Die Bürowelt verändert sich derzeit dramatisch. „Die vergangenen Jahre haben nicht nur unser Verhältnis zur Arbeit, sondern auch den Umgang mit Raum und Zeit grundlegend verändert“, sagt Andreas Gnesda, Geschäftsführer teamgnesda und Arbeitswelten-Experte.
Ort, den man gerne aufsucht
Vor allem das Homeoffice hat zuletzt an Bedeutung gewonnen. Das findet bei Andreas Gnesda Berücksichtigung, wenn er für den Büroneubau proklamiert: „Das Pendel hat einen Gleichgewichtspunkt gefunden: ein hybrides Modell, das die Vorteile beider Welten kombiniert.“ Die zentrale Frage, die sich Unternehmen aktuell stellen, lautet daher nicht mehr, wie oft Mitarbeitende ins Büro kommen müssen, sondern: Warum sollten sie es überhaupt wollen? „Die Antwort ist verblüffend einfach“, so Andreas Gnesda: „Weil das Büro ein Ort ist, den man gerne aufsucht.“ Im Projekt „ENNA“ von Art-Invest Real Estate hat man genau diesen Grundsatz, nämlich Bedarfsorientierung, aufgegriffen. So wurde bei der Entwicklung des nachhaltigen Bürogebäudes evaluiert, was Mitarbeiter von morgen suchen und in Zukunft finden wollen, um wieder gerne Zeit im Büro zu verbringen. Das erste Work-Life-Building Wiens – wie es sich selbst nennt – basiert auf einem nachhaltigen und innovativen Wertekonzept, das den Menschen in allen Belangen in den Mittelpunkt stellt.
„Biophilic Design“
Moderne Bürokonzepte setzen auf bedürfnisorientiertes Arbeiten. Sie bieten nicht nur verschiedene räumliche Lösungen für unterschiedliche Aufgaben, sondern nehmen auch Rücksicht auf die individuelle Tagesverfassung und persönliche Vorlieben der Mitarbeiter. „Produktivität ist nicht allein eine Frage der Tätigkeit – sie ist ebenso eine Frage des Wohlbefindens“, findet Andreas Gnesda. So zielt auch „Biophilic Design“ darauf ab, die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Produktivität des Menschen durch eine naturnahe Gestaltung von Innenräumen zu verbessern. Das Konzept umfasst eine Vielzahl von Elementen, wie die Integration von Pflanzen, Tieren, natürlichen Materialien oder naturähnlichem Design in die Gestaltung von Gebäuden. „Pflanzen, natürliche Materialien und Lichtkonzepte sind nicht nur hübsch anzusehen, sie steigern auch nachweislich die Luftqualität, die Kreativität und das Wohlbefinden“, erklärt die deutsche Innenarchitektin Dina Andersen. Dafür müsse man das Office nicht gleich in einen Dschungel verwandeln. „Vielmehr reicht es, grüne Oasen zu schaffen, die eine Rückzugsmöglichkeit darstellen“, sagt Dina Andersen. Es braucht Orte für Konzentration und Rückzug genauso wie Räume für Kreativität und Austausch. Es braucht Umgebungen, die soziale Interaktion fördern, Innovation ermöglichen und Identität stiften.
Ohne ESG geht es nicht
Nachhaltigkeit ist auch 2025 ein Kernkriterium bei der Umsetzung von Bürokonzepten – innen wie außen. Fest steht, dass ESG-Aspekte das Geschehen im Immobilienbereich maßgeblich mitbestimmen werden. Katharina Saxa, zuständig für Projektmanagement und Kommunikation bei der ÖGNI: „Nachhaltigkeit wird am Immobilienmarkt vor allem für Büros als Must-have angesehen.“ Umweltbewusstsein und „Greenvestments“ werden am Markt weiterhin belohnt. „Wir können beobachten, dass Büroimmobilien mit Zertifikat bei Miete und Ankauf bevorzugt werden, da vor allem große Unternehmen und Investoren dies fordern“, so Katharina Saxa. Besonders relevant ist es für große Unternehmen, die hinsichtlich CSRD berichtspflichtig sind bzw. Vorgaben gemäß einer firmeninternen Nachhaltigkeitsstrategie erfüllen müssen. Als praktischen Vorteil hat ein zertifiziertes Bürogebäude eine zukunftsfitte Planung, sodass die Immobilie stets anpassungsfähig bleibt. Katharina Saxa: „Für den Nutzer ist so ein gesunder und attraktiver Arbeitsplatz auch in der Zukunft gewährleistet, und der Eigentümer profitiert von einem wertbeständigen Asset.“ Den Projektentwicklern ist das klar, und trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen halten sie an diesen wesentlichen Voraussetzungen fest. „Flexibilität und Nachhaltigkeit stehen im Fokus unserer Projekte“, sagt Gerald Beck, Geschäftsführer von ARE Austrian Real Estate: „Alle Flächen werden nach höchsten Nachhaltigkeitsstandards errichtet und klimafreundlich mit Energie versorgt.“
Der Bestand würde Chancen bieten
Im Bestand würde es zahlreiche alte Büros geben, die man mit originellen Ideen in solche zukunftsfitten Arbeitsplätze verwandeln könnte. Doch die Wiener Bauordnung erschwert sie oft. Möchten Immobilienunternehmer eine Altbau-Wohnung in ein Büro verwandeln oder umgekehrt, braucht es eine Bewilligung wie für einen Neubau. Für Markus Kitz-Augenhammer, Vorstand der IMMOBILIENRENDITE AG, ist das ein großes Problem. „Neubauten müssen top gedämmt werden und moderne Heizsysteme sowie Fluchtwege aufweisen. All das ist bei einem Altbau nicht so einfach möglich, ohne die Substanz zu zerstören.“ Die Folge sei vielkritisierter Leerstand statt neuem Leben wie im ehemaligen Meatpacking District von New York. „Bei uns verhindern dumme Paragrafen die Nach- und Neunutzung spannender Objekte.“ Die laufenden Veränderungen in der Bürowelt werden umfassender, als wir glauben, und daher bleiben neue Flächen mit innovativen Ideen gefragt.