paar Schritte weiter wie beim Bäcker um die Ecke. Hinter der nächsten Säule bin ich dann beim Fleischer.“ Dieter Wasserburger, Geschäftsführer BILLA Immobilien und für die Konzern-Expansion verantwortlich, bestätigt: „Die Frischebereiche muss man inszenieren und Erlebniswelten schaffen. Definitiv arbeiten wir auch mit Gerüchen.“ Auch hat man bei der REWE Group bereits weitere Konzepte ausprobiert – unter anderem mit Feinkost und Frischebereich samt persönlicher Bedienung, während die restlichen Waren über eine LED-Wand geordert werden. Nach einer vorläufigen Testphase wurde das Projekt aber vorläufig wieder auf Eis gelegt. Wasserburger stellt unabhängig von den Einkauferlebnissen fest, dass im Handel „regional, aber vor allem lokal ein großer Trend wird“.
Zurück zum Einzelhandel. Hier bahnt sich ebenfalls eine Veränderung an. Romina Jenei: „Die mittleren Marken kann ich online am besten abbilden und damit verkaufen. Um Mittelmäßiges auszusuchen, brauche ich nicht die Präsentation.“ Für alles andere wird allerdings die Präsentation ein Schwerpunkt sein. Dieter Wasserburger ist überzeugt, dass „es in diesen Segmenten eine Bereinigung geben wird“. Die besten FMZ und die besten Shopping-Center werden überleben. Es ist schlichtweg eine Frage von „Inszenierung, Storytelling und dessen, wofür eine Marke steht“. Entscheidend sei, so Romina Jenei, dass man die richtigen Zielgruppen für sein Produkt bedient.
Automatengeschäfte als neuer Trend
Automatengeschäfte als großer Trend? Allgemeiner Trend werde es keiner werden, aber in gewissen Bereichen „ja“, meint Jenei. „Wir haben eine Auswertung gemacht, wonach der Anteil am Umsatz stärker wird.“ Das betrifft aber vorerst einmal die Convenience-Produkte. „Das besondere Erlebnis ist, weil es cool ist, beim Automaten einzukaufen.“ Das Einkaufen beim Automaten mag zwar cool sein, aber für Dieter Wasserburger hat es „null Emotionen“. Der Geschäftsführer von BILLA Immobilien ist überzeugt: „Bei frischen Artikeln wird es nicht funktionieren.“ Als zusätzliche Verkaufsmöglichkeit müssen die Automaten zunächst einmal in der breiten Bevölkerung wahrgenommen werden. Evgeni Gerginski sieht aber sehr wohl mehr Möglichkeiten: „Auch bei Automaten lassen sich mehr Emotionen reinbringen. Vielleicht muss man das Design grundsätzlich überarbeiten? Weg von den langweiligen Regalen mit einer Plastikscheibe, hin zu einer inszenierten Angebotswelt mit Aufenthaltsqualität rundherum.“
Digitalisierung und nicht strafen
Grundsätzlich könnte man aber von der Automatenidee einiges für den Einkauf im Supermarkt mitnehmen. Nämlich die Digitalisierung, wie Andreas Hawlik meint: „Das Einkaufswagerl muss registrieren, was ich einkaufe.“ Die Kunden wünschen sich ein Einkaufserlebnis, ohne danach Schlange stehen zu müssen, um die Ware zu bezahlen. Dies sollte digital geschehen; was registriert wird, wird abgerechnet. Dieter Wasserburger etwas überspitzt: „Automatisch zahlen, das ist der große Gewinn. Die Kundinnen und Kunden wollen rausgehen und nicht in der Schlange stehen und dafür bestraft werden, dass sie einkaufen.“
Unabhängig von allen Veränderungen ist für Bernhard Klein klar: „Diejenigen, die sich inszenieren können, werden gewinnen.“