Wie schätzen Sie die allgemeine Wirtschaftslage ein?
Malloth: Ich vergleiche die allgemeine Wirtschaftslage gerne wie folgt: Weltweit gibt es ein paar Leute, die einen Tisch tragen, der voll mit Gläsern ist. Jeder hat ein Tischbein in der Hand und sagt zum anderen: „Nur nicht loslassen.“ Dass sie vielleicht gemeinsam den Tisch abstellen und die Gläser abräumen, passiert nicht. Es haben sich Kasten entwickelt, die sich nur mit dem eigenen Reichtum und Weiterkommen auseinandersetzen. Diese Konstellation führt zu einem Auseinanderdriften in der Weltgemeinschaft.
Wie meinen Sie das?
Malloth: Tatsächlich gibt es heute zwei Grundgruppen: diejenigen, die das Geld, die Macht und die Kontakte haben, und diejenigen, die das nicht haben. Es wird sich weisen, ob wir an der nächsten Wegkreuzung zum Frieden kommen oder nicht. In zehn bis zwanzig Jahren werden wir die Antwort kennen– vielleicht aber auch schon morgen. Dass es zu Konflikten kommt, liegt an einer kleinen Gruppe an Verhaberten, die alles bestimmen. Das gilt für faktisch alle Länder, natürlich auch für Österreich.
Sie meinen damit aber nicht die Politiker?
Malloth: Nein, obwohl auch diese ihre Bedeutung im großen Spiel haben. Wirkliche Bedeutung haben aber ganz andere Gruppen. So zum Beispiel jene, die die Möglichkeit haben, Geld und Warenströme dieser Erde zu bestimmen. Vieles ist ähnlich den Aristokratien im Mittelalter. Es ist eine relativ kleine Gruppe von Menschen, die den Staat bestimmt. Wenn das verantwortungsvoll ausgeübt wird, dann kann das ein guter Weg sein. Die Frage ist: Werden wir durch die Entscheidungen dieser Gruppen zu Frieden und Harmonie und Einheit kommen, werden sich die Unterschiede zwischen Arm und Reich auflösen oder nicht? Ich glaube, dass wir auf unserem Weg an dieser Wegkreuzung zwischen Harmonie und Konflikt noch nicht ganz angelangt sind, weit ist der Weg aber nicht mehr.
Wie stellt sich in diesem Umfeld die Immobilie dar?
Malloth: Für mich ist das Hauptschlagwort, egal für welchen Bereich: Nutzerorientierung. Jeglicher Erfolg einer Immobilie wird abhängig sein vom Grad der Nutzerorientierung. Das heißt, es geht um all das, was die Menschen in ihrem gesamten Umfeld für ein lebenswertes Leben brauchen.
Können Sie Beispiele nennen?
Malloth: Wenn es in Städten keine Möglichkeit mehr gibt, in annehmbarer Zeit von Punkt A zu Punkt B zu gelangen, dann stimmt etwas nicht. Die Lösung kann nicht darin liegen, die nächste Umfahrungsautobahn zu bauen. Das schaffen Städte weder finanziell noch räumlich. Viel wesentlicher ist es, eine polyzentrische Stadt zu schaffen. Wir haben zum Beispiel in der Vienna Region eine hohe Ausrichtung auf die Wiener Bezirke 1 bis 9. Es gibt kaum bewusste Entwicklungen anderer Zentren in Wien. Eigenartig ist, dass man auch in anderen Städten der Erde nicht lernt. In Istanbul oder London, nur um zwei Beispiele zu nennen, nimmt man immense Distanzen und einen hohen Zeitaufwand in Kauf, um überhaupt ins Zentrum zu kommen. Das kann so mittel- bis langfristig nicht funktionieren oder ist auch nur für Leute möglich, die sich einen Hubschrauber leisten können. Das alles ist jener Elfenbeinturm, in dem wir dann alle langsam zum Stillstand kommen.
Wien wird ja auch weiter wachsen.
Malloth: Mag sein– das ergibt sich aus der Internationalisierung. Tatsächlich gibt es aber keinen Staat in Europa, der wächst, und keinen, in dem der Alterungsprozess geringer wird, also die Menschen nicht immer älter und älter werden. Während Afrika und Asien explodieren, stirbt Europa aus. Das heißt, wir brauchen Zuwanderer. Sich mit dem Thema nicht wertungsfrei und nicht losgelöst von überkommenen Denkmodellen und eigenem Herkommen auseinanderzusetzen ist ein Verkennen der Situation.
Welche Herausforderungen stellen sich für Sie als Fachverbandsobmann?
Malloth: Jeden Tag neue! Ich vertrete als Fachverbandsobmann Verwalter, Makler und Bauträger. Ich habe schon vor mehr als zehn Jahren gesagt, und das zeigt sich jetzt immer stärker, dass die Unterscheidung der einzelnen Berufsgruppen in den Hintergrund treten wird. Es wird zwar eine Spezialisierung geben, und ich verwende gerne das Schlagwort des „spezialisierten Universalisten“, der „allumfassende Kompetenz“ hat. Die Kenntnis des Mietrechts und des Wohnungseigentumsrechts gehört zwar zum Werkzeug, aber sie werden ebenso immer weiter zurückgedrängt, dies zu Recht von Fragen, die unser Leben heute wirklich bestimmen. Das fängt bei der allein erziehenden Mutter an und geht über Mehrfachbelastungen bis hin zur Frage, wie, wann und wo wir entschleunigen können. Unsere geltende Mietzinsbildung etwa ist ein Anachronismus. In jedem von uns gibt es ein klares Gefühl für Angemessenheit. Wenn du halbwegs erwachsen bist und dich mit den Umständen in dieser Gesellschaft auseinandersetzt, das tun die Menschen, dann kannst du auch entsprechend entscheiden. Wir sollten in diese Richtung denken.
