Dem Riesenplakat am Eingang der Messe und den anderen Werbekanälen, wo das Emblem der Türkei auftaucht, zum Trotz wird das offizielle Ehrengastland auf der MIPIM 2013 im südfranzösischen Cannes in den ersten beiden Messetagen nur zaghaft nachgefragt. Das lässt sich mit freiem Auge deutlich erkennen, wobei dem Land im Einzelhandel und im Wohnbereich von anerkannten Immobilienvertretern eine rasante Entwicklung durchaus nicht abgesprochen wird. Silvano Boatto, Engagement-Manager bei der international tätigen Real Estate Advisory Group, kennt die Bedenken: „Hier ist zwar oftmals eine hohe Endnachfrage gegeben, jedoch mangelt es etwa an Infrastrukturmaßnahmen.“
Deutschland gegen Deutschland
Derartige limitierende Faktoren kennt man in Deutschland nicht. Hier drängte sich zuletzt eher der Eindruck auf, dass ein allzu großer innerdeutscher Wettbewerb herrscht. Am Frankfurter Immobilienmarkt etwa ist die recht dynamische Entwicklung bekanntermaßen mit enormen Leerständen verbunden. Man kann daher davon ausgehen, dass es nicht nur Profiteure, sondern auch Verlierer unter den Immobilienanbietern gibt. Als Verlierer wird neuerdings auch die 500.000-Einwohner-Stadt Duisburg gesehen, die anscheinend vom Nachbarn Düsseldorf ausgebootet wird. Die renommierte „Immobilien Zeitung“ beklagt in ihrer Messeausgabe, dass den hochtrabenden Ambitionen nun nichts als Stillstand folgen würde. Übers Ziel hinausgeschossen hatte man zuletzt ja auch in Hamburg, wo die Stadt laut Medienberichten über eine halbe Milliarde Euro für einen „philharmonischen Wahrzeichenluxus“ namens Elbphilharmonie ausgeben müssen wird. Ein anderes Beispiel liefert der milliardenschwer überteuerte Flughafenneubau in Berlin-Brandenburg, wo sich bis zu sechs Milliarden Euro Gesamtbaukosten ansammeln. Geplant war das freilich nicht, aber in Kauf genommen wird es allemal, wenn man das Stehvermögen der politisch Verantwortlichen in Betracht zieht.
Russland ist wieder gefragt
Beim Messeauftritt der zahlreichen russischen Teilnehmer des Immobilienbusiness in Frankreich scheint Klotzen statt Kleckern von Anfang an die Devise zu sein. Sie sind wieder da, die Russen, und potent präsentieren zahlreiche russische Unternehmensgruppen mit anderen Firmennamen als vor den Krisenjahren ihre Großprojekte. Die Stimmung bei den russischen Regional- bzw. Firmenvertretern ist gut, auch wenn man eher unter sich bleibt, wie an den weitgehend russischsprachigen Konversationen festzustellen ist. Der Name Moskau zieht aber auch im Ausland wieder, und die aufwendigen Präsentationen in den Pavillons von Cannes sollen das Ihre dazu beitragen. Immerhin war Russland das Liebkind der Investoren in CEE/SEE. Von den 7,6 Milliarden Euro, die 2012 in der Region investiert wurden, flossen 49% der Summe nach Russland. „CEE bietet hohe Ertragschancen und bessere Renditen, vor allem Russland und Polen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die russischen Banken stellen uns vertrauensvoll Kapital zur Verfügung“, hat Eduard Zehetner, Vorstandsvorsitzender der Immofinanz-Gruppe, im Vorfeld der Messe Motive dargelegt, warum man hier dort aktiv ist bzw. dort Projekte weiter betrieben werden können.
Nachhaltiges in Frankreich
Frankreich bleibt auf der MIPIM weitestgehend den Franzosen vorbehalten. So stellt es sich zumindest dar, denn auf den französischen Ständen wird eher nur französisch „parliert“. Für die zahlreich vor Ort vertretenen Regionen der Grande Nation stellt die MIPIM ein gern benutztes Vehikel dar, um der Öffentlichkeit den neuesten Stand von Stadtentwicklungen zu präsentieren. Neuerdings werden diese gerne auch mit dem Prädikat „nachhaltig“ beworben. Die Gastgeber scheinen ihr grünes Herz entdeckt zu haben. In Nizza ist von „Eco Vallée“ die Rede und in Montpellier von „Nature Urbaine“. In diesem 350 Hektar großen Stadterweiterungsgebiet rund um einen neuen TGV-Bahnhof soll rund die Hälfte der Fläche Grünraum bleiben. Auch das Gegenteil kann in Frankreich aber als nachhaltig gelten. La Défense soll neuerdings ein nachhaltiges Büroviertel sein, und ins Treffen geführt wird hierfür die vorhandene dichte Form der Bebauung, da dies Flächen sparen würde. Die Stadt Nantes ist hier schon glaubwürdiger. Sie wurde auf der Messe von EU-Seite aus offiziell zur „Europäischen Green Capital des Jahres“ ernannt.
Der Norden Europas
Im Gegensatz zu Frankreichs Regionen lässt sich in Stockholm, Helsinki, Oslo und kleineren nordeuropäischen Städten wirkliche Kompetenz in Sachen Nachhaltigkeit orten. Verträgliche Bauvolumina, energiesparende Bauweisen, ökologische Baustoffe und erneuerbare Energiequellen können als Hinweis dafür gelten. Die skandinavischen Länder präsentieren sich gewohnt geschlossen und mit prägnanten Einzeldarstellungen, also ohne sich in einen Topf werfen zu lassen. Großbritannien differenziert sich dafür regional aus. Die Hauptstadtregion London so in Szene zu setzen, dass man im internationalen Immobilienbusiness nicht daran vorbeikommt, das hat ihr Bürgermeister Boris Johnson vor vollem Auditorium zu erreichen versucht. Der Hunger nach Kapital scheint dort auch nach den Olympischen Spielen nicht gestillt zu sein, und man wird nicht müde, für große Investitionen zu werben. Am europäischen Finanzplatz Nummer eins steht das Rad nicht still, und es wurden weitere Investitionen in Verkehrsbauten versprochen. Zum ersten Mal auf der Messe präsentierte sich die Region Bristol-Bath, und zwar als innovativer und vitaler Wirtschaftsplatz. Gefragt nach Investitionsmotiven im globalen Wettbewerb, rang der Marketingverantwortliche allerdings nach Argumenten. Was an derartigen Nebenschauplätzen letztlich betont wird, ist das noch vorhandene Potenzial, und immerhin konnte der Messeneuling dann doch auf einen internationalen Flughafen verweisen.
Metropolregionen suchen Investoren
St. Pölten ist ein vergleichbares österreichisches Beispiel einer kleineren Stadt in einer Metropolregion. „Beim Networking werden wir von der Austrian Business Agency unterstützt, und zwar nicht nur bei der Vermittlung von wichtigen Kontakten, sondern auch beim Austausch von wertvollen Erfahrungen mit zum Beispiel norddeutschen Städten“, erklärt Bürgermeister Matthias Stadler und meint zu den Vorteilen eines dezentralen Orts, der Teil einer großen Hauptstadtregion ist: „Innerhalb unserer Stadtgrenzen gibt es noch enorm viel an gewerblich nutzbarer Fläche.“ Für die tschechische Kleinstadt Hradec Králové wird in Frankreich ebenfalls geworben. Hier weiß der Besucher der MIPIM auf den ersten Blick allerdings nicht recht, womit. Bei der Suche nach Attraktionen bzw. beim Blättern in der Broschüre stößt man des Öfteren auf das recht bescheidene Argument, wonach 160 Kinderspielplätze zur Verfügung stehen würden. Das Ringen vieler Ostregionen scheint angesichts solcher Qualitäten stark von der Hoffnung getragen zu sein, dass sich doch wieder oder jetzt endlich ein Investor in ihre Gegend verirren möge.
Noch schwerer tun sich da offensichtlich nur die griechischen Branchenvertreter, die am zweiten Veranstaltungstag ausgerechnet in einem Veranstaltungsraum namens Agora vor denkbar wenig Publikum um Worte des Optimismus rangen. Und Wien? Wien ist in Cannes ein Abwesender, das heißt, wenn man von einer dicken roten Broschüre absieht, welche die Planungsstadträtin extra für für diesen Zweck auflegen ließ. Darin erläutert werden dem Leser zukünftige Entwicklungen, etwa am Stadtrand in Aspern. Vielen österreichischen Messeteilnehmern war das zu wenig. Sie haben die mangelnde heimische Politpräsenz– nicht nur aus Wien– beklagt, und man mag ihnen beipflichten, wenn man die roten Hefte so liegen sieht, deren Stapel nicht kleiner wird.