In keinem Jahr in der Geschichte der USA – nicht einmal während der Finanzkrise – gab es so viele Pleiten von US-Einzelhandelsunternehmen wie 2017. Das Problem auf den Onlinehandel zu schieben, gilt nicht, und Rückschlüsse auf einen kommenden Pleite-Reigen in Österreich lässt die Entwicklung in den USA auch nicht zu. Dazu sind die Unterschiede zu groß. Und die beginnen schlicht und einfach bereits bei den Quadratmetern.
Österreich verfügt – laut Regio Plan – aktuell mit knapp 1,7 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner noch immer über eine der höchsten Dichten in Europa. Übertroffen wird dieser Wert derzeit nur von der Schweiz, wo der Dichtewert knapp höher liegt. Im Vergleich zu den USA ist „dies aber nur ein Bruchteil an Verkaufsfläche“, erklärt Walter Wölfler, Head of Retail Österreich & CEE bei CBRE: „Dort stehen nämlich jedem Konsumenten rund fünf Quadratmeter Shoppingfläche zur Verfügung.“ Die Überversorgung an Shopping-Malls und ähnlichen Konzepten wie Fachmarktzentren wird noch einmal dadurch verschärft, dass sich in den USA rund 76 Prozent der Handelsflächen in derartigen Konzepten befinden, während es in Österreich nur 27 sind. „Das heißt, strukturell kann man nicht von einer Überversorgung des Marktes in Österreich ausgehen“, so Wölfler.
Ankermieter in den Shoppingcenter
Ein weiterer wesentlicher Unterschied betrifft die Anzahl der Ankermieter in den jeweiligen Shopping-Centern. Gibt es nämlich in den USA in 46 Prozent der Shopping-Center solche Anziehungspunkte, sind es in Österreich lediglich 14 Prozent. Und die Ankermieter spielen in den amerikanischen Malls eine weitaus tragendere Rolle als in den heimischen. „Man sieht in den USA, dass in den Shopping-Malls, in denen ein Ankermieter schließt bzw. die Mall verlässt, auch gleich die ganze Mall über kurz oder lang geschlossen wird“, so Walter Wölfler.
Shopping-Center sind überaltert
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das Alter der Malls. 1956 entstand mit dem Southdale Center bei Minneapolis das weltweit erste in einem einzigen Gebäude integrierte Einkaufszentrum. Geplant wurde es von dem in die USA emigrierten österreichischen Architekten Victor Gruen, der als Vorreiter heutiger moderner und komplexer Einkaufszentren gilt. Auch wenn die Halbwertszeit der Shopping-Center in den USA weitaus kürzer als unsere ist und sie öfters refurbisht oder neu gebaut werden, so wurden doch „rund 54 Prozent der in Bestand befindlichen Einkaufszentren in den USA vor 1988 errichtet“, so Wölfler, der als Vergleich angibt: „In Österreich wurden 73 Prozent der bestehenden Shopping-Center NACH 1988 errichtet.“ Die US-Shopping-Center sind de facto überaltert, in vielen Fällen rechnet sich ein Redevelopment oder eine Renovierung gar nicht mehr. Die Center sperren daher zu – mehr als 300 weitere Shopping-Center könnten in den USA in den kommenden fünf Jahren geschlossen werden. „Das klingt zwar recht dramatisch“, meint Walter Wölfler, „aber letztendlich sind das in Summe fünf Prozent aller Immobilienwerte von Shopping-Centern in den USA.“