Sie meinen, wir brauchen diese Gesetze nicht?
Malloth: Wir brauchen Gesetze als Ordnungsmuster, aber wir dürfen uns keinem Regulierungswahnsinn unterwerfen. Es muss das Augenmaß für die Dinge gelten. Wenn wir das x-te Energiezertifizierungssystem haben und in Peking drehen sie in der Hauptstraße das Licht auf, dann ist der Verbrauch weiß Gott wie hoch, und wir quälen uns mit sinnfreien Normierungen. Der Politik muss es wichtig sein, dem Einzelnen so viel Freiheit wie möglich für seine Entscheidungen zu geben. Wenn mich einer fragt, was machen wir mit dem Heizkosten-Abrechnungsgesetz, ist meine Antwort: Abschaffen. Wir haben Häuser mit 5, 10, 15 Kilowattstunden Heizkosten, was willst du denn da noch berechnen?
Wie hat sich die Reduktion der Maklergebühren ausgewirkt?
Malloth: Die Auswirkungen sind größer, als ich gedacht und befürchtet habe. Ich bin davon ausgegangen, dass es zu unangenehmen Situationen kommen wird, aber in einigen Unternehmen sind die Auswirkungen sehr stark und es haben einige zugesperrt. Wir wissen aus einer Studie, die demnächst veröffentlicht wird, dass sich tatsächlich eine Reihe von Unternehmen aus dem Mietermarkt zurückgezogen hat. Nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern. Der qualifizierte Spezialist hat sich aus dem Geschäftsfeld zurückgezogen und es wird anderen sogenannten „Beratern“ überlassen. Trotzdem sollten wir die Diskussion rund um die Provisionen zurzeit zwar nicht vergessen, aber wir müssen jetzt unseren Blick in die Zukunft richten. Es nützt uns nichts zu jammern. Es ist viel wichtiger zu überlegen, was können wir wodurch ersetzen?
Wie meinen Sie das?
Malloth: Es muss zum Beispiel dem Vermieter in Österreich klar werden, egal ob Wohnung oder Büro, dass er für die qualifizierte Leistung eines Maklers bezahlen muss. Der Makler schafft Sicherheit.
Wie stehen Sie zur Immocard?
Malloth: Mit der Immocard kann jeder Immobilientreuhänder, vor allem natürlich der Makler nachweisen, dass er eine breite und höchst profunde Ausbildung genossen hat und konkret Auskunft geben kann. Ich sehe die Immocard zusammen mit einem verschärften und modernisierten Standesrecht. In Wien haben wir das Pilotprojekt gestartet, derzeit erfolgt die Einführung in den Bundesländern Niederösterreich, Steiermark und Burgenland. Ich habe Ende Mai die Immocard auch den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorgestellt, weil wir davon ausgehen, dass die anderen europäischen Staaten unsere Idee übernehmen wollen. Tatsächlich wurde in Entsprechung einer Richtlinie der Kommission zur Einführung eines Berufsausweises das Projekt auch stimmeneinhellig beschlossen.
Die Karte gibt es also nur für gewerbeberechtigte Makler.
Malloth: Zur Führung der Karte sind zurzeit nur diejenigen berechtigt, die selbst die Gewerbeberechtigung haben oder bei einem gewerbeberechtigten Unternehmen beschäftigt sind und eine entsprechende Ausbildung vorweisen können. Wir können Qualität eben nur schaffen, wenn wir auch einen klaren Qualitätsmaßstab haben. Entweder jemand ist qualifiziert, das ist die eine Schiene, oder er arbeitet unter der Verantwortung eines Gewerbeberechtigten, der die profunde Basisausbildung hat.
Es fällt in diesem Zusammenhang immer der Ausdruck des Assistenzmaklers. Was kann man sich darunter vorstellen?
Malloth: Dabei geht es vorerst um eine Idee oder Vision, die wir umsetzen wollen und werden. Ich vergleiche das immer mit dem Konzipienten bei einem Anwalt oder dem Substitut bei einem Notar. Konzipient und Substitut haben zwar bereits eine entsprechende Ausbildung, aber sie brauchen noch Praxisjahre, bevor sie sich selbstständig machen können.
Rechtsanwalt, Notar, Makler. Damit geben Sie dem Berufsbild einen sehr hohen Stellenwert.
Malloth: Das ist das Bild, zu dem ich will. Ob das vielleicht einmal darin mündet, dass die Ausbildung des Immobilientreuhänders überhaupt auf einem anderen Niveau stattfindet, will ich nicht ausschließen. Ich sehe ja, wie viele sensationelle Leute aus den Fachhochschulen kommen, und da denke ich, dass der Berufszugang auf einem sehr hohen Niveau stattfinden soll. Zum Beispiel auch mit einem Universitätsabschluss.
Worin sehen Sie die wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen in den nächsten Jahren?
Malloth: Die Kernworte der nächsten Monate und Jahre werden Radikalisierung, Individualisierung und Emotionalisierung sein. Vor allem in der Emotionalisierung sind– aus meiner Sicht– mit den Schlagwörtern Sicherheit, Geborgenheit und Transparenz Kernstrategien bezeichnet